Die Bürger von Fornalutx, dem Tramuntana-Dorf im Norden von Mallorca, sind sauer. Denn die Balearen-Regierung könnte ihnen ihr Fest vermiesen, das das gesamte Dorf Anfang September feiert. Beim sogenannten "correbou" wird ein Stier durch die engen Gassen Fornalutx´ bis hin zur kleinen Plaça d´Espanya geführt. Taue an den Hörnern halten das Tier in Schach. Die Balearen-Regierung aber will das Tierschutzgesetz ändern, um Stierkämpfe und Stierhatz zu verbieten. Dagegen haben am Sonntag (24.4.) Hunderte Bewohner auf dem Hauptplatz des Dorfes protestiert.

"Sentiment, tradició i cultura, el bou no s'atura" (Mallorquin für "Gefühl, Tradition und Kultur, den Stier stoppt man nicht") stand auf den Plakaten der Demonstranten, die vom Festkomitee des "correbou" zusammengetrommelt worden waren. Felip Reynés, Vorsitzender des Festkomitees, betonte, dass das gesamte Dorf den Stierlauf erhalten möchte. "Wir sind offen dafür, das Fest weiterzuentwickeln, denn wir sind ein multikulturelles Dorf." Unterstützt wurde die Demonstration auch von allen Politikern aus Fornalutx. „Wir feiern den 'correbou' schon seit mehr als 100 Jahren", sagt Bürgermeister Antoni Aguiló (PP). Das könne man nicht einfach so aufgeben.

Auch die Sozialisten von Fornalutx stemmen sich gegen den Gesetzesentwurf, der von ihren eigenen Parteigenossen in Palma vorangetrieben wird, „um unsere Gesellschaft zu einer besseren zu machen" (O-Ton Silvia Cano, Generalsekretärin der PSOE auf Mallorca). Eine Zwickmühle für die Fornalutx-Sozialisten. Ihr Sprecher Andreu Barceló hatte sogar angedroht, dass seine Partei die politische Bühne in Fornalutx verlässt, sollte die Regierung das Fest verbieten. Das revidiert er aber im MZ-Gespräch. „Wir wollten nur ein bisschen Druck machen."

Am vergangenen Dienstag (19.4.) brachte die Balearen-Regierung den Gesetzesentwurf zum Verbot von Stierkampf und Stierhatz auf den Weg. Bis zum Sommer wollen die Politiker die Änderungen im Tierschutzgesetz verabschiedet haben. Darunter fiele dann auch der "correbou" von Fornalutx.

Das sagen die Bewohner von Fornalutx

Die Bürger sind wütend und enttäuscht. „Ich will darüber gar nicht mehr sprechen", sagt eine der Kellnerinnen der Bar Sa Plaça. Sie schäumt Milch auf und redet sich dann doch in Rage. „Wir sind keine Tierquäler! Wir lieben Tiere, sind mit ihnen aufgewachsen", sagt sie. Jeder hier habe einen Hund, Hühner, Ziegen oder Esel. Es mache sie wütend, dass Menschen, die das Fest nicht kennen, die Bewohner von Fornalutx der Tierquälerei bezichtigen.

In der Dorfkneipe Ca´n Bernet hängen Schwarz-Weiß-Fotografien vergangener Stierläufe „Die Eltern unserer Eltern haben das Fest bereits gefeiert", sagt Juan Cabrera, Besitzer der Bar. Er glaubt, dass es zumindest in diesem Jahr noch einmal einen "correbou" geben wird. „Aber für das nächste Jahr sehe ich schwarz." Das Schlimme daran sei, dass den Bürgern die Hände gebunden sind. „Das ist jetzt Sache der Politiker, wir können nichts tun." Ob man nicht auch ohne Stier feiern könne? „Das wäre wie Fußball ohne Ball", sagt Cabrera trocken.

Fotogalerie: So geht es zu beim "correbou"! in Fornalutx

Früher, so Bürgermeister Aguiló, hätten sich die ­Bewohner des Dorfes gemeinsam einen Stier gekauft, um einmal im Jahr Fleisch zu essen. „Damit auch die älteren und kranken Menschen den Stier sehen konnten, bevor er geschlachtet wurde, führte man ihn von Tür zu Tür", erklärt Aguiló. Heute organisiert ein Festkomitee die Feierlichkeiten. Natürlich stehe für niemandem im Dorf die Tradition über dem Tierwohl. „Wir sorgen dafür, dass der Stier so wenig Stress wie möglich hat", betont Aguiló. Niemand dürfe ihn berühren. Die Taue dienten ausschließlich der Sicherheit.

„Einen Hund leint man doch auch an", sagt Maria Magdalena Alonso, Mitglied des Festkomitees und des Stadtrates. „Was uns wirklich sauer macht, ist, dass uns niemand gefragt hat", sagt sie. Es würde über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden. „Aber wir werden für unser Fest kämpfen, bis zuletzt."

Bürgermeister ist guter Hoffnung

Ganz aussichtslos ist der Kampf nicht. „Wir lassen prüfen, ob das Gesetz gegen die Verfassung ­verstößt", erklärt Aguiló. Denn ein Gesetz, das Stierkämpfe verbiete, könne nur von der Regierung in Madrid erlassen werden, nicht von den Autonomen Gemeinschaften. „In Katalonien, wo es bereits ein solches Gesetz gibt, wurde erst kürzlich festgestellt, dass es verfassungswidrig ist", sagt Aguiló. „Ich bin guter Hoffnung."

Touristen indes sind sich der Problematik und der angespannten Stimmung im Dorf nicht bewusst. Den Residenten ist der "correbou" schon ein Begriff. Der deutsche Unternehmer Christian Radtke lebt seit rund drei Jahren in Fornalutx. Ihm scheint es, dass seitens der Politik pauschalisiert wird. „Da werden die blutigen corridas mit dem "correbou" in einen Topf geworfen", sagt er.

Das sei abwegig, denn beim "correbou" in Fornalutx gehe es nicht um einen ungleichen Kampf zwischen Mensch und Stier. Er betont aber auch: „Natürlich kann man nicht so tun, als bedeute der Lauf durchs Dorf für das Tier keinen Stress." Eine ausgewogene Meinung zu dem Thema könne und wolle er sich dennoch nicht bilden. „Ich stamme aus einem anderen Kulturkreis, das maße ich mir nicht an."