Die Passagiere von Ryanair sind so einiges gewöhnt: Um in den Genuss der Schnäppchenpreise zu kommen, reisen sie mit Minimalgepäck, stellen sich auf Minimalservice ein und ertragen ein lautes Fanfarensignal, das am Ende jeden Flugs auf die pünktliche Ankunft hinweist. Was macht man nicht alles, um günstig zu fliegen?

Offenbar ist aber die Leidensfähigkeit der Passagiere doch begrenzt. Nachdem im vergangenen Jahr zum ersten Mal in fünf Geschäftsjahren der Gewinn zurückging, hat der irische Billigflieger einen Kurswechsel eingeleitet. Statt angeblich über Pläne für Toilettengebühren oder gar Stehplätze an Bord zu sinnieren, werden nun Gebühren gesenkt und neue Angebote eingeführt.

Ein Kulturwandel? „Wir entwickeln unser Geschäftsmodell weiter", so Robin Kiely, Leiter der Unternehmenskommunikation bei Ryanair, gegenüber der MZ. „Wir haben unsere Kunden gefragt, welche Änderungen sie wünschen, und haben als Antwort darauf eine Serie von Verbesserungen eingeführt." So einfach ist das - plötzlich zählen die Kundenwünsche.

Die Charme-Offensive begann im November vergangenen Jahres: Die Airline reduzierte die Zahl der Klicks, die bei einer Buchung notwendig sind, von vorher 17 auf jetzt 5, führte eine 24-Stunden-Kulanz-Zeit ein - um etwa Tippfehler bei Passagiernamen zu korrigieren - und schaffte die sogenannte Recaptcha-Sicherheitsfunkion ab - also das Eintippen schwer lesbarer Codes, mit denen sich das Unternehmen vor Spam schützt. Im Dezember wurde ein zweites Handgepäckstück erlaubt und die Gebühr für die Neuausstellung der Bordkarte nach dem Online-Check-in von 70 auf 15 Euro gesenkt. Im Januar sank dann die Gebühr für die Gepäckaufgabe am Flughafen von 60 auf 30 Euro.

Damit nicht genug: Ryanair will den Passagieren auch während des Flugs weniger auf die Nerven gehen und verzichtet bei Flügen vor 8 Uhr oder nach 21 Uhr, abgesehen von den obligatorischen Sicherheitshinweisen, auf Durchsagen. Sogar die Beleuchtung wird gedimmt. Zudem können inzwischen auch Sitzplätze reserviert werden - beim Einsteigen ging es bislang oft chaotisch zu. Des Weiteren sind tragbare elektronische Geräte während des gesamten Fluges erlaubt.

So genervt seien die Ryanair-Kunden aber gar nicht gewesen, meint Kiely. „Ryanair erhält weniger als 0,29 Beschwerden pro tausend Kunden." Der Sprecher räumt aber ein, dass einige Passagiere „keine Fans der Pünktlichkeitsfanfare" seien, wie sich bei einer Umfrage im sozialen Netzwerk Twitter herausgestellt habe. „Wir sind dabei, die Musik zu ändern." Die Passagiere von Ryanair sollten schließlich nicht nur die Schnäppchen genießen.

Laut Ryanair geht die Rechnung auf, die Passagiere „schwärmen" von den neuen Angeboten. In den Passagierzahlen von Mai zeigt sich immerhin eine Steigerung von vier Prozent im Vergleich zum Vorjahres­monat auf insgesamt 8,2 Millionen. So lang jedoch die Liste der Verbesserungen ist, so deutlich bleiben die Unterschiede zu anderen Airlines. So fällt beispielsweise für vergessliche Passagiere, die den Online-Check-in versäumt haben und am Flughafen einchecken müssen, weiterhin eine Gebühr von 70 Euro an. Die Airline lebt davon, dass die Passagiere neben der in der Regel günstigen Ticketgebühr an anderer Stelle zur Kasse gebeten werden: Die Abrechnung „komplementärer Angebote" macht bereits 25 Prozent der Gesamteinnahmen aus. Kunden tun deswegen gut daran, weiterhin auch das Kleingedruckte zu lesen.

Die Strategie der Neuerungen ist unterdessen mit den bislang eingeführten Verbesserungen noch nicht zu Ende: In den kommenden Wochen sollen neue Zielgruppen erschlossen werden. Davon sollen zum einen Familien profitieren, für die in Kürze ein spezielles Angebot eingeführt werden soll. Machen bislang die fehlende Sitzplatz­reservierung und die Gepäckauflagen den Familien zu schaffen, soll es in Zukunft Erleichterungen und Rabatte geben.

Ab August dann nimmt Ryanair die Geschäftsreisenden ins Visier. Wer bereit ist, mehr Geld für sein Ticket auf den Tisch zu legen, darf dann auf Premium-Sitzen Platz nehmen und so nach der Landung schneller aussteigen. Auch umbuchbare Tickets, beschleunigte Sicherheitskontrollen und Vielflieger-­Rabatte für Business-Kunden sollen dann bei dem Billig­flieger keine Fremdwörter mehr sein. Endgültig nicht mehr wiedererkennen dürften die Stammkunden ihre Airline, wenn schließlich auch noch die Online- und Handy-Pläne umgesetzt werden. So verspricht Kiely für Juni mobile Bordkarten und eine neue App für Smartphones und Tablets.

Das dann in Folge der neuen Service-Angebote auch die Ticketpreise steigen, davon will der Ryanair-Sprecher nichts wissen. „Das ist ein Punkt, bei dem wir nichts ändern werden." Genauso wahr ist aber auch, dass Ryanair immer für eine Überraschung gut ist.

Stagnation in Son Sant Joan

Während bei Ryanair derzeit der Ausbau der Service-Angebote im Vordergrund steht, sind die Zeiten des schnellen Wachstums auf dem Airport von Mallorca erstmal vorbei. „Letztes Jahr haben wir 3,15 Millionen Passagiere ab Mallorca transportiert, und dieses Jahr werden die Zahlen ähnlich aussehen", so Sprecher Kiely.

Auch das Flugangebot wurde in diesem Jahr nicht weiter ausgebaut: In dieser Sommersaison fliegt die Billig-Airline von Palma acht deutsche Flughäfen mit 58 Verbindungen pro Woche an: Bremen, Köln/Bonn, Dortmund, Karlsruhe-Baden, Memmingen, Frankfurt-Hahn, Lübeck und Düsseldorf Weeze.

Im kommenden Winterhalbjahr reduziert sich das Angebot dann wieder auf vier deutsche Flughäfen, die von Son Sant Joan aus angeflogen werden - Bremen, Köln/Bonn, Dortmund und Frankfurt-Hahn - und neun wöchentliche Frequenzen.