Wenn Manuel Bueno eine Palme behandelt hat, ärgert er sich jedes Mal, denn er weiß nie mit Sicherheit, wie viele Käfer samt Nachwuchs es sich noch im Stamm gemütlich machen. Mit Vermutungen muss sich auch das Landwirtschaftsministerium herumschlagen. Dort schätzt man, dass von den 273.000 Palmen auf der Insel knapp 11.000 befallen sind. Ende 2015 wurden 1.277 neue Fälle gemeldet, während es im Vorjahr noch doppelt so viele waren. Doch auch auf diese Zahlen kann man sich nicht verlassen. „Wir schätzen, dass nur 40 Prozent der befallenen Gewächse gemeldet werden", sagt Omar Beidas, Leiter der Abteilung Sanidad Vegetal im Landwirtschaftsministerium der Balearen. Denn noch immer verschweigt ein Großteil der Finca- und Garten­besitzer den Schädlingsbefall auf ihrem Grundstück.

Als der Palmrüssler (Rhynchophorus ferrugineus bot., picudo rojo span., picut vermell kat.) im Jahre 2006 erstmals in der Gegend von Campos entdeckt wurde, beschränkte er sich zunächst auf die Kanarische Dattelpalme (Phoenix canariensis) und die echte Dattelpalme (Phoenix dactylifera). Mittlerweile nistet er sich auch in den Stämmen der Fächerpalme (Washingtonia) ein und frisst die Blätter und Stängel der heimischen Zwergpalme (Chamaerops humilis). Wenn keine andere Nahrung zur Verfügung steht, macht er sich sogar über die Palmlilien (Yuccas) her.

2012 wurde in der Nähe von Fächer- und Zwergpalmen zudem erstmals der Paysandisia archon gesichtet. Der Falter ist zwar auf der Insel fleißig unterwegs, doch der Schaden, den seine Eier,

Larven und Raupen anrichten, ist deutlich geringer als beim Palmrüssler-Käfer, vor allem auch deshalb, weil der Schädling schneller entdeckt werden kann.

Wenn es um die Palmschädlinge geht, bleiben viele Fragen offen, doch in einem Punkt ist man sich im Landwirtschaftsministerium sicher: Gegen den picudo rojo gibt es derzeit kein umweltfreundliches Mittel - alle Versuche sind bislang fehlgeschlagen. Der in Fallen verborgene Kontaktgiftpilz Beauveria bassiana lockte zwar ein paar Käfer in die trampas, der Rest machte sich jedoch über Palmen der Nachbarschaft her. Im vergangenen Jahr verbot das Landwirtschaftsministerium den Einsatz der Fallen. Gleichzeitig wurden Register eingeführt. Zum einen für die Händler, die Palmen verkaufen, zum anderen für die Schädlingsbekämpfungsmittel, die gegen Palmrüssler und Paysandisia zugelassen sind (unter anderen Imidacloprid und Chlorpyrifos). Sie dürfen nur von registrierten Verkaufsstellen vertrieben werden, und die Abgabe erfolgt nur an Inhaber des carnet fitosanitario. Diese Bescheinigung erhält, wer einen vom Ministerium autorisierten Kurs absolvierte.

Die Behandlungen

Auch erfahrene Gärtner wie Bodo Drechsler (E-Mail:

gartenfinca@gmail.com) haben an dem Kurs teilgenommen. An seiner Arbeitstechnik änderte sich jedoch nicht viel: Er entfernt bei befallenen Palmen manuell die Blätter - sie wachsen wieder nach - sowie Eier, Larven, Käfer und Palm­fasern. Danach träufelt er von oben mit einer Spritzdüse das Insektizid in den Stamm. Diese Behandlung muss alle zwei Monate wiederholt werden, auch die Prophylaxe muss im Zweimonatsrhythmus erfolgen. Der Vorteil seiner Methode: Der Stamm wird nicht perforiert.

Dies ist bei der Endotherapie notwendig, die Manuel Bueno von „Greensalut" (www.greensalut.com) praktiziert. Die Insektizide bringt er mithilfe von Luftdruck in den internen Saftkreislauf. Die Endotherapie hat den Vorteil, dass die Gifte im Stamm bleiben und nicht versprüht werden. Doch ohne die „Duschen" kommt auch seine Methode nicht aus. Das Landwirtschaftsministerium schreibt diese zusätzlich zur Endotherapie vor.

Auch Axel Hohmuth von Sanapalm (www.sanapalm.com) arbeitet mit Endotherapie, aber er hat so seine Zweifel. „Seit Jahren werden Insektizide eingesetzt, die eigentlich für die großflächige Landwirtschaft entwickelt worden sind", sagt Hohmuth. Er befürchtet, dass die Insekten Resistenzen gegen die chemischen Mittel entwickeln. Omar Beidas hält dagegen: „Es gibt Marken verschiedener Hersteller mit unterschiedlichen chemischen Substanzen." Ein regelmäßiger Wechsel der Produkte wirke vorbeugend gegen die Resistenz.

Der Palmen-Pass

Damit nur gesunde Palmen in den Handel kommen, müssen sie mit dem pasaporte fitosanitario ausgestattet sein. Immer wieder aber werden befallene Palmen verkauft. „Dabei ist das strafbar", sagt Omar Beidas. Der Gesundheitspass wird von den etwa 200 Händlern der Insel selbst ausgestellt. Drei Mal im Jahr kämen Inspektoren zur Kontrolle. „Wer eine kranke Palme gekauft hat, muss dies anzeigen", sagt Beidas, dem Verkäufer drohen Geldstrafen. Auch der Käufer ist gestraft, denn er hat sich mit der kranken Palme Behandlungskosten von ­durchschnittlich 250 Euro pro Jahr eingehandelt.

Wenn nichts mehr zu retten ist

Etliche befallene palmeras bleiben unbehandelt. Manchem Besitzer mag das Geld fehlen, manchem ist der Befall gleichgültig, und mancher mag Bedenken wegen der Umweltschädlichkeit der Gifte haben. Denn ein weiteres Fragezeichen beim Thema Palmrüssler ist, ob und wie die Giftvergabe den Nektarsuchern schadet. Besonders die Biolandwirte sind hier in der Zwickmühle. Bei Anwendung der Gifte gegen den Palmrüssler droht der Verlust des Öko-Zertifikats - wenn sie die Behandlung unterlassen, machen sie sich aber strafbar.

Für sie ist die einzige ökologische Lösung das Fällen der Palme. „Das Landwirtschaftsministerium übernimmt bei Gemeinden mit Schutzpriorität die Kosten des Transports", sagt Beidas. Die Verbrennung in Son Reus ist kostenlos. Die Besitzer können die gefällten Palmen zerkleinern und in Big Bags füllen. Für den Antrag ist folgendes Formular auszufüllen: Documento para la comunicación previa de eliminación de palmàcies afectadas por R. ferrugineus (Antrag als PDF unter www.caib.es, „Servicio de Sanidad Forestal" herunterladen). Ausgenommen sind die Stadt Palma sowie die Gemeinden Calvià, Llucmajor und Pollença,

„Wir mussten diese Prioritäten setzen", sagt Beidas, denn das Budget für den Palmenschutz ist knapp, die gesamten Kosten müssten von der Balearen-Regierung getragen werden. Auf den Kanarischen Inseln beziehe man EU-Mittel und Gelder aus Madrid, weil es sich bei der Phoenix canariensis um eine endemische Pflanze handelt. Auch die Comunidad Valenciana würde mehr gefördert, weil dort ein Unesco-Welterbe, der Palmenhain von Elche, bedroht ist.

Die Profiteure

Aus Valencia kam kürzlich eine Erfolgsmeldung vom spanischen Pflanzenschutzhersteller Syngenta. Das neue - speziell gegen den Palmrüssler entwickelte - „Revive2" müsse nur ein bis zwei Mal im Jahr mit Endotherapie injiziert werden. Noch weiß man nicht, ob das Mittel hält, was der Konzern verspricht, und es ist davon auszugehen, dass die Forschungskosten durch hohe Produktkosten eingespielt werden sollen. Denn eines ist wohl sicher: Die einzigen Gewinner im Kampf gegen den picudo rojo sind die Hersteller von Insektiziden.

Hotline für die Meldung des Befalls Sanidad Vegetal: Tel.: 900-10 14 77, Behandlungsberatung: Tel.: 669-76 54 40 und 647-34 88 94.