Ortstermin in Llucmajor. Es ist windig, unangenehm kalt, die Wolken hängen tief. Eduardo Rauly, Direktor vom Traditionszirkus Williams, blickt melancholisch über das Gelände. Gelb-blaue Zirkuswagen mit roter Aufschrift stehen wild durcheinander, daneben verrostete Autos, Müll, ein Kamel mit Schaum vor dem Mund, ein brauner Stier mit langen Hörnern, ein Fohlen, noch ein Pferd, ein Lama.

„Sie haben mir den Krieg erklärt", sagt der Katalane und reißt seine geröteten Augen auf. Rauly meint die Tierschützer der Organisation AnimaNaturalis, die etwas dagegen haben, dass er mit seinen Tieren auftritt. Sie stoßen sich daran, dass Rauly seinen bengalischen Tiger und seinen Leoparden in sehr engen Käfigen hält. Doch Rauly sagt: „Ich misshandele sie nicht."

Der Zirkus Williams gibt seit dem 9. Januar keine Vorstellungen mehr. Etwa 20 Angestellte mussten gehen, jetzt haust Rauly auf dem versteckt gelegenen Areal bei Llucmajor mit seinen Söhnen und Enkeln und dem ein oder anderen Helfer. Er ist verzweifelt, weiß nicht mehr aus noch ein.

Weil die Tierschützer gegen ihn seien, hätten sich auch die Politiker gegen ihn verschworen, zumindest die in einigen Gemeinden Mallorcas: in Sóller und in Petra, vor allem aber in Palma, so Rauly. Er könne nicht nachvollziehen, warum er dort nicht mit seinem Zirkus auftreten dürfe, Kutschenpferde jedoch im Sommer auf heißem Asphalt laufen müssen, Stiere bei Kämpfen völlig legal getötet werden dürfen und Fische aus Spaß und nicht zum Verzehr aus den Hafenbecken geangelt werden können. Das sei nicht stimmig, ja geradezu unmoralisch. „Die Tierschützer wollen berühmt werden, wollen in den Medien auf Fotos erscheinen, ich dagegen weiß nicht mehr, wie ich überleben soll", sagt Rauly. Er lebe von der Hand in den Mund. Dabei habe er sich doch einmal, es ist schon längere Zeit her, so sehr in die Balearen verliebt.

Begonnen habe alles vor vier bis fünf Jahren. Tierschützer hätten den Kindern in seinem Zirkus erzählt, dass es unmoralisch sei, dorthin zu gehen. „Werbeplakate für meine Vorstellungen wurden von den Wänden gerissen", erzählt Rauly. Dann hätten sich die Tierschützer, wenn er irgendwo mit seinen Leuten auftrat, mit Schildern mit zirkusfeindlichen Aufschriften vor den Eingang gestellt, hätten die Besucher belästigt. „Mütter fühlten sich sichtlich bedrängt." Bis zum November 2010 sei es immer schlimmer geworden. Schlussendlich habe er sich schweren Herzens bereit erklärt, sich notfalls von einigen seiner Tiere zu trennen, falls man einen besseren Platz für sie finde. „Und das nach mehr als 20 Jahren Zusammenleben!"

Traurig blickt Rauly auf den Tigerkäfig. Viel Platz hat das Raubtier nicht. Und der Leopard daneben auch nicht. Von Auslauf für die Großkatzen kann keine Rede sein. Genau das haben die Tierschützer moniert. Ismael López, für Mallorca zuständiger Aktivist der Organisation AnimaNaturalis, sagt, man wolle dem Zirkus nur helfen, einen Platz für diese Tiere zu suchen. Von Vorwürfen gegen das Unternehmen könne gar keine Rede sein.

Zirkusdirektor Rauly ist verbittert, fühlt sich bedrängt von den militanten Tierschützern, die er abschätzig animalistas nennt. „Sollen sie sich doch mal in Afrika oder Indien umschauen, wo Tiere aussterben." Seine Schützlinge bekämen genügend Essen und würden gut behandelt.

Eduardo Rauly wurde schon in eine Zirkusfamilie hineingeboren. Eine andere Heimat als einen Zirkuswagen hat er nie kennengelernt. Seit 1992 ist er mit seinem Zirkus auf den Balearen, er war in aller Welt unterwegs: sogar in Togo, im Kongo und in Vietnam. Doch so etwas wie jetzt habe er noch nie erlebt, so Rauly.

Ein Windstoß peitscht über das Gelände, die Wolken werden dunkler, weggeworfene Milchtüten aus Pappe wirbeln über den Boden. Wie schwer es Spanien doch einem kleinen Zirkus wie dem seinen mache, klagt Rauly. Seine Augen wirken plötzlich noch geröteter. Er erinnere sich noch genau daran, mit wie viel überbordendem Papierkram er sich habe herumschlagen müssen, nur um etwa von Madrid nach Barcelona zu wollen. Woanders in Europa sei das alles viel einfacher gewesen.

Wie geht es jetzt weiter mit dem über 100 Jahre alten Traditionszirkus Williams? Rauly legt die Stirn in Falten, schaut ins Leere. Er könne auch ohne Tiere Zirkus machen, sagt er. Aber das werde schwierig. „Notfalls mache ich allein den Clown."

In der Printausgabe vom 10. Februar (Nummer 562) lesen Sie:

- Pionier der modernen Landwirtschaft: Mallorcas größter Reisbauer

- Auch Steine wollen gefühlt sein: Die Arbeit der Mauerbauer

- Gute Bücher für junge Leser

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