Heute hier, morgen dort, bin kaum da, muss ich fort. Das Leben von Jaume Antoni Munar erinnert an den alten Hit von Hannes Wader. Der 21-jährige Tennisprofi aus Santanyí ist gerade von den French Open zurückgekehrt, da treibt es ihn zwei Tage später zum nächsten Wettkampf. Seit Montag (4.6.) spielt Munar beim ATP-Challenger-Turnier im tschechischen Prost?jov (Proßnitz). Da bleibt kaum Zeit, um über die Erfolge in Frankreich nachzudenken. Bei seinem zweiten Einsatz in einem Grand-Slam-Turnier gelang der Nummer 155 der Weltrangliste die Überraschung mit einem Erstrunden-Sieg gegen seinen Davis-Cup-Teamkollegen David Ferrer (Platz 41). In der zweiten Runde war dann gegen ­Novak Djokovic Schluss. Die MZ traf ­Munar zwischen den Turnieren nach einer Trainingseinheit auf den Plätzen der Nadal-Akademie in Manacor.

Fühlt es sich anders an, einen Grand Slam zu spielen?

Natürlich ist es letztlich nur ein weiteres Spiel, in dem man sein Bestes geben will. Aber das Drumherum ist viel größer. Zudem misst man sich mit den besten Spielern dieses Sports.

Sie haben Ihre beiden Partien nervös begonnen. Ist es angst­einflößend, wenn man Spielern wie David Ferrer und Novak ­Djokovic gegenübersteht?

Was mich gegen David am meisten belastet hat, war mein schwacher letzter Auftritt in der Qualifikation zuvor. Daher hatte ich Probleme, in das Spiel reinzukommen. Bei ­Djokovic ist es wahr, dass er etwas einschüchternd wirkt. Dann ­habe ich zu Beginn Fehler gemacht, und er lag schnell 5:0 vorn. Danach ­habe ich mich aber auf mich besonnen und das, was ich leisten kann.

Nach dem 0:5 haben Sie Djokovic noch in den Tie Break gezwungen. Gegen Ferrer haben Sie gar nach 0:2-Sätzen noch gewonnen. Sind Sie ein Kämpfertyp?

Das wurde mir so beigebracht. Nicht nur im Sport, sondern im ganzen Leben immer 100 Prozent zu geben. Gegen David Ferrer hat es geklappt. Ich hätte genauso gut in drei Sätzen ausscheiden können und es wäre okay gewesen.

Sie sind ein defensiver Spieler. Ist es Ihre Taktik, abzuwarten, den Gegner auszugucken, um dann seine Schwachstellen ­anzugreifen?

Das versuche ich gerade zu ändern. Im Tennis heutzutage muss man aggressiv spielen. Es stimmt, dass ich oft die Schwächen des Gegners ausnutze. Ich kann ein Spiel gut lesen. Aber ich muss versuchen, die Gegner zu dominieren. Das ist der Punkt, in dem ich mich am meisten verbessern muss. Mein Aufschlag ist schon ganz gut. Das muss ich noch mit einer offensiveren Spielweise kombinieren.

Sie haben sich dieses Jahr extrem verbessert und bei beiden Grand Slams den Sprung ins Hauptfeld geschafft. Worauf führen Sie den Sprung nach vorn zurück?

Ich hatte im vergangenen Jahr eine ziemlich schwache Saison. Ich hatte viele Jahre im Leistungszentrum bei Barcelona trainiert und mich im Juni vergangenen Jahres dazu entschlossen, nach Hause zurückzukehren. Seitdem ich wieder da bin, geht es bergauf. Ich habe mir klare Ziele gesetzt und härter gearbeitet, um sie zu erreichen. Das Erfolgs­geheimnis ist ein Mix aus harter Arbeit und meinem Team hinter mir, das an mich glaubt.

Ist es reine Trainingsarbeit oder haben Sie auch mental einen Schritt nach vorn gemacht?

Ich habe mich in vielen Punkten stark verbessert: technisch, taktisch und körperlich. Im mentalen Bereich habe ich meine Sicht auf das Tennisspiel verändert. Ich kann jetzt besser mit schwierigen Momenten umgehen.

Stimmt es, dass Ihr Trainer ­Tomeu Salvà Ihnen nach dem Sieg gegen Ferrer das Handy weggenommen hat, damit Ihnen die ganzen Glückwunschnachrichten nicht zu Kopf steigen?

Das nicht. Aber meine Familie und mein Umfeld sorgen immer dafür, dass ich mit beiden Beinen auf dem Boden bleibe. Rafael ­Nadal sagt immer: Nach Siegen bist du nicht der Beste, nach Niederlagen nicht der Schlechteste. Mir ist klar, dass noch eine Menge Arbeit vor mir liegt.

Sie haben in einem anderen Interview aber auch gesagt, dass Sie bereit für den Vergleich mit Nadal sind...

Das habe ich gesagt, weil ich weiß, dass es wegen unserer gemeinsamen mallorquinischen Herkunft passieren wird. Für mich ist ein Vergleich aber sinnlos, denn Rafael ist mir Jahre ­voraus. Er ist alles, was dieser Sport zu bieten hat. Rafael war in jungen Jahren schon ein extrem starker Spieler. Bei mir hingegen lief die Entwicklung zäh und schrittweise ab.

Werden Sie ihn eines Tages ablösen?

Das glaube ich nicht. Wir reden hier von einer einzigartigen Person. Natürlich würde es mir gefallen, das zu schaffen, was er erreicht hat. Dann aber auf meine eigene Weise.

Wie ist Ihre Beziehung zu Rafael Nadal?

Wir haben eine gute Beziehung. Jetzt, wo ich an den größeren Turnieren teilnehme, treffen wir uns häufiger. Ich versuche, möglichst viel Zeit mit ihm zu verbringen, da er mir viel beibringen kann. Er hat den ganzen Weg schon beschritten, der noch vor mir liegt, und ist auch bereit, mir zu helfen.

Sie haben mit ihm auch vor dem Duell mit Djokovic gesprochen?

Er hat mir gesagt, dass es fast unmöglich wird zu gewinnen. Dass ich dennoch ruhig bleiben und mich auf die Sachen fokussieren soll, die ich beeinflussen kann.

Welchen Einfluss hatte Nadal auf Ihre Entscheidung, nach Mallorca zurückzukehren?

Keinen. Die Entscheidung habe ich mit meiner Familie getroffen. Aus professioneller Sicht gab es keinerlei Gründe. Ich wollte nach sieben Jahre einfach wieder nach Hause und in Ruhe mit meiner ­Familie leben.

Was fehlt Ihnen, um mit der ­Elite der Tenniswelt mithalten zu können?

Ich kann mich in allen Bereichen noch verbessern. Was ich aus den French Open gelernt habe, ist, dass ich selbst mit schwächeren Leistungen mit starken Spielern mithalten konnte.

Man spricht immer von den Werten, die Rafael Nadal ­verinnerlicht. Was sind Ihre?

Seine Werte gelten im Prinzip für alle Sportler, und auch ich identifiziere mich mit ihnen. Für mich sind die wichtigsten: Anstrengung, Opferbereitschaft und Leidenschaft für das, was ich tue.

Nadal wird als Sandplatzkönig bezeichnet. Auf welchem Platztyp fühlen Sie sich wohl?

Mir fällt es immer schwer, auf diese Frage zu antworten. Ich würde sagen, dass der Hartplatz mir am meisten liegt. Obwohl ich als Spanier auf dem Sandplatz groß geworden bin und keine Probleme mit der Platzart habe. Da ich schnell anpassungsfähig bin, würde ich mich nach einer gewissen Probezeit auch auf einem Rasenplatz wohlfühlen.

Werden wir Sie in diesem Jahr noch öfter bei Grand Slams ­jubeln sehen?

Ich hoffe schon. Für Wimbledon muss ich die Qualifikation spielen. Bei den US Open wohl auch, da meine Position in der Weltrangliste nicht ausreichen wird, um im Hauptfeld gesetzt zu sein. Ich gehe aber jedes Turnier mit der gleichen Vorfreude an. Die Ziele sind immer gleich: mich weiterzuentwickeln, Punkte zu sammeln und in der Weltrangliste nach oben zu klettern.

Wird es eines Tages eine Jaume-Munar-Akademie in Santanyí geben?

Das glaube ich nicht. Ich muss mich zuerst auf meine Profi­karriere konzentrieren, die jetzt erst richtig losgeht.