Groß, breit und grimmig dreinblickend - das alles ist Florian Kettemer nicht. „So sahen die Eishockeyspieler früher aus. Heute sind wir athletischer", sagt der 31-Jährige Nationalspieler. „Zudem täuscht der Eindruck auf dem Eis durch die Ausrüstung. Die Protektoren lassen uns breiter und die Schlittschuhe größer aussehen." Kettemer steht bei EHC Red Bull München unter Vertrag. Das Team verteidigte in der abgelaufenen Spielzeit den Titel der Deutschen Eishockey Liga. In der Saisonpause trainiert Kettemer auf der Insel - und das schon das sechste Jahr in Folge. Die MZ trifft ihn beim Training im Megasport.

Verantwortlich für das jährliche Trainingslager auf Mallorca ist Thomas Hertlein, der seit zehn Jahren hier lebt. Der Personal und Mental Coach ist das Erfolgsgeheimnis von Kettemer. „Früher haben die Leute über Florian gesagt, dass er bei seiner Statur nie professionell Eishockey spielen wird. Dann kam er zu mir." Der 46-Jährige ist studierter Psychotherapeut und war selbst im Taek­wondo als Profisportler aktiv. Danach betrieb er in Deutschland ein Leistungssportzentrum. „Das wurde mir aber zu viel." Hertlein wanderte aus und betreut nun mit seinem Unternehmen Matrix Room Sports die Stars aus unterschiedlichen Sportarten. Beim Eishockey zählen neben Kettemer Spieler von den NHL-Teams Bosten Bruins und Pittsburgh Penguins dazu.

Florian Kettemer hatte das Glück, dass Trainer Hertlein mit seiner Schwester zusammen ist. „Er bekommt einen Sonderpreis", sagt Hertlein. „Sonst hätte ich mir das als Eishockeyspieler über diese Dauer aber auch nicht leisten können", antwortet Kettemer. Im ersten Schritt musste der Spieler an Gewicht zulegen. „Er hatte nachts Spaghetti gegessen und Protein­shakes getrunken, nichts hatte geklappt. Erst durch mein auf ihn zugeschnittenes Training und einen Ernährungsplan hat er 15 Kilo Muskelmasse zugenommen."

Wie das Spezialtraining aussieht, machen Kettemer und Hertlein vor. Mit einem Fuß geht es auf ein Balancekissen, mit dem anderen auf einen Gymnastikball. Der wackelnde Untergrund soll das rutschige Eis simulieren. Statt einen Schläger gibt es einen Stock in die Hand. Thomas Hertlein macht jede Übung mit und korrigiert seinen Schützling nebenbei. Bei mehreren Klienten könnte das ganz schön anstrengend werden. „Da muss man die Preise so teuer machen, dass man keine fünf Kunden am Tag hat", sagt er schmunzelnd. Im zweiten Schritt stellt sich Hertlein leicht versetzt hinter Kettemer und zeigt mit den Fingern Nummern. Durch die periphere Sicht muss der Eishockeyspieler die Zahl erkennen und nebenbei das Gleichgewicht halten. „Nicht schummeln", sagt Trainer Hertlein, wenn Kettemer verzweifelt versucht, den Kopf leicht zu drehen. Abschließend geht es mit zwei Gewichten in den Händen kniend auf den Gymnastikball.

Neben den Einheiten im Megasport trainiert das Duo am Strand, auf dem Wasser und mit anderen Klienten von Hertlein. „Das Training macht Spaß. Thomas ist nicht der klassische ­Personal Coach, der bis zum Umfallen auf einen einbrüllt." Auf der anderen Seite bemerkt Kettemer nach den Übungen, wie intensiv die Mischung aus körperlichem und mentalem Training ist. „Wir trainieren zwar nur eine oder zwei Stunden am Tag, danach fühlt es sich aber wie vier Stunden Training von anderen Trainern an."

Kettemer ist den ganzen Sommer auf Mallorca. Zwischendrin geht es immer mal wieder eine Woche nach Österreich oder Deutschland, um das Schlittschuhlaufen nicht zu verlernen. Die Saisonvorbereitung bei seinem Team geht am 22. Juli wieder los. Die Arbeit von Hertlein ist dann aber mitnichten schon vorbei. Der 46-Jährige betreut den Eishockeyspieler aus Kaufbeuren das ganze Jahr. Während der Saison ist er als Mentaltrainer gefragt. In der abgelaufenen Spielzeit riss sich Kettemer das Syndesmoseband. Er musste zehn Wochen pausieren und verpasste einen Großteil der Hauptrunde. „Das war für mich eine schwierige Situation, da es die erste große Verletzung in meiner Karriere war. Wir haben dann analysiert, warum das passiert ist und was wir für positive Schlüsse da­raus ziehen können." Hertlein richtete den Spieler wieder auf und hat ihm die Angst vor einer weiteren Verletzung genommen. „Danach mussten wir ihn wieder ins Team bekommen, denn die Top-Profis in München lassen Florian gewiss nicht den Vortritt", sagt der Trainer. Zu den entscheidenden Play-offs reiste Hertlein nach München und brachte Kettemer wieder auf das Eis.

Trotz des Gewinns der Meisterschaft reichte es für den 31-Jährigen im Anschluss nicht für einen Platz im Kader bei der ­Weltmeisterschaft in Köln und Paris. „Das war nach der langen Verletzung aber absehbar", zeigt sich Kettemer wenig betrübt. Nach dem Sieg gegen die USA und dem knappen Scheitern im Viertelfinale gegen den späteren Finalisten Kanada erhofft sich Deutschland einen Eishockeyboom. „Der Sport gewinnt immer mehr Land. Aber es ist schwierig, zum Fußball aufzuschließen."

Dabei hinderlich ist auch ein Nachwuchsproblem. „Die DEL ist sehr viel von Kommerz beeinträchtigt. Die Erstligateams holen statt deutschen Talenten für das gleiche Geld lieber zweitklassige - aber fertige - Spieler aus Amerika oder Skandinavien." Diese Einkaufsstrategie zieht sich durch die ganze Liga und ist nicht nur auf Red Bull beschränkt. Der österreichische Getränkehersteller stieg 2012 in München ein und führte das damals durchschnittliche Team an die Spitze. Eine ähnliche Diskussion über Kommerz und Tradition wie im Fußball bei RasenBallsport Leipzig, das ebenfalls von Red Bull gesponsort wird, gebe es laut Kettemer auch im Eishockey. „Aber das ist kein so großes Thema wie im Fußball."

In der vergangenen Saison war Kettemer der einzige Stammspieler, der ohne Torerfolg blieb. „Als Abwehrspezialist werde ich daran nicht gemessen. Aber das ist ein Punkt, den ich mit Thomas in der nächsten Saison verbessern will." Offensiver soll der 31-Jährige in privaten Dingen vorgehen. Kettemer wird ein Ruf als Frauenheld nachgesagt. „Wenn man das so behauptet ?", meint er nur verschmitzt. Vergeben ist der Eishockeyspieler derzeit nicht. „Aber für die Suche bleibt auch keine Zeit. Thomas ist gerade meine Freundin."