Spanische Richter führen Ermittlungen wegen Menschenrechtsverletzungen von Militärdiktaturen in Argentinien, Chile und anderen Staaten Lateinamerikas. Nur an die Verbrechen der Diktatur von Francisco Franco (1939-1975) im eigenen Land wagte die spanische Justiz sich bislang nicht heran. 33 Jahre nach dem Ende der Diktatur will der Madrider Ermittlungsrichter Baltasar Garzón dieses Tabu brechen.

Der Jurist, der vor zehn Jahren mit der Festnahme des chilenischen Ex-Diktators Augusto Pinochet weltweit für Schlagzeilen gesorgt hatte, ordnete nun an, ein Verzeichnis der Opfer des Franco-Regimes anzulegen. Er will herausfinden, wo es in Spanien Massengräber von hingerichteten Opfern der Diktatur gibt, wer dort begraben ist und unter welchen Umständen die Betroffenen zu Tode kamen. Nach einer Schätzung des britischen Historikers und Spanien-Experten Paul Preston ließ Franco im spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) und in den ersten Jahren der Diktatur etwa 180 000 politische Gegner hinrichten.

Garzón forderte Ministerien, Stadtverwaltungen und Kirchengemeinden in ganz Spanien auf, ihn aus ihren Archiven mit Informationen über die Massengräber zu versorgen. Wenn die Fakten bekannt sind, will der Richter entscheiden, ob weiter ermittelt wird. Die Initiative gilt als die bislang bedeutendste Aktion der spanischen Justiz zur Aufklärung von Verbrechen des Franco-Regimes.

Ihr Erfolg scheint jedoch fraglich zu sein. Die Staatsanwaltschaft plädierte dafür, die Ermittlungen einzustellen. Garzón sei in dieser Sache gar nicht zuständig, argumentierte die Behörde. Außerdem verwies sie auf das Amnestie-Gesetz von 1977, wonach politisch motivierte Straftaten während der Diktatur straffrei bleiben. Dieses Gesetz entsprang damals einem stillschweigenden Übereinkommen der politischen Parteien, das die Grundlage zum friedlichen Übergang zur Demokratie bildete. Nach diesem Pakt ließ das Regime nach dem Tod des Diktators eine Demokratisierung zu, seine Vertreter wurden aber im Gegenzug von einer Strafverfolgung verschont.

Die Ermittlungen des Richters lösten in Spanien ein geteiltes Echo aus. Amnesty International begrüßte die Initiative. "Dies ist ein wichtiger Schritt, dass die Angehörigen der Opfer von Menschenrechtsverletzungen die Wahrheit erfahren, ihnen Gerechtigkeit zuteilwird und sie Entschädigungen erhalten können", betonte eine Sprecherin. Der sozialistische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero sagte, er respektiere den Vorstoß des Richters.

Demgegenüber lehnte die konservative Volkspartei (PP) die Initiative ab. "Ich bin nicht dafür, Wunden der Vergangenheit neu zu öffnen", sagte PP-Chef Mariano Rajoy. "Wir sollten stattdessen in die Zukunft blicken." Die PP war bislang auch dagegen, die Franco- Diktatur als ein Unrechtsregime zu verurteilen. Die rechtsliberale Zeitung "El Mundo" warf Garzón vor: "Der Richter ermittelt nur die Morde des Franco-Lagers im Bürgerkrieg, aber nicht die der Gegenseite der Republikaner."