Die Regierung von Singapur ist seit 2013 mit Declan Hill zerstritten. Der kanadische Enthüllungsjournalist hat 2008 damit begonnen, über das Netzwerk einer internationalen Wettmafia im südostasiatischen Inselstaat zu schreiben. Als es erst fünf Jahre nach seinen Veröffentlichungen zu Festnahmen kam, warf Hill den Polizisten Untätigkeit vor. 2008 erschien sein Buch „Sichere Siege", in dem er über angeblich manipulierte Bundesliga-Partien und Spiele der WM 2006 in Deutschland berichtete. Seit 2016 arbeitet Hill als Dozent für die Universität in Würzburg. Derzeit recherchiert der Kanadier auf Mallorca für ein neues Buch.

Was machen Sie gerade hier?

Ich arbeite an einem Buch über die russische Mafia, die sehr aktiv auf dieser wunderschönen Insel ist.

Bei Ihrer Recherche bringen Sie auch Ihre Person ins Spiel.

Am Anfang ist es eine neutrale Faktenrecherche. Aber ich kann die Ausmaße eines Problems nicht abschätzen, ohne es mit meinen eigenen Augen gesehen zu haben.

Schauen Sie vorher unter Ihr Auto, ehe Sie den Motor starten?

Ich bin sehr umsichtig in Bezug auf meine eigene Sicherheit. Ganz so weit gehe ich aber nicht.

Kann man sich heutzutage darauf verlassen, dass ein Fußball­ergebnis rechtmäßig zustande gekommen ist?

Klar, es gibt eine Menge saubere Fußballspiele. Aber man darf nicht vernachlässigen, dass es in jeder Liga eine gewisse Dunkelziffer an gekauften Partien gibt. Das reicht bis nach Schweden, wo ein Spiel wegen Absprachen unter den Clubs abgesagt wurde.

Schweden dürfte aber nicht gerade die korrupteste Liga haben.

Die üblichen Verdächtigen sind Zypern, Griechenland und Italien. Auch in Spanien steht die Tür für Korruption weit offen. Einerseits sind streikende Fußballer das Problem, die ein halbes Jahr lang kein Gehalt bezogen haben. In dieser Lage lassen sie sich auf alles ein, um ihre Kinder ernähren zu können. Andererseits sind Teams einfach zu kaufen, für die es am Ende der Saison um nichts mehr geht. Eine Lösung dafür wäre das Play-off-System, wo absichtliche Niederlagen keinen Sinn ergeben. (Gespielt wird dabei meist nach dem K.-o.-System, Anm. d. Redaktion.)

Wer profitiert von diesen gekauften Spielen?

In Asien gibt es einen gigantischen Markt an Wetten auf europäische Ligen. Dieser lässt sich auf mehrere Milliarden Euro beziffern. Eine Firma wie Adidas hat einen Jahresumsatz von 20 Milliarden Euro. Ein einziges Wettbüro in Manila kommt auf 50 Milliarden Euro. Die Anbieter nutzen es aus, dass Trainer und Sportdirektoren in Europa Vermögen durch Wettmanipulationen verdienen.

Ich gehe davon aus, dass Betrüger kein Interesse an der spanischen Segunda B - in welcher Real Mallorca spielt - haben.

In Frankreich wurde ein Manipulationsfall eines Vereins aus Fréjus aufgedeckt. Dieser spielte weit unterhalb der dritten Liga. In Asien wird auf jedes Spiel von Real Mallorca gewettet, es geht um Hunderttausende Euro. Für die Wetter sind das interessante Partien. Aber ich will dem Club damit nichts Negatives unterstellen.

Bis wohin reichen die Fühler dieser kriminellen Netzwerke?

Sehr weit! Vor zehn Jahren gab es noch Spiele, die es nicht wert waren, gekauft zu werden. Selbst diese sind heutzutage lukrativ. Das ist die Schuld des asiatischen Marktes. Von dort aus wird sogar auf die holländische Frauenliga gewettet. Ich kenne einen Wetter, der tausend Euro auf ein Spiel der zweiten isländischen Liga gesetzt hat. Ich wusste nicht einmal, dass es die gibt.

Es gibt auch kleine Betrügereien, wie absichtlich ein Handspiel zu begehen oder einen Eckstoß zu verursachen.

Selbstverständlich! Ein Spieler aus der ersten italienischen Liga hat mal zu mir gesagt: Ich bin kein Schauspieler. Ich bin ein Fußballspieler und hasse es, wenn ich Theater spielen muss, um in einer bestimmten Spielminute eine gelbe Karte zu provozieren.

Ist der Torhüter der Schlüsselspieler bei manipulierten Partien?

Jeder Spieler kann das Spiel manipulieren. Die Betrüger suchen aber gezielt nach den Spielern, die am meisten Einfluss auf das Team haben. Die können wiederum ihre Mitspieler überzeugen.

Haben sich die Manipulationen verringert, seitdem alle Ligen angeblich dagegen vorgehen?

Es ist ein kulturelles Problem. Die Verantwortlichen sprechen darüber, als ob sie etwas tun würden. In Wirklichkeit machen sie gar nichts. Alle sagen das Gleiche: Oh, das ist schrecklich und bla, bla, bla. Aber keiner tut etwas dagegen.

Werden Sie Ihre Recherche im Tennis intensivieren?

Ja, es ist das gleiche Problem. Die Ausmaße der Manipulation sind sogar größer, da nur ein Spieler gekauft werden muss. Der verspricht dann: Ich spiele den ersten Satz schlecht und komme im zweiten Satz zurück. Es wird nie das ganze Spiel gekauft, sondern immer nur einzelne Sätze. Aber beide Spieler wissen stets, dass sie an einem ­Betrug beteiligt sind.

Sind Tennisspieler einfacher zu bestechen?

Ja. Die ersten zwanzig bis dreißig Spieler der Weltrangliste haben hohe Einnahmen durch Preis­gelder. Die Spieler danach verdienen kaum etwas. Für die ist es dann ein Risiko, das sie bereit sind einzugehen. Ich will aber nicht allen Spielern unterstellen, dass sie ­darin verwickelt sind.

Wie fühlt es sich an, von ganz Singapur angegriffen zu werden?

Das müssen Sie die Angreifer fragen. Die ganze Welt wusste, dass es ein Manipulationsnetzwerk in Singapur gab. Die Polizei hat die Kriminellen nie festgenommen. Das bedeutet, dass die Polizisten entweder ziemlich dämlich waren oder bewusst weggeschaut haben.

Alle Länder behaupten, dass ihr Sport sauber ist.

Singapur gaukelt Makellosigkeit vor. Aber sie haben schlechte Arbeit verrichtet, als es für sie an der Zeit war, die Korruption zu stoppen.