Der zuletzt rapide fallende Rohölpreis beflügelt die Flugbranche. Gleichzeitig drückt der harte Preiskampf der Billigflieger auf die Gewinne der Airlines. Auf welche Entwicklungen sich Mallorca-­Residenten und -Urlauber einstellen müssen, erklärt Christoph Brützel, Dozent für den Fachbereich Aviation Management an der Fachhochschule Bad Honnef/Bonn. Der Wirtschaftswissenschaftler und Unternehmensberater war in leitenden Positionen bei Lufthansa und LTU tätig.

Der Rohölpreis ist weiter im Sinkflug - wann wird sich das auch bei den Ticket­preisen bemerkbar machen?

Da die Airlines sehr abhängig vom Treibstoffpreis sind, sichern sie ihn durch hedging langfristig ab. Sich täglich ändernde Preise wären schlecht für das Geschäft. Da wird dann zum Beispiel 18 Monate im Voraus ein Achtzehntel des benötigten Treibstoffes gekauft, einen Monat später genauso, und so weiter. Zum Zeitpunkt des Flugs entspricht der Treibstoffpreis dann dem Durchschnitt der vergangenen 18 Monate. Diese Vorlaufzeit entscheidet darüber, wie lange es dauert, dass sich aktuelle Rohölpreise auswirken.

Wie ist das im Fall von Mallorca-Flügen?

Im Veranstaltergeschäft, das immer noch rund 50 Prozent der Kapazität ausmacht, wird der gesamte Treibstoff möglicherweise schon bestellt, wenn der Katalog erscheint.

Und im Fall der Pendelflüge von Residenten, also im Einzelplatzverkauf etwa bei Air Berlin?

Wenn Kapazitäten im Einzelplatzverkauf vertrieben werden, können die Preise im yield management noch angepasst werden, das heißt, Preise und Kapazitäten werden simultan und dynamisch gesteuert. Bei den Ticketpreisen der kommenden Sommersaison werden die aktuell niedrigen Kerosinpreise also mit Sicherheit Eingang finden. Und die Airlines sind gut beraten, den Treibstoff jetzt einzukaufen. Über kurz oder lang werden die Preise wieder auf ein Niveau steigen, wo sie vor zwei Jahren waren.

Was heißt das für den Kunden? Lieber noch abwarten mit der Flugbuchung für Sommer?

Ich würde schauen, inwieweit sich die niedrigen Rohölpreise in den Frühbucherpreisen niederschlagen. Und das tun sie. Da würde ich lieber früh buchen. Das Wahrscheinlichkeit, dass der Treibstoffpreis weiter sinkt, ist wesentlich geringer, als dass er anzieht. Und dann stehen die Airlines sofort auf der Matte und argumentieren nicht mehr mit der langfristigen Absicherung beim Treibstoffeinkauf.

Die Airlines haben sich in den vergangenen Jahren damit gerühmt, dass die Flugzeuge immer sparsamer sind. Spiegelt sich das im Anteil der Treibstoffkosten wider?

Der größte Quantensprung war bereits vor 30 Jahren, mit der Entwicklung der Nebenstromtriebwerke. Damit wurde die Effizienz um 45 Prozent gesteigert. Seitdem hat es keine Quantensprünge mehr gegeben. Die heutigen Effizienzprogramme bringen im besten Fall fünf bis sechs Prozent, und auch die Flugzeug- und Triebwerkstechnologie ist weitestgehend ausgereizt.

Welchen Anteil hat Kerosin heute an den Gesamtkosten?

Der Treibstoff macht rund ein Drittel aus. Vor einem Jahr waren wir bei 140 Dollar pro Barrel, da dürfte der Treibstoff 40 Prozent ausgemacht haben. Jetzt sind wir bei 80 Dollar und damit immer noch über 30 Prozent der Gesamtkosten.

Neben den Preisen verfolgen Mallorca-Residenten auch die Entwicklung beim Streckenangebot genau. Air Berlin hat sich von Dortmund und Bremen zurückgezogen. Springt Ryanair in die Bresche?

Ganz klar. Ryanair fliegt jetzt aus Dortmund oder Düsseldorf-Weeze, inzwischen ist Michael O´Leary der zweitgrößte an Palmas Airport - nur er hat zuletzt Marktanteile gewonnen. Für Air Berlin ist der Betrieb aus kleineren Flughäfen mangels Crew und Flugzeugen vor Ort teuer. Hier setzte Hartmut Mehdorn in seiner Zeit bei Air Berlin den Rotstift an. Ryanair macht das anders: In 66 Airports in Europa, darunter auch in Palma, sind Flugzeuge und Crews stationiert, geflogen wird aus dem Zielgebiet, so kann Ryanair den Quellmarkt günstig dezentral anfliegen.

Ryanair versucht seit einiger Zeit, von seinem Billigimage wegzukommen. Was ist davon zu halten?

Wenn Sie im Restaurant à la carte bestellen, zahlen Sie mehr als bei einem Menü. Bei den Airlines ist es umgekehrt: Bei einer Billigairline können Sie auch alles haben, Sie zahlen aber à la carte. Das würden Condor oder Lufthansa auch gerne machen, allerdings nutzen sie Distributionssysteme, in denen sie die Tickets nur in festgelegten Standards verkaufen können. Die meisten Leistungen, die sich extra berechnen ließen, sind gar nicht einzeln darstellbar. Ganz anders im Direktverkauf: Hier können auch Versicherungen, Taxi-Transfers und noch viele andere Dinge verkauft werden. Inzwischen haben rund 30 Prozent der Umsätze bei den Lowcost-Fliegern gar nichts mit dem eigentlichen Flugbetrieb zu tun.

Wenn Ryanair damit solchen Erfolg hat, warum baut die Airline jetzt den Service aus?

Im Grunde geht es darum, neue Zielgruppen anzusprechen, etwa Geschäftsreisende. Die haben aber keine Lust, sich durch die Buchungsmaske auf der Website zu quälen, sondern kaufen die Reise über die klassischen Systeme. Ryanair kommt also gar nicht umhin, die Tarife einem standardisierten Reservierungssystem anzupassen. À la Carte verkaufen geht da nicht. Ryanair muss in den sauren Apfel beißen und mehr für die Kunden tun, weil es das Vertriebssystem so will.

Fliegt sich Air Berlin auf absehbare Zeit wieder gesund?

Das hängt davon ab, ob Air Berlin es schafft, ihr sogenanntes Hybrid­modell in klar differenzierte Geschäftsmodelle zu überführen, also Ferienflug einerseits und Langstrecke andererseits. Es kann nicht alles über die gleichen Kanäle produziert und verkauft werden. Erst dann wird Air Berlin wieder ein ernstzunehmender Konkurrent.

Auf welche Trends müssen wir uns in naher Zukunft mit Blick auf Palmas Airport einstellen?

Ich glaube, das ist ein Wachstumsmarkt für regionale Flughäfen, sie profitieren von der dezentralen Struktur der Angebote. Das Passagier­aufkommen in Frankfurt oder München mit Ziel Palma wächst nicht. Davon profitiert natürlich zunächst einmal Ryanair. Aber jetzt versuchen alle Airlines, Ryanair zu kopieren - auch die Lufthansa setzt auf einen richtigen Lowcost-Carrier. Nun begreifen alle, dass man sich dezentral aufstellen muss. Eine spannende Entwicklung der kommenden Jahre wird zudem sein, dass Marke und Produktion zunehmen getrennt werden. Wer seine Betriebe am kostengünstigen zusammenstellt, wird am besten aufgestellt sein.

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