Sieht man die Erfolge von Margarita Victoria García, Mavi genannt, könnte man meinen, dass die 33-Jährige bereits seit Kindesbeinen auf den Leistungssport getrimmt wurde. Die Mallorquinerin gewann seit 2015 stets die spanische Meisterschaft im Duathlon, einem Mix aus Radfahren und Laufen. 2016 kam eine Goldmedaille bei den spanischen Straßen-Meisterschaften im Radfahren hinzu. Dabei begann die Sportlerin aus Palma erst im Jahr 2010 mit dem regelmäßigen Lauftraining und bis 2012 hatte sie nicht einmal ein Fahrrad.

Den bisherigen Höhepunkt ihrer noch jungen Karriere feierte Mavi García vor knapp zwei Wochen bei der Weltmeisterschaft im Duathlon über die Kurzdistanz: 10 Kilometer Laufen, 40 Kilometer Radfahren und noch mal fünf Kilometer Laufen. Beim Rennen im kanadischen Penticton holte sie Silber. „Bei der ersten Laufstrecke bin ich schnell gestartet, musste dann aber die Konkurrenz ziehen lassen", sagte sie der MZ. Auf dem siebten Platz kam García zum ersten Wechsel mit einer Minute Rückstand. Doch die Radstrecke liegt der 33-Jährigen. Sie kämpfte sich auf den zweiten Platz und kam am Ende nur eine Minute nach der Siegerin Felicity Sheedy-Ryan ins Ziel.

Bis zu ihrem 17. Lebensjahr war Mavi García Rollschuhartistin - und auch das mit Erfolg. Sie war mehrfach balearische Meisterin und Vierte bei den spanischen Meisterschaften. „Das waren viele Stunden Training in der Woche. Darauf hatte ich dann keine Lust mehr."

Neun Jahre lang hielt Mavi García die Füße still. „Dann wollte ich wieder irgendwas machen. Laufen war das Einfachste, was ich anfangen konnte." Doch einfach an der Strandpromenade entlangjoggen kann die Mallorquinerin offenbar nicht. Es muss schon der Wettkampf auf höchstem Niveau sein. Sie nahm an mehreren Rennen teil und brach 2014 gar den balearischen Rekord im Halbmarathon.

Im Jahr 2012 kam das Fahrradfahren hinzu - und das eher ungewollt. „Mein Bruder hatte mit einer Gruppe von Freunden Radtouren in der Tramuntana gemacht. Sie sind immer mit Höchsttempo die Berge runtergebrettert." Irgendwann konnte der Bruder Mavi García davon überzeugen, mitzufahren. Ein richtiges Rennrad hatte sie nie gehabt. „Ich bin auch nie kilometerlange Strecken gefahren." Ihr Bruder und dessen Freunde waren erstaunt, als die einzige Frau der Gruppe nicht hechelnd hinterherfuhr, sondern das Tempo mitgehalten hat. Fortan sollte sie regelmäßig an den Touren teilnehmen.

So integrierte die Mallorquinerin das Radfahren in ihren Trainingsplan und startete bei Duathlon-Rennen. Im Jahr 2013 holte sie bei den spanischen Meisterschaften Bronze, 2014 Silber und ab 2015 Gold.

Über einen Freund, den spanischen Radfahrer Pep Joan, kam Mavi García mit dem Radsportverband in Kontakt und durfte bei einigen Teams Probe fahren. Der Rennstall Bizkaia-Durango zeigte Interesse an der mallorquinischen Spätstarterin. Mavi García fährt somit seit 2015 in der erstklassigen UCI Women's World Tour - nur drei Jahre nachdem sie mit dem Radfahren begonnen hatte. „Ich bin kein Naturtalent, auch wenn die Gene sicherlich eine Rolle spielen. Ich trainiere einfach nur viel."

Mavi García war zu diesem Zeitpunkt gewiss keine professionelle Sportlerin. Sie arbeitete Vollzeit als Kundenbetreuerin einer Firma, die Hotelbedarf herstellt. „Ich habe dann die Mittagspause für das Radtraining genutzt. Nach der Arbeit bin ich noch laufen gegangen." Da die 33-Jährige zu Beginn ihrer Karriere als Leistungssportlerin für das Radfahren und Laufen nicht bezahlt wurde, blieb ihr keine andere Wahl. Mit den zunehmenden Titeln fand sie Sponsoren und gewann Preisgelder. Vor anderthalb Jahren konnte sie bei ihrem Job eine Pause einlegen. „Ich hatte kein Privatleben mehr. Mein Arbeitgeber hat mich fünf Jahre lang freigestellt. Innerhalb dieser Zeit kann ich jederzeit zurückkehren."

Die gewonnene Zeit hat Mavi García für noch mehr Training genutzt. „Meine Ergebnisse haben sich seitdem stark verbessert." 2016 startete sie erstmals bei der Weltmeisterschaft im Duathlon und holte prompt Bronze. Dieses Jahr verbesserte sie sich auf Silber. Da ist die Goldmedaille im nächsten Jahr eine logische Konsequenz. „Das wird schwierig. Die ersten zehn Athleten bei den Rennen sind leistungsmäßig sehr ausgeglichen. Die Siegerin aus dem Vorjahr war dieses Jahr nur Dritte."

Der Schnellstart in den Leistungssport hat für die 33-Jährige auch eine Tücke. Ihr fehlt das taktische Wissen und die Erfahrung, die Radsportler über die Jahre ansammeln. „Das ist beim Duathlon einfacher. Da bin ich meist alleine auf der Strecke und muss nur in die Pedale treten. Auf die Taktik muss ich da nicht achten."

Schwieriger wird es da bei ihren nächsten Rennen. Mit ihrem Rennstall Biskaia-Durango geht es am Dienstag (5.9.) bei der Tour Cycliste Féminin International de l'Ardèche in Frankreich los. Eine Woche später fährt sie mit der spanischen Nationalmannschaft nach Norwegen. Dort stehen die Weltmeisterschaften im Straßenfahren an. Da heißt es auf den starken Verkehr im Fahrerfeld achten.

Nach ihrem Erfolg im Laufen und im Radfahren ist der Schritt zum Schwimmen zu erwarten. „Ich trainiere bereits einmal die Woche, aber das nur zur Erholung", sagte sie. Schwimmmeisterschaften oder ein Triathlon seien derzeit noch nicht geplant. „Ich habe mit dem Radsport noch viel vor. Zudem sind wir im neuen olympischen Zyklus." Mit 36 Jahren würde Mavi García dann bei Olympia 2020 debütieren. Die Schwimmer haben bis dahin noch Schonfrist. Doch sie sollten sich in Acht nehmen, denn die angriffslustige Mallorquinerin lernt verdammt schnell.