Wer den früheren Tennisprofi Henri Leconte auf seinen Spitznamen „genialer Tennisclown" anspricht, der muss umgehend mit Protest rechnen. Das Attribut „genial" würde ihm ja taugen, sagt er dann. Doch für einen Clown hält er sich nicht. Trotzdem: Leconte, der vor 54 Jahren in Lillers im nördlichsten Zipfel von Frankreich nahe Calais geboren wurde, ist tatsächlich eher durch seine unkonventionelle Spielweise denn durch seine Erfolge auf dem Tennisplatz bekannt geworden. Er machte Späße mit den Zuschauern, hatte eine ausgeprägte Gestik und Mimik - und konnte sich auch mal so richtig aufregen, wenn etwas nicht funktionierte. Unvergessen ist die Szene, in der Leconte in Wimbledon einen farbigen Schmetterling, der auf ihn zuflog, auf seinem Schläger landen ließ und behutsam ins Pu­blikum trug. Ein Grand-Slam-Erfolg blieb Leconte Zeit seines Lebens verwehrt, 1985 schaffte er es bis auf Platz fünf der Weltrangliste. Jetzt kommt Leconte zum Legends Cup in Palma de Mallorca. Vor seinem Auftritt auf Mallorca hat die MZ mit ihm telefoniert.

Herr Leconte, warum hetzen Sie Ihren Körper mit 54 Jahren immer noch über den Platz?

Die Leute wollen mich sehen, ganz einfach. Die Menschen wollen einen schönen Tag auf dem Tennisplatz verbringen, und ich werde ihnen den ermöglichen. So lange ich mich noch einigermaßen bewegen kann, wäre ich blöd, das nicht zu tun.

Und Sie können sich offenbar noch ganz gut bewegen.

Ich trainiere noch viel. Zwar nicht jeden Tag, aber es reicht, um noch ganz gut mit den Altstars mithalten zu können. Ich will nicht ­rumsitzen, ich muss mich bewegen. Und ich freue mich sehr darauf, jetzt auf Mallorca antreten zu dürfen.

Haben Sie sich schon ein paar Späße für Palma überlegt?

Nein, das ergibt sich alles spontan auf dem Platz. Ich habe nie vorher geplant, wie ich witzig sein könnte.

Sie haben bereits im vergangenen Jahr beim Legends Cup in Palma mitgespielt. Welchen Eindruck macht die Veranstaltung auf Sie?

Es ist das beste Turnier der gesamten Serie. Alles ist wunderbar organisiert, und dazu die Installationen - ein Traum. Das Stadion ist super, der neu gestaltete Tennis-Club, und auch das Hotel Portitxol, in dem wir untergebracht sind, ist top. Mikael Landström (Besitzer des Hotels Portitxol und des Palma Tennis Club, Anm. d. Red.) hat das ganz toll aufgezogen hier. Ich könnte sogar vom Hotel in den Tennis-Club schwimmen, so nah ist hier alles beisammen. Aber ich bin leider kein guter Schwimmer.

Welche aktuellen Tennisprofis bewundern Sie?

Ganz klar Roger Federer und Rafael­ Nadal. Das sind zwei unfassbare Spieler. Wir können uns glücklich schätzen, zu unseren Lebzeiten solche Sportler zu erleben. Ich hoffe aber auch, dass im nächsten Jahr Andy Murray, Stan Wawrinka und Novak Djokovic wieder fit zurückkommen.

Hätten Sie Rafael Nadal zugetraut, in diesem Jahr noch einmal die Spitze der Weltrangliste zu erobern?

Nein, das war eigentlich nach menschlichem Ermessen unmöglich. Man muss sich das noch einmal vor Augen halten, was Nadal in dieser Saison geleistet hat.

War es ein überfälliger Schritt, dass nun Mallorcas Ex-Nummer-eins der Welt, Carlos Moyà, Mallorcas aktuelle Nummer eins der Welt, Rafael Nadal, trainiert?

Davon profitiert Rafa ungemein. Carlos und Rafa haben beide einen ähnlichen Spielstil, beide legen den Fokus auf eine starke Vorhand. Ich glaube, das war ein guter Schritt für Nadal. So holt er sich noch einmal eine frische Motivation, eine andere Einstellung zum Tennis. Das merkt man ihm auch auf dem Platz an. Er wirkt wieder aggressiver, präsenter.

Aber was kommt nach Nadal? Welche vielversprechenden Talente sehen Sie im weltweiten Tennis?

Wir haben da einige Kids, die ganz mächtig oben anklopfen. Mir fällt da vor allem Alexander Zverev ein (Rang vier, Anm. d. Red.) oder auch Karen Khachanov (Rang 32). Um das Tennis wird mir nicht bange, immerhin spielt ja auch Rafa Nadal noch ein, zwei Jahre. Und Djokovic wird auch wieder irgendwann der Alte sein.

Die beiden sind die Vorbilder für viele junge Talente. Welche Spieler waren damals Ihre Helden?

Oh, da gab es einen Jimmy Connors, einen John McEnroe oder auch Björn Borg. Vorbilder zu haben, ist existenziell. Denn nur so wird man besser. Ich wollte immer wie meine Idole sein. Das hat mich Stück für Stück nach vorne gepusht. Nur so kommt man auf ein neues Level. Ich habe mir viel von der Technik und den Bewegungen von McEnroe oder Borg abgeschaut.

Rafael Nadal hat seine eigene Akademie in Manacor. Wäre das auch etwas für Sie?

Nein, zurzeit kommt so etwas für mich nicht infrage. Ich habe genug zu tun, arbeite viel bei Eurosport als Kommentator, und außerdem glaube ich nicht, dass mich der französische Verband für so ein Projekt möchte. Ich arbeite mit dem französischen Verband nicht zusammen. Wenn ein anderer Verband auf mich zukäme, wäre das etwas anderes. Aber ich möchte mir die Akademie von Rafa auf jeden Fall einmal anschauen.

Es scheint, Sie liegen mit Ihrem Heimatland im Clinch?

Ich glaube, das hat mit meiner Persönlichkeit zu tun. Viele Franzosen sind eifersüchtig auf mich. Meine Landsleute haben nie richtig begriffen, was ich alles erreicht habe. Vielleicht kapieren sie es eines Tages, wenn ich tot bin.

Bis dahin haben Sie sich vor allem der Förderung des Padel-Tennis verschrieben. Wieso?

Ich liebe diesen Sport. Der Vorteil an Padel ist, dass es viel einfacher ist als Tennis. Ich werde auch nach Palma meinen Padel-Schläger mitbringen und mal schauen, ob irgendwo ein Match zustandekommt. Das sollte in Spanien ja kein großes Problem sein. Aber auch in Frankreich wird der Sport gerade populärer.

Infos zum Turnier:

Die Teilnehmerliste liest sich wie die Crème de la Crème des Welttennis vor 35 Jahren: Zum Legends Cup nach Palma kommen neben dem Franzosen ­Henri Leconte auch die beiden ehemaligen Weltranglisten-­Ersten ­Carlos Moyà und Mats ­Wilander sowie Mark Philip­poussis (beste Weltranglistenplatzierung: Rang acht), Fer­nando ­González (Rang fünf), Landsmann Àlex Corretja (Rang zwei), der Schwede ­Thomas ­Enqvist (Rang vier), Tim Henman (Rang vier) und Mikael Pernfors (Rang zehn). Die Altstars treffen von Donnerstag (5.10.) bis Sonntag im Palma Sport & Tennis Club beim Legends Cup im Rahmen der Turnierserie Champions Tour aufeinander. Auch Doppel werden gespielt. Dabei dürfen verschiedene Jugend­spieler von Mallorca und aus Schweden an der Seite der Altstars antreten. Mit dabei auf Seiten der Talente ist etwa Leo Borg, der Sohn von Björn Borg. Das Tagesticket kostet 35 Euro, eine Karte für alle vier Tage 105 Euro. Den Zeitplan und weitere Infos gibt es unter www.legendscuppalma.com.