Elfmeterschießen sind grausam. Mit einem Schuss kann ein zweistündiges Fußballspiel ein schnelles Ende finden. Es sind die Momente, in denen Helden geboren werden. Eine davon ist Manuela Zinsberger. Die 22-jährige Nationalkeeperin Österreichs parierte den entscheidenden Elfmeter im EM-Viertelfinale gegen Spanien Ende Juli. Eine Runde später war gegen Dänemark Schluss. Wieder musste der Sieger im Elfmeterschießen ermittelt werden.

Für ihre Leistung bei der EM wurde die Spielerin vom FC Bayern München in ihrer Heimat vom ORF und der Tageszeitung „Die Presse" zur Österreicherin des Jahres, Kategorie Internationaler Erfolg, gewählt. In der WM-Qualifikation trifft Österreich am Dienstag (28.11.) im Stadion von Son Moix erneut auf die Spanierinnen. Die MZ sprach mit Zinsberger über Ballermann-Hits in der Kabine, das österreichische Sommermärchen und das steigende Interesse der Zuschauer.

In Palma kommt es zur Neuauflage des EM-Viertelfinales. Erwarten Sie wütende Spanierinnen?

Ich denke schon, dass sie heiß auf das Spiel sind, weil wir sie rausgehauen hatten. Da kommt ein harter Brocken auf uns zu. Vorher müssen wir aber erst einmal am Donnerstag (23.11.) gegen Israel abliefern.

Zu jedem Sommermärchen im Fußball gibt es eine Hymne. Deutschland hatte 2006 „Dieser Weg" von Xavier Naidoo. Sie hatten ständig einen Ballermann-Hit in der Kabine laufen?

Das mit „Johnny Däpp" (Sommerhit von Lorenz Büffel, Anm. d. Red.) entstand spontan. Der Song hat uns die ganze EM begleitet. Nach dem Spiel haben wir auch immer „I am from Austria" von Rainhard Fendrich im Mannschaftskreis gesungen.

Was wird am Dienstag in der Kabine vom Son Moix ertönen?

Das entscheiden wir spontan. Dafür ist dann diejenige zuständig, die an dem Tag die Playlist zusammenstellt. Der Fokus liegt in erster Linie aber auf dem Spiel.

Mit Spanien und Österreich treffen die Favoriten auf den Gruppensieg aufeinander. Ist das Spiel schon in dieser frühen Phase entscheidend?

Das denke ich nicht. Jedes Spiel ist wichtig. Gegen Teams wie Israel und Finnland muss man auch erst einmal gewinnen. Man darf keinen Gegner unterschätzen.

Der einstige Branchenprimus, die deutsche Nationalmannschaft, steckt in der Krise. Vermeintliche Frauenfußballzwerge wie eben Österreich und die Niederlande spielen groß auf. Ist da eine kleine Revolution im Gange?

Es gibt immer Höhen und Tiefen im Leben. Das ist menschlich. Natürlich bekomme ich die Krise bei Deutschland und anderen Teams mit, ich kann und will sie aber nicht beeinflussen. Es ist wichtig, dass es bei uns vorangeht. Wir müssen flexibler werden und modernen Fußball spielen.

Ihre Leistung bei der EM hat Ihnen den Titel „Österreicherin des Jahres" gebracht. Was bedeutet Ihnen das?

Es ist eine Belohnung, ein i-Tüpfelchen. Ich merke dadurch, dass nicht nur der Trainer meine gute Leistung bemerkt, sondern die Gesellschaft. Es macht mich stolz, wenn ich höre, dass kleine Mädchen mich als Vorbild nehmen und deswegen mit dem Fußballspielen anfangen.

Die Auszeichnung ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass Sie Torhüterin sind. Fast alle Torhüterinnen standen zur EM in der Kritik, dass sie wenig bis nichts halten würden.

Bei der EM sind sehr viele Torwartfehler passiert. Als Torfrau hat man da Mitleid mit den Kolleginnen. Unter dem Aspekt sehe ich die Auszeichnung aber nicht. Sie ist eher eine Wertschätzung der monatelangen Arbeit der Mannschaft. Ich bin eine Teamplayerin.

Warum gibt es gerade auf dieser Position so viele Probleme im Frauenfußball?

Da bin ich als Ansprechpartnerin die falsche. Ich konzentriere mich auf mich selbst. Ich versuche, eine moderne Torfrau zu sein. Das heißt, nicht nur auf der Linie zu stehen, sondern Steilpässe abzufangen und aktiv bei den hohen Bällen zu sein.

Österreichs Männer haben die WM verpasst. Spüren Sie da ein steigendes Interesse in Österreich am Frauenfußball?

Es geht gar nicht so sehr um die Männer. Unsere Fans feuern uns wegen unserer Leistung bei der EM an. Wir haben sie mit unserer Spielweise begeistert. Vielleicht haben wir nicht die große individuelle Qualität anderer Mannschaften, dafür überzeugen wird mit Teamgeist.

Bei den Zuschauerzahlen ist noch Luft nach oben. Das Spiel im ­Viertelfinale gegen Spanien lief vor fast leeren Rängen ab.

Hinter mir war komplett leer. Ich glaube, es waren auch nicht alle Tribünen geöffnet. Klar hätte ich mir ein volles Stadion gewünscht. Die Fans, die dabei waren, haben aber eine geile Stimmung gemacht.

Beim FC Bayern erkämpften Sie sich erst im Laufe der Saison einen Stammplatz. War es schwierig, nach der EM erst mal wieder in die zweite Reihe zu rücken?

Es war nicht einfach für meinen Trainer. Ich war fast die ganze Vorbereitung bei der EM und konnte nur eine Woche mit dem Team trainieren. Da musste ich mich erst einmal reinfuchsen und dem Coach zeigen, dass ich jetzt Vollgas für den Verein gebe. Nach zwei Spielen hat er mir dann das Vertrauen geschenkt.

Stimmt es, dass Sie erst seit dieser Saison einen Profivertrag haben?

Ich habe schon 2014 beim FC Bayern unterschrieben. Nebenbei habe ich aber eine dreijährige Handelslehre gemacht, die ich anderthalb Wochen vor der EM abgeschlossen habe. Seitdem bin ich Vollprofi.

Kommt mit dem vollen Fokus auf den Fußball ein weiterer Leistungsschub?

Man darf nichts überstürzen. Ich hatte während der vergangenen drei Jahre weniger Regenerationsphasen als Profispielerinnen. Jetzt muss sich mein Körper auf mehr Training vorbereiten. Ich weiß aber, dass noch vieles in mir steckt. Ich habe noch lange nicht mein volles Potenzial ausgeschöpft.