Eine Mehrheit der Menschen auf dieser Insel hat ein klar definiertes Bild von Party-Touristen: Sie treten im Rudel auf, und wenn der Oberkörper überhaupt bedeckt ist, dann meist von einem Einheits-T-Shirt mit aufgedruckter Saufparole. Man sieht ihnen schon am Flughafen an, was sie auf Mallorca so vorhaben. Wenn man sich ihrem Territorium nähert, dann bestenfalls, um soziologische Studien zu betreiben oder weil man als Lieferant alkoholischer Getränke keine andere Wahl hat. Und gelegentlich fällt einer vom Balkon.

Mit Rauch-, Lärm- und Trinkverboten signalisieren auch die Behörden, dass sie das alles so nicht wollen. Doch nüchtern betrachtet, und mit dem Kater eines dramatischen Urlauberschwundes noch frisch in den Knochen, ist der Sangría- und Disco-Tourist Teil einer Erfolgsgeschichte.

„Die Verordnungswelle hat den Party-Tourismus in keiner Weise gebremst, die Fiesta geht weiter", sagt Raimundo Alabern, Ex-Direktor der balearischen Tourismuswerbung, der heute mit seiner Firma Séptima Touristikunternehmen berät. Das bedeutet, dass die Beliebtheit Mallorcas unter Party-Urlaubern ungebrochen ist, auch wenn in manchen Zonen – besonders den Hochburgen britischer Touristen – in diesem Jahr noch keine rechte Fiesta-Stimmung aufkommen will.

„Diese Marktnische wird immer wichtiger", sagt Toni Munar, Direktor des in Auflösung begriffenen Touristik-Strategie-Instituts Inestur. „Die Nachfrage konzentriert sich auf Orte, an denen der Besucher eine breite Auswahl an Lokalen und gute ergänzende Angebote vorfindet." Genau darin sei Mallorca stark, wenn auch nicht allein.

Selbst aus einer ökologischen Perspektive heraus betrachtet ist der Ballermann-Tourismus besser als sein Ruf, wie schon vor einiger Zeit Thomas Schmitt von der Universität Bochum in einer Studie nachwies. Er verglich Qualitäts- und Massentourismus und entzog der Edelvariante das grüne Etikett: Der Qualitätstourismus richte – gemessen an den Auswirkungen pro Gast – im Landschaftsbild größere Schäden an.

Zudem ist der Party-Tourismus eine der wenigen Sparten, in denen Mallorca gegenüber aufstrebenden Billigzielen einen Wettbewerbsvorteil genießt. In ­islamischen Ländern spaziert man nicht mit Sangría-Kübel und barbusig über den Strand. Wobei Munar einschränkt: „Man darf nicht davon ausgehen, dass wir immer das freizügigere Reiseziel bleiben werden. Es ist nicht so lange her, da wurden hier Touristinnen im Bikini von der Guardia Civil bestraft. Eine solche Entwicklung hin zu mehr Freizügigkeit ist auch woanders denkbar."

Doch wie verträgt sich der lautstarke und nicht immer jugendfreie Après-Beach-Tourismus mit einem anderen für die Insel wichtigen Segment: den Familien? Kein Problem, meint Alabern. „Man muss nur dafür sorgen, dass beide nicht aufeinandertreffen." Dabei stellt der Touristik­experte eine interessante Beobachtung an: Obwohl Mallorca dem Urlauber eine immens vielfältige Produktpalette bietet, bleiben die meisten in ihrem Revier – die Golfer in den Golfhotels, die Kulturfans in Palma, die Naturliebhaber auf dem Land, die Familien am Familienstrand und die Ballermänner am Ballermann.

Trotzdem sei es wichtig zu wissen, dass man aus seinem Segment jederzeit „ausbrechen" kann – ein Museum besuchen, auf einen Berg kraxeln, die Natur genießen oder richtig abfeiern. Alabern nennt es die „Sekundärmotivation" für die Wahl Mallorcas als Reiseziel. Auch warnt der Experte davor, Party- mit Billigtourismus gleichzusetzen. „An der Playa de Palma gibt es auch Vier-Sterne-Hotels."

Und vor allem gibt es Atmo-s­phäre. Oliver (32) aus dem Saarland, der regelmäßig mit Freunden oder seinen Fußballkameraden zum Strand-Spaß-Urlaub an den Ballermann kommt, hat es einmal woanders probiert, am Balaton in Ungarn. „Aber dort hat das Party-Ambiente gefehlt." An der Playa de Palma hingegen passe alles zusammen. Man komme ohne Fremdsprachen aus, das Wetter sei gut und das Hotel liege nur wenige Schritte vom Meer und den Vergnügungstempeln entfernt.

Junge Gäste wie Oliver gibt es viele, beobachtet Michael Bohrmann, Betreiber des Restaurants „Deutsches Eck" in der Bierstraße. Hingegen würden die ausgabefreudigen Kegelclubs, die meist im September anrückten, langsam aussterben.

Trotz kleiner Reisebudgets ist der Ansturm junger Touristen langfristig gesehen eine potenzielle Goldgrube. Statistiken verraten, dass Besucher, die Mallorca einmal entdeckt haben, der Insel mit höherer Wahrscheinlichkeit treu bleiben, als dies bei anderen Reisezielen der Fall ist. Und sie kommen auch dann zurück, wenn sie eine andere Art Urlaub suchen. Party-Urlauber etwa wechseln einfach vom Sause-Segment in ein anderes über.

Bestätigt wird das von Touristikern, die ganz nah dran sind. So erzählt Manuel Segovia, Direktor des Hotels Florida in Magaluf, dass er schon öfter Paare begrüßt hat, die sich bei einem Party-Urlaub in seinem Betrieb kennengelernt hatten. „Manchmal kommen sie sogar mit ihren Kindern, obwohl wir ja nicht das typische Familienhotel sind." Insofern funktioniert der Party-Tourismus als Einstiegsangebot für junge Touristen, die sich von Mallorca nur Strand und Sause erwarten, aber trotz ihrer Umnebelung feststellen, dass die Insel auch auf anderen Gebieten brilliert.

Vielleicht bringen neue Angebote Schwung in eine Branche, die sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen scheint. Etwa das „Mallorca Rocks" in Magaluf, ein von Briten für Briten gestaltetes Musikhotel. Alabern lobt das Konzept als „sehr positiv", weil „klar differenziert".

Allerdings hat der Party-­Urlaub ein Imageproblem. Vielleicht erklärt das die Skepsis von Touristikern wie Francisco Marín, Vorsitzender der Hoteliersvereinigung der Playa de Palma, der meint: „Fördern muss man das wirklich nicht." In den Monaten Mai, Juni und September seien 90 Prozent der Touristen in seiner Gegend Party-Urlauber, „das ist schon genug". Und Gerald Arnsteiner, Geschäftsführer des Ballermann-Epizentrums Mega-Park, hält es sogar für „gefährlich, Mallorca auf Fete zu reduzieren". Ins selbe Horn stößt Susanna Sciacovelli, Noch-

Direktorin des Noch-Tourismusförderinstituts Ibatur: Die Werbung solle sich auf andere, weniger bekannte Angebote konzen-trieren wie etwa Golf.

Bohrmann kommentiert das ironisch: „Was sind 20 Golfer, wenn sie alleine sind? Die brauchen auch das normale Volk, auf das sie herabschauen können." Richtig ist, dass die Party-Marke Mallorca auch ohne bezahlte Werbung brummt, unter anderem weil regelmäßig Mallorca-Mega-Feten in Deutschland gratis Propaganda machen. Was aber nur ein zusätzliches Argument wäre, sich um diesen Kundenkreis doch etwas mehr zu bemühen.

In der Printausgabe vom 27. März lesen Sie außerdem:

- In Magaluf eröffnet das Musikhotel "Mallorca Rocks"

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