Als Sport-Laie kann man einen Aufstieg von Real Mallorca wohl kaum von einem Abstieg unterscheiden. Es knallt, Rauchbomben nebeln die Menschenmasse ein, und die Fußballfans legen sich mit der Polizei an. Binnen 357 Tagen hat der Inselclub beide Extreme erlebt. In beiden Fällen spielten die Akteure nicht einmal auf der Insel, sondern im Estadio Municipal de Anduva in Miranda de Ebro. Dort, wo sich Real Mallorca in der Vorsaison aus dem Profifußball verabschiedet hat, schaffte der Club am Sonntag (27.5.) den Wiederaufstieg. Im Play-off-Rückspiel gegen Mirandés reichte dem Team von Trainer Vicente Moreno nach dem 3:1-Hinspielerfolg ein torloses Unentschieden.

„Der Kontrast der Emotionen war brutal. Das sind zwei Tage, die ich wohl nie vergessen werde", sagte Jordi Cifre. Er ist der Vizepräsident des Real-Mallorca-Fanclubs der Universität von Barcelona und stand sowohl beim Abstieg als auch beim Wiederaufstieg in der ersten Reihe im Fanblock im Estadio Municipal de Anduva. Er machte keinen Hehl daraus, dass bei ihm nach beiden Partien die Tränen flossen. Vor einem Jahr aus Wut und Enttäuschung, nun aus voller Freude.

Ansturm auf den Brunnen

Nicht nur im Gästeblock wurde mitgefiebert. Der Lokalsender IB3 hatte ein Public Viewing auf dem Schildkrötenplatz auf dem Borne-Boulevard in Palma organisiert. Mit Ex-Präsident Monti Galmés und dem ehemaligen Spieler Dudu Aouate waren auch zwei prominente Gesichter unter den mehr als 1.000 Zuschauern.

Die Stimmung war euphorisch, obwohl die Akteure beider Mannschaften erschreckend schwachen Fußball zeigten. Mallorca trat wie zuletzt auswärts lethargisch auf und hatte Glück, dass ein ebenso uninspiriertes Mirandés in der ersten Halbzeit die einzige nennenswerte Chance der Partie liegen ließ. Immerhin konnten sich die Fans in Palma, im Gegensatz zu den Anhängern vor Ort, das Spiel schöntrinken - und taten das auch. Denn in spanischen Stadien herrscht striktes Alkoholverbot.

Das große Zittern blieb aus, Real Mallorca hätte auch mit einer knappen Niederlage den Aufstieg feiern können. Während nach dem Schlusspfiff in Miranda de Ebro Manager Maheta Molango mit den eigens angereisten Club­Eigentümern Steve Nash und ­Andy Kohlberg den Platz stürmte, wurde es beim Public Viewing in Palma turbulent. In der Mitte der Menschenmenge feierten die Fans ausgelassen und sangen: „A segunda, olé" (In die zweite ­Liga, olé). Am äußeren Rand wurden Böller und bengalische Feuer gezündet. Der größte Brennpunkt war jedoch der Brunnen mit dem Obelisken. Die Polizei hatte diesen vorsorglich abgesperrt, wohlwissend, dass die feierwütigen und betrunkenen Fans diesen gern stürmen und im Freudenrausch den Obelisken erklimmen - und dabei hin und wieder abstürzen. „Ihr seid Faschisten", schrie ein betrunkener Mallorca-Anhänger die Ordnungshüter an. Als sich nach einer halben Stunde die Menschentraube noch nicht aufgelöst hatte, gaben die Polizisten nach und räumten die Zäune weg. Das Freudenbad konnte beginnen.

Der Weg zum Aufstieg

Die Suche nach den Gründen für die erfolgreiche Rückkehr von Real Mallorca in den professionellen Fußball beginnt bei der Chefetage. Obwohl das amerikanische Eigentümergespann um Robert Sarver, Steve Nash und Andy Kohlberg weder einen Bezug zu Mallorca noch überhaupt zum Fußball hat, haben sie nach dem Abstieg dem Verein die Treue gehalten. Das tat dem Club gut, der jahrelang Intrigen und Machtspielen auf institutioneller Ebene ausgesetzt war. So schrieb der ehemalige Basketballstar Nash auf Twitter: „Wir haben aus unseren Fehlern gelernt, einen Plan aufgestellt und diszipliniert auf allen Ebenen gearbeitet. Ich bin stolz auf das Team und wirklich glücklich für die Fans. Das ist euer Club und wir werden ihn weiter für euch stark machen."

Die Eigentümer selbst kamen nur zu Stippvisiten auf die Insel. Daran änderte auch die Ernennung von Andy Kohlberg zum Club-Präsidenten vor der Saison nichts. Die Entscheidungen vor Ort überließen sie Manager Maheta Molango. Eine gewagte Entscheidung, denn im Endspurt der Vorsaison wandten sich die Fans gegen den Schweizer und forderten seinen Rauswurf. Nach dem desaströsen Abstieg mit vielen fraglichen Entscheidungen in der Personalplanung wäre es ein nachvollziehbarer Schritt gewesen. Doch der 35-Jährige blieb und sprach zudem Sportdirektor Javi Recio sein Vertrauen aus.

Die anfänglich skeptische Haltung der Fans gegen ­Molango und Recio löste sich nach den ersten Transfers auf. Mit Vicente Moreno wurde ein Fachmann als Trainer verpflichtet, der auch eine Liga höher einen Job hätte finden können. Der 43-Jährige hatte wohl auch Einfluss auf das Bleiben von Lago Júnior. Der Flügelspieler war bereits in der Abstiegssaison einer der wenigen herausragenden Akteure und sollte in der dritten Liga der Spieler sein, der den Unterschied macht. Das tat er auch. Sieben Treffer steuerte der Ivorer bei - drei Mal das siegbringende 1:0. Mehr Tore hätte der 27-Jährige wohl erzielt, wenn er nicht drei Monate mit einer Kreuzbandverletzung hätte pausieren müssen.

Außer Lago Júnior blieben mit Abwehrchef Antonio Raíllo und den Ersatzspielern Pol Roigé und Damià Sabater nur drei weitere Akteure aus der Vorsaison erhalten. „Wir waren es den Fans schuldig", sagte Raíllo vor dem Play-off-Hinspiel.

Der restliche Kader wurde rundum erneuert. Das Herzstück im Mittelfeld bildete der langjährige Erstliga-Spieler Salva ­Sevilla, der von Espanyol Barcelona auf die Insel wechselte. „Du bist verrückt!", schrieb der 34-Jährige nach dem Aufstieg über sich selbst auf Twitter. „Du wechselst von der ersten in die dritte Liga, obwohl du bessere Angebote hattest und höher hättest spielen können. Nur du wusstest, dass es die richtige Entscheidung war. Und wie meine Frau sagt: Es war kein Schritt zurück, sondern ein neuer Anlauf."

Den Einsatz der Spieler wussten auch die Fans zu schätzen. „Die Leidenschaft, die Spielfreude und die Demut der Spieler ist ein großer Unterschied zu dem, was wir in der Saison zuvor gesehen haben", sagt Jordi Cifre.

Das letzte Spiel

Erste Personalentscheidungen wird es in der kommenden Woche wohl noch nicht geben. Denn die Saison ist für Real Mallorca noch nicht vorbei. Die Mallorquiner laufen am Sonntag (3.6., 12 Uhr) ein letztes Mal diese Saison im Stadion von Son Moix auf. Gegner ist Rayo Majadahonda. Das Team aus der Nähe von Madrid hat sich gegen Cartagena in den Play-offs durchgesetzt. In der Partie mit Mallorca wird der Meister aller Staffeln der dritten Liga ausgespielt. Neben dem nett klingenden Titel haben die Begegnungen - ­eine Woche später kommt es zum Rückspiel - keinerlei sportliche Bedeutung. Der Eintritt ist für Mitglieder kostenlos.Planung für die zweite Liga

Bei der Zusammenstellung des Kaders dürfen Manager Molango und Sportdirektor Recio nicht nur die qualitative Komponente berücksichtigen. Im Gegensatz zur dritten Liga, wo die Teams nur an eine bestimmte Höchstgrenze an Profis gebunden sind, es aber keine Gehaltsvorgaben gibt, gibt der spanische Verband für die zweite Liga eine Obergrenze vor. Zu dieser zählen neben den Spielergehältern auch die Ausgaben für den Trainerstab, Zahlungen an Spielerberater oder Kosten für Sonderzuschläge wie Wohnungen und Autos. In der Abstiegssaison hatte Real Mallorca mit 5,4 Millionen Euro den achtgrößten Spielraum, der für jeden Verein unterschiedlich ist. Die zweite Mannschaft des FC Barcelona hatte mit 18 Millionen Euro die Spitzenposition, was an den Einnahmen der ersten Mannschaft lag. Mit 3,8 Millionen Euro durfte Aufsteiger Lorca am wenigsten ausgeben. Die Zahlen für die kommende Saison stehen noch nicht fest.

Große Änderungen sind im Kader von Real Mallorca nicht zu erwarten. Fast alle Spieler aus der aktuellen Mannschaft haben einen Vertrag für die kommende Saison. Abzuwarten bleibt, ob der ein oder andere sich für höhere Aufgaben berufen fühlt. Rechtsverteidiger Joan Sastre beispielsweise. Der 21-Jährige aus Porreres spielte eine starke Saison und hinterließ vor allem im Vorwärtsgang gute Eindrücke. Angeblich sollen sich Vereine aus der englischen Premier League für den Mallorquiner interessieren.

Schwerer dürfte ein Abgang von Trainer Vicente Moreno wiegen. Laut der spanischen Zeitung „Mundo Deportivo" will der Erstliga-Absteiger Deportivo La Coruña mit dem Coach verhandeln. „Im Normalfall bleibe ich", sagte Moreno am Montag (28.5.) beim Empfang des Teams im Rathaus von Palma.

Auf der anderen Seite wird bei den Mallorquinern schon über den ersten Neuzugang spekuliert. Rodrigo Ríos Lozano, Rodri genannt, soll laut „El Mundo" auf der Wunschliste stehen. Der 27-jährige Stürmer könnte deutschen Fans ein Begriff aus seiner Zeit bei 1860 München (Saison 2014/2015) sein. Derzeit stürmt er für Cultural Leonesa und hat einen Vertrag bis 2019. Der Zweitligist spielt jedoch einerseits am letzten Spieltag noch um den Abstieg. Andererseits wird Rodri von der gleichen Agentur betreut, die bereits den Wechsel von Aridai von Leonesa auf die Insel arrangierte.

Kommentar:

Der direkte Wiederaufstieg war für Real Mallorca eine Pflichtaufgabe. Das Team war es den Fans schuldig, den Fehler aus dem Vorjahr auszumerzen. Die vor einem Jahr erlebte Schande hat nun aber einen Vorteil für den Club. Er kann den Schwung nutzen und mit Euphorie und einem stabilen Grundgerüst in der Mannschaft und - vor allem - in der Führungsebene in die neue Saison starten. Der Kader hat in der dritten Liga zeitweise attraktiveren Fußball geboten, als dies noch zur Zweitliga-Zeiten der Fall war. Mit punktuellen Verstärkungen sollte sich Real Mallorca intern für die kommende Saison ambitionierte Ziele setzen, die über den bloßen Klassenerhalt hinausgehen. Denn in den vergangenen Jahren haben die Aufsteiger in den europäischen Ligen meist für eine Überraschung gesorgt und sind durchmarschiert.