Die meisten Passagiere sitzen fünf Minuten vor Abfahrt schon in der U-Bahn. Etwa dreißig Menschen verteilen sich auf die zwei Waggons. Es macht auch keinen Sinn, sich am Bahnsteig der Estación Intermodal an der Plaça d´Espanya aufzuhalten. In der riesigen Bahnhofshalle sieht man sowieso fast nie Menschen.

Es ist Freitagvormittag. 1,60 Euro hat das Einzelticket gekostet, um eine der beiden U-Bahnlinien der Hauptstadt der Balearen zu benutzen. Acht Stationen fährt man auf der 2007 eröffneten Linie M1 von der Estació Intermodal bis zur Universität der Balearen (UIB). Wie in einer richtigen U-Bahn geht die Strecke größtenteils durch einen Tunnel. Der halbe Waggon ist von außen mit Graffiti beschmiert, was ein erfrischendes Großstadt-­Feeling beschert. Innen ist die U-Bahn hingegen sauber. Junge Menschen sitzen meist alleine, haben Kopfhörer im Ohr und schauen auf ihr Handy. Wenn jemand spricht, dann auf Spanisch oder Katalanisch. Die U-Bahn zur UIB könnte der einzige Ort in Palma sein, an dem man kein Deutsch hört.

Vielleicht sind es die Touristen, die der Bahn fehlen. Nach Zahlen des Nationalen Statistik-Instituts INE war die U-Bahn in Palma im August mit 33.000 Passagieren die am wenigsten benutzte unter den sechs U-Bahn-Linien Spaniens. Das sind sagenhafte 16-mal weniger Passagiere als die am zweitwenigsten genutzte U-Bahn in Sevilla.

Natürlich ist der Vergleichs­monat fies, weil im Sommer wenige Menschen zur Uni oder ins Gewerbe­gebiet fahren (wobei im August in Sevilla auch nicht gerade der Teufel los ist). In den Wintermonaten kann die Zahl der Passagiere das Vierfache betragen. Hinzu kommt, dass die Metro in Palma nur eine Teilzeit-U-Bahn ist. Samstagnachmittags, Sonntags und Feiertags fährt die Bahn gar nicht erst los.

„Das ist am praktischten"

Eine Frau studiert ihr Französisch-Lehrbuch. Ob sie weiß, dass die U-Bahn, in der sie gerade sitzt, die am wenigsten genutzte Spaniens ist? Sie guckt irritiert. Kein Mensch möchte in der U-Bahn angequatscht werden, auch nicht mit bunten Statistiken zum Transportwesen. „Es wundert mich nicht", sagt sie schließlich mit breitem osteuropäischem Akzent. Warum nimmt sie die Metro? „Das ist am praktischsten." Eine bemerkenswerte Aussage zu einer Bahn, die in den Stoßzeiten alle 15 Minuten und sonst alle 30 Minuten fährt.

„Im Grunde ist nur zu den Stoßzeiten was los, da muss man manchmal sogar stehen", sagt auf dem Rückweg nach Palma die Krankenpflege-Studentin Aurora, die heute recht früh von der Uni nach Hause fahren kann. „Und abends kann es dann richtig leer werden." Sorgen mache sie sich aber nicht. „Hier fühle ich mich sicher. Ich bin schon in Barcelona und Madrid abends U-Bahn gefahren, da hatte ich ein mulmigeres Gefühl", sagt Aurora.

Aurora und ihre Freundin nutzen die Bahn, weil sie in der Nähe von Haltestellen wohnen. „Außerdem gibt es wenige Parkplätze an der Uni." Was die praktischen Aspekte angeht, hat Aurora ihre Zweifel: „Man muss seinen Tag schon sehr genau planen, da die Bahn sehr selten fährt. Und richtig ärgerlich wird es, wenn man gerade durch die Schranke durch ist, wo das Ticket gescannt wird, und dann die Türen der Bahn schließen. Dann kann man nicht mehr raus und muss da warten."

Andere Linie, andere Sitten

Wieder an der Estació Intermodal. Jetzt soll es mit der 2013 eröffneten M2 nach Marratxí gehen. Gleis 8 statt Gleis 2. Ein kompletter Szenenwechsel. Die Menschen hier sind älter, die soziale Mischung größer. Viele wollen in Richtung Manacor und Sa Pobla und müssen in Marratxí umsteigen, um in die Dörfer zu fahren. Oder es sind Leute, die in den Vororten wohnen oder, zu einer anderen Uhrzeit, ins Gewerbegebiet fahren. Statt durch den Tunnel führt der Großteil der Strecke überirdisch.

Eine Putzfrau von der Estació Intermodal fährt nach ihrer Schicht nach Hause. Sie hat sich einen Badezimmerspiegel gekauft, den sie mit dabei hat. An der Station Verge de Lluc verschwindet sie zwischen den grauen Wohnblöcken. In diesem Zug sind die Haare ein bisschen gefärbter, die Gesichter ein wenig geschminkter, die Klamotten ein bisschen billiger als bei den Studenten. Hier gibt es keine Graffiti, das kann aber auch Zufall sein.

Was die geringe Nutzung noch bemerkenswerter macht, ist das Geld, das diese U-Bahn verschlang. Insgesamt wurden rund 350 Millionen Euro investiert. Man kann mit dieser Zahl diverse Rechnungen anstellen. Etwa: Pro investierter Million werden täglich 11 Passagiere transportiert. Die Tram im Madrider Vorort Parla kommt mit 110 Passagieren pro Million auf das Zehnfache.

Die Zufriedenheit vieler Kunden schmälert das nicht: Elisabeth ist um die 60 Jahre und stammt aus England. Seit neun Jahren wohnt sie in Marratxí. Sie fahre jeden Tag mit der Bahn nach Palma rein. „Die Metro ist sauber, schnell und günstig", freut sie sich.

Kein Vergleich zu London.