Eine Strecke von mehr als 225 Kilometern zurückzulegen ist schon so manchem Autofahrer zu viel. Die Vorstellung, diese Entfernung an einem Tag und ohne Motor zu bewältigen, treibt einem den Schauder über den Rücken. Dennoch nehmen Tausende Athleten jährlich an Ironman-Rennen teil, das heißt 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren, 42,20 Kilometer Laufen. „Einen Ironman-Lauf zu schaffen und ins Ziel zu kommen, ist ein großer Reiz", sagt Matthias Zöll, Geschäftsführer der Deutschen Triathlon Union (DTU).

Auf Mallorca gibt es seit diesem Jahr keinen Ironman mehr. Zu hoch waren die finanziellen Forderungen des US-Unternehmens World Triathlon Corporation (WTC) an die Gemeinde ­Alcúdia, die den Wettkampf bisher durchgeführt hat. WTC vergibt weltweit die Lizenzen für die Ironman-Wettkämpfe.

Den frei gewordenen Platz im Eventkalender hat Alcúdia mit dem Long Course Weekend gefüllt. Das aus Wales stammende Rennen ist eine Art Ironman für jedermann. Statt an einem Tag wird der Wettkampf von Freitag (3.11.) bis Sonntag (5.11.) auf drei Tage verteilt. Jeder Tag steht im Zeichen einer der drei Triathlon-Disziplinen, und neben der Ironman-Distanz werden auch kürzere ­Strecken angeboten (siehe Kasten). „Kürzere Triathlon-Rennen sind für alle Athleten gut, die Familie haben und nicht die ­ganze Woche trainieren können. So haben sie das Triathlon-Erlebnis, ohne familiäre Abstriche machen zu müssen oder gesundheitliche Risiken einer mangelnden Vorbereitung einzugehen", sagt Zöll.

Triathlon ist längst mehr als ein Sport für vielseitig begabte Athleten. Das Teilnehmen sei zu einer Art „Lifestyle" geworden. „Viele führenden Wirtschaftspersönlichkeiten schreiben in ihren Lebenslauf, dass sie einen Ironman beendet haben", sagt der 36-Jährige.

Mehr als 250.000 Athleten haben im vergangenen Jahr an einem Triathlon in Deutschland teilgenommen. „Für die Leute ist es ein tolles Gefühl, sich mit drei Sportarten beschäftigen zu können, die in einer einzigen zusammengefasst sind." Um den Sport zu fördern, hat die DTU Triathlon-Rennen über kurze Distanzen von jeglichen Verbandsabgaben freigestellt.

Triathlon boomt und das äußert sich auch finanziell. „Der Markt regelt den Preis, aber ich würde die Einschreibekosten beim Ironman schon als teuer bezeichnen. Wobei bei den Events auch viel geboten wird und sich die Qualität und das Ambiente von anderen Sportveranstaltungen abheben", sagt Zöll. 650 Euro kostet die Teilnahme am Ironman, knapp 400 Euro am sogenannten Ironman 70.3, bei dem die Hälfte der normalen Strecke zurückgelegt wird.

Auch das Long Course Weekend ist mit 300 Euro für die jeweils längsten Strecken nicht gerade billig. Dafür verspricht der Veranstalter Spektakel wie zum Beispiel Feuerwerke. Da es im ­Gegensatz zum Ironman aber keine Punkte für eine Weltmeisterschaft oder Preisgelder gibt, nehmen die Profis nicht am Rennen teil. Den deutschen Leistungssportlern dürfte auch die Aufteilung des Rennens nicht zusagen. Denn sie gehen lieber über die volle Distanz. Patrick Lange hat vor drei Wochen das WM-Rennen in Hawaii mit einem Streckenrekord gewonnen. Es ist das vierte Jahr in Folge, in welchem der Titel an Deutschland geht.

Diesen Verdienst kann sich die DTU nur zu einem Teil zuschreiben, da sie von der deutschen Sportförderung nur finanzielle Zuschüsse für olympische Disziplinen erhält - und der Ironman ist keine. Der Triathlon bei Olympia geht über die kürzere olympische Distanz. So gut die Deutschen über die lange Strecke sind, so schwach sind sie auf der kurzen. Bei den ­Olympischen ­Spielen 2016 war bei den Männern kein Deutscher vertreten. Das lag auch an der Klage der Sportlerin Rebecca Robisch, die sie kurz vor den Spielen beim Landgericht Frankfurt eingereicht hatte. Sie fühlte sich bei der Vergabe der Plätze vom Verband, dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), benachteiligt. Die Klage wurde zwar abgewiesen, da das Regelwerk aber derart schwammig ausgelegt war, entschied sich der DOSB, nur die zwei Athletinnen zu schicken, die sich schon vor Rebecca Robisch qualifiziert hatten. Die Männer gingen gänzlich leer aus.

Auch in der diesjährigen Triathlon-Weltmeisterschaft spielten die Deutschen wieder nur eine untergeordnete Rolle, wenn auch aus anderen Gründen. Justus Nieschlag landete auf Rang 37, Lasse Lührs auf Rang 78. „Das Ranking muss man aber verhältnismäßig sehen", sagt Zöll. „Justus Nieschlag hat nur drei WM-Rennen bestritten, wobei sechs Rennen in die Wertung einfließen."

Das zweite Jahr in Folge die Triathlon-WM gewonnen hat der Mallorquiner Mario Mola, gefolgt vom Spanier Javier Gómez. „Spanien ist wie wir früher. Mit Javier Gómez gibt es einen erfahrenen Ausnahmeathleten, den sich viele junge Sportler als Vorbild nehmen." Laut Zöll hatte Daniel Unger - WM-Sieger 2007 - früher diese Rolle inne. Auch ein Jan Frodeno war ein Aushängeschild, trainiert aber mittlerweile in ­Girona und Australien und ist für den Nachwuchs nicht mehr greifbar. „Viele Athleten wollten dann aus dem Schatten von ­Frodeno hervortreten." Doch so einfach sei es nicht, die Leistungen permanent auf so einem hohen Level zu halten. Das Scheinwerferlicht des Erfolgs habe sie dann wohl zu doll geblendet. Es sei ihnen nicht gelungen, die ­Leistungen zu bestätigen.

„Athleten wie Jan Frodeno sind vor zehn Jahren noch sehr erfolgreich die Kurzdistanz gelaufen. Mit zunehmendem Alter wechselten sie dann zur Langdistanz." Auf die starke Generation folgt nun eine schwächere Phase. Auch der deutschen Vormacht im Ironman prognostiziert Zöll ein Ende. „Nach den vielen Erfolgen wird auf der Langdistanz auch wieder ein gewisses Tief kommen."

Um der derzeitigen Schwäche im professionellen Bereich entgegenzuwirken, hat sich der Verband in der sportlichen Leitung neu aufgestellt. „Wir wussten schon länger, dass wir Dinge verändern müssen. Die Ergebnisse bei Olympia kamen nicht überraschend. Zudem hat der DOSB eine Leistungssport­reform erlassen und fordert von den Verbänden professionellere Strukturen." Eine kurzfristige Verbesserung wird dadurch wohl aber nicht eintreten. Zöll sieht bei den Olympischen Spielen 2020 keine Medaillenchancen. Doch wie die Hobbysportler beim Long Course Weekend in Port d'Alcúdia werden auch die Olympia-Athleten glücklich sein, wenn sie die Ziellinie in Tokio überqueren.