Offense wins games, defense wins championships, lautet eine alte Weisheit im Sport. Sprich ein guter Angriff kann zwar ein Spiel gewinnen, für einen Turniersieg bedarf es aber einer sicheren Verteidigung. Ginge es nach dem Spruch, stünde der spanischen Nationalmannschaft auf dem Weg zum Titel bei der Fußball-WM 2018 nichts mehr im Wege. Denn die Abwehrreihe der Spanier ist wohl nominell die beste der Welt. Nur im Angriff fehlt Spanien ein Stürmer mit Weltklasseformat. Unsicherheit herrscht zudem im Team durch den Rauswurf von Trainer Julen Lopetegui.

Zwei Sparringspartner und ein Konkurrent

Spanien trifft in der Gruppe B auf Portugal, Marokko (25.6., 20 Uhr) und Iran (20.6., 20 Uhr). Letztere beiden dürften wohl kaum Chancen auf ein Weiterkommen haben. Mit den Portugiesen hat Spanien im Prinzip nur einen ernsthaften Konkurrenten um den ersten Platz. Bereits zum Auftakt am Freitag (15.6., 20 Uhr) trifft das Team vom neuen Nationaltrainer Fernando Hierro auf Portugal. In den vergangenen acht Jahren trafen die beiden Teams gleich zwei Mal in einer Endrunde aufeinander. Bei der Weltmeisterschaft 2010 - Spaniens einzigem WM-Sieg - siegten die Spanier durch einen Treffer von David Villa im Achtelfinale. Bei der EM 2012 schaltete Spanien Portugal im Halbfinale im Elfmeterschießen aus.

Das Prunkstück

Mit David de Gea hat Spanien einen unangefochtenen Stammkeeper. Der 27-Jährige von Manchester United dürfte einer der Kandidaten zur Wahl des Welttorhüters 2018, eine im Vorjahr vom Weltverband Fifa geschaffene Auszeichnung, sein. Die Viererkette vor ihm bilden jeweils zwei Spieler von Real Madrid und dem FC Barcelona. Sergio Ramos und Gerard Piqué zeigen seit Jahren, dass Ikonen zweier verfeindeter Vereine eine tadellose Innenverteidigung bilden können. Auf der linken Seite ist Jordi Alba gesetzt. Der Rechtsverteidiger heißt im Normalfall Dani Carvajal. Der 26-Jährige verletzte sich jedoch im Finale der Champions League am Halbsehnenmuskel vom hinteren Oberschenkel und ein Einsatz gegen Portugal ist fraglich. Als Ersatz steht Álvaro Odriozola von San Sebastián parat.Was vom Tiki-Taka bleibt

Im Mittelfeld hat Hierro die Qual der Wahl. Bei der Generalprobe am Samstag (9.6.) gegen Tunesien (1:0) setzte Lopetegui auf Sergio Busquets, Iniesta, David Silva, Isco und Thiago. Erstere drei standen bereits beim WM-Sieg 2010, als Spanien mit dem technisch anspruchsvollen Kurzpassspiel Tiki-Taka brillierte, im Kader. Sergio Busquets als Abräumer vor der Abwehr ist gesetzt. Bei den anderen vier Positionen - in der Regel zwei zentrale Mittelfeldspieler und zwei Flügelspieler - kann Fernando Hierro wechseln. Gegen Tunesien spielte überraschenderweise Iniesta 90 Minuten lang auf dem linken Flügel. Nach einer Verletzung im März galt der Fitnesszustand des 34-Jährigen als fraglich. Schließlich hatte er die gesamte Saison nur vier Spiele über die komplette Dauer absolviert. Experten rätselten, ob es besser sei, Iniesta solange spielen zu lassen, bis er nicht mehr kann, oder ihn erst in der zweiten Halbzeit für die entscheidenden Minuten einzuwechseln. Sollte Iniesta doch genügend Kraft für 90 Minuten haben, hätte Marco Asensio das Nachsehen. Der zweite Mallorquiner bei einer Weltmeisterschaft (Miguel Ángel Nadal spielte 1994, 1998 und 2002) ist bei der Nationalmannschaft - ähnlich wie bei seinem Verein Real Madrid - nur Edeljoker. Bei seinen bisherigen zehn Einsätzen für Spanien wurde der 22-Jährige sieben Mal eingewechselt. Drei Torvorlagen gelangen dem Spieler aus Palma für Spanien - alle drei bei Startelfeinsätzen. Neben Asensio bleiben wohl auch den Stars von Atlético Madrid, Koke und Saúl Ñíguez, nur ein Platz auf der Bank.Wer spielt in der Spitze?

Das große Fragezeichen bleibt die Besetzung in der Sturmspitze. Mit Álvaro Morata hat Spanien einen Stürmer, der vor der Saison für 66 Millionen Euro von Real Madrid zum FC Chelsea gewechselt ist, zuhause gelassen. Der 25-Jährige wusste allerdings auch nicht in der Premier League zu überzeugen. In der Rückrunde gelangen Morata lediglich zwei Treffer. Besser liest sich die Statistik von Diego Costa auch nicht. Der gebürtige Brasilianer kehrte nach langem Hickhack im Winter zu Atlético Madrid zurück und erzielte drei Tore. Mit Rodrigo steht nur ein weiterer Mittelstürmer im Kader. Die Nominierung des 27-Jährigen vom FC Valencia galt als Überraschung, ist nach 16 Toren in der abgelaufenen Saison jedoch gerechtfertigt. Gegen Tunesien brachte erst eine Umstellung auf zwei Stürmer das Siegtor. Iago Aspas, der bei seinem Verein Celta de Vigo hauptsächlich auf dem rechten Flügel eingesetzt wird, kam und traf in der 84. Minute. Durch den Sieg ist Spanien seit 20 Spielen ungeschlagen und traf in jeder dieser Partien. Doch zu überzeugen wussten die Spanier nicht. „Wir hatten vor dem Trainingslager ein besseres Gefühl als nun?, sagte Torschütze Aspas.