Es ist nicht einfach, bis zu einem der ungewöhnlichsten Tiere, das momentan auf Mallorca lebt, vorzudringen. Erst nach einigen Kilometern Fahrt auf einer schmalen Landstraße im Nirgendwo zwischen der Hauptstadt Palma und dem beschaulichen Llucmajor und nach sehr langsamem und vorsichtigem Manövrieren auf einer Schlaglochpiste liegt auf der rechten Seite hinter einem Tor sehr versteckt die überaus idyllische Finca, neben der sich das Zuhause des gerade zwei Jahre jungen Zebrahengstes Chaka befindet. Zwischen mehreren anderen Pferden, Ponys und bunten und schreienden Pfauen fühlt sich das Wesen mit den runden und knuddeligen Stofftieraugen sichtlich wohl.

Jenny Amann (43), attraktive und erfahrene Tiertrainerin aus Deutschland, blickt zufrieden, gelassen und stolz auf das Tierareal. Sie hat eine dunkelblaue Jacke an, auf der hinten ihr Name steht. „Ich habe sogar Pferde, die wie Hunde apportieren können", sagt sie. Jung-Zebra Chaka schmiegt sich zärtlich an eines der Ponys. Die Deutsche lebt seit vier Jahren mit ihrem Sohn und einer Pferdepflegerin auf der Finca.

„Hier lässt sich in Ruhe leben, ohne dass einem einer an den Karren fährt", sagt sie. Ärger mit Nachbarn habe sie auf der Insel noch nie gehabt. In Deutschland, als sie noch in der Nähe von Leipzig wohnte, sei das anders gewesen. Weil sie auch schon damals gerne mit Tieren lebte, hätten die Nachbarn ihr das Leben schwer gemacht. Ex-Model Amann hatte damals eine Raubkatze.

Hätte sie Zebrahengst Chaka in Deutschland nicht von einem Zoo, der ausdrücklich nicht in der Presse genannt werden will, losgeeist, „wäre er zu Wurst gemacht worden", sagt die Tiertrainerin, und ihre Stirn legt sich in Falten. Noch immer schaudert sie der Gedanke. Ein solches Schicksal sei nicht unüblich, wenn ein Tierpark zwischen Nordsee und Alpen einen unliebsam gewordenen Schützling loswerden wolle, fügt sie fast verbittert hinzu.

Jenny Amann ließ Chaka im November 2009 nach Verabreichung zahlreicher Impfungen und einer gründlichen Untersuchung durch einen Tierarzt per Wagen und Fähre auf ihre Finca auf der Mittelmeerinsel bringen. „Drei Tage und drei Nächte hat die Fahrt gedauert." Seitdem bemüht sie sich, das überaus starke, in freier Wildbahn sehr schreckhafte und sich in Extremsituationen ungeheuer heftig wehrende Tier zu zähmen.

Das sei nicht ansatzweise so einfach wie mit einem Pferd, sagt sie. Pferde werden seit Jahrhunderten von den Menschen für die Landarbeit domestiziert und gezüchtet. In der afrikanischen Savanne hingegen sei dasjenige Zebra am schnellsten tot, das nicht rechtzeitig vor den allgegenwärtigen Raubkatzen fliehen könne. „Die Scheu ist in diesen Tieren genetisch verankert", sagt Jenny Amann, in deren geschmackvoll eingerichtetem Heim fast ausschließlich Pferdebilder hängen und sogar wohlgeformte Skulpturen von Pferdeköpfen zu finden sind.

Was unterscheidet ein ­Zebra außerdem von einem Pferd? Es sind die Laute. Ein Zebra wiehert nicht, sondern stößt Geräusche aus, die sich wie eine Mischung aus dem „I-a" eines Esels und dem Bellen eines Hundes anhören.

Chaka ist ein Steppenzebra, dessen Heimat die riesigen Savannen des Sudans, Äthiopiens, Ostafrikas, Namibias und Südafrikas sind. Es gibt zwischen 800.000 und 1,3 Millionen Exemplare, die große Herden bilden und von denen jedes einzelne eine Lebenserwartung von etwa 30 Jahren hat.

Trotz der lebensrettenden Schreckhaftigkeit von Zebras ist es Jenny Amann nach mühevoller Arbeit und „ohne jeglichen Druck", wie sie betont, gelungen, Chaka dazu zu bringen, auf Anweisungen zu hören und Dinge mit sich machen zu lassen, die ein Wildtier niemals tolerieren würde. So lässt sich die Kreatur ohne Murren satteln, wenn – wie das bei Zähmungen üblich ist – danach ohne Zeitverzug eine Belohnung in Form einer Mohrrübe gereicht wird. Auch schreitet Chaka gelehrig im Schlängelkurs um farbige Hütchen herum oder läuft über Stöckchen und hört auf Kommandos wie „Schritt", „Trab" und „Galopp". Außerdem lässt sich der Junghengst mittlerweile fast mühelos anbinden, um dann ungerührt stehen zu bleiben – undenkbar bei einem normalen Zebra, das in einer solchen Situation ausrasten und entfesselt umherbocken würde. „Er wird immer cooler", stellt Jenny Amann zufrieden fest.

Doch eines ist mit Chaka bislang nicht möglich: Man kann ihn noch nicht über längere Strecken reiten. Zwar habe sie bereits fünf Meter mit ihm hinbekommen, sagt Jenny Amann. Aber das sei es dann auch gewesen. „Auch wenn Chaka wohl nie wie ein Pferd werden wird", glaubt sie, dass noch weitere Fortschritte möglich sind.

Sollte es ihr gelingen, ihn zu einem Reitzebra zu machen, wäre das eine internationale Sensation. Es gibt kaum Präzedenzfälle. Im 19. Jahrhundert sei mal ein spleeniger Baron Rothschild in einer Zebra-Kutsche durch London paradiert, um die Blicke der Leute auf sich zu ziehen, erzählt Amann und zeigt ein Bild von dem Adeligen. Auch von einem kenianischen Arzt auf einem Zebra hat sie ein Foto. Das sei vor langer Zeit gemacht worden, sagt sie. Da diese Tiere nun einmal so schwierig zu zähmen seien, hätten irgend welche Witzbolde auch immer mal wieder Esel mit Streifen bemalt.

Auf die Frage, ob sie Chaka zu einer Attraktion für Urlauber machen wolle, antwortet Amann mit Nein. Aber sie wolle ab Juni Zirkuslektionen und Wochenendkurse in Bodenarbeit geben. Interessierte würden das ungewöhnliche Streifentier dann natürlich zu Gesicht bekommen.

Kontakt: jennyamann@yahoo.de