Zum zweiten Mal hat es die Elite-Schiedsrichter des Deutschen Fußball-Bundes in diesem Jahr nach Mallorca ins Wintertrainingslager verschlagen. Seit Dienstag (20.1.) und noch bis Sonntag stehen Videoanalysen von Partien aus der Hinrunde und Kurzvorträge ebenso auf dem Programm wie Dauerläufe und Fitnesseinheiten auf dem Fußballplatz. Im Hilton Hotel Sa Torre, das für den DFB-Tross seine Winterpause unterbrochen hat, lässt man sich nicht lumpen. Eigens für die 71 Unparteiischen aus der Ersten und Zweiten Liga und deren Assistenten wurde auf dem Fußballplatz ein neuer Rasen angesät. Der Vorsitzende der DFB-Schiedsrichterkommission, Herbert Fandel, empfing die MZ am Mittwoch (21.1.).

Was hat nach 2014 diesmal wieder für einen Aufenthalt auf Mallorca gesprochen?

Wir haben das komplette Hotel für uns und können daher in Ruhe arbeiten. Schließlich müssen wir die Schiedsrichter auf eine stressige Rückrunde vorbereiten.

Was macht diese Rückrunde stressiger als andere?

Schauen Sie nur mal auf die Tabelle, es stehen einige Traditionsclubs ganz unten. Das heißt für die Schiedsrichter, dass sehr viele Emotionen im Spiel sein werden. Diese besonderen Emotionen zu managen,ist eine große Aufgabe.

Wird nun Mallorca ein festes Ziel für die kommenden Jahre?

Es könnte schon sein, dass wir auch in den kommenden Jahren hierher kommen. Wir finden hier ideale Bedingungen vor. Und natürlich spricht vor allem auch das Wetter dafür. Hier können wir fast den ganzen Tag draußen trainieren.

Im vergangenen Jahr gab es in der Vorrunde- neben anderen schweren Fehlentscheidungen - mit dem sogenannten Phantom-Tor einen besonders gravierenden Fall. Diesmal sieht die Zwischenbilanz besser aus. Trotzdem sehen Sie Optimierungsbedarf bei einer einheitlichen Regelauslegung. Wie soll das erreicht werden?

Unser Ziel muss es sein, uns auf einem möglichst engen Entscheidungskorridor zu bewegen. Wir müssen den Schiedsrichtern einen möglichst genauen Weg vorzeigen, wie sie in welchen Szenen zu entscheiden haben.

Wie macht man das?

Indem wir uns gemeinsam immer wieder Szenen von verschiedenen Spielsituationen anschauen, die alle mit der gleichen Entscheidung enden müssten. Wir arbeiten zum Beispiel aus zahlreichen Videos Parameter heraus, wann etwa auf Strafstoß entschieden werden muss.

In solchen Situationen würde doch der Videobeweis helfen, gegen den sich die Verantwortlichen aber weiterhin wehren.

Mir soll erst einmal jemand erklären, was dieser Videobeweis wirklich für Vorteile bringt. Der Fußball würde sich aus meiner Sicht verändern. Außerdem sind viele Situationen selbst bei Videoanalyse nicht eindeutig zu entscheiden. Beweis heißt, etwas eindeutig zu entscheiden. Aber das geht im Fußball eben nicht immer.

Die Torlinien-Technik soll aber trotzdem kommen €

Diese Entscheidung finde ich gut. Wir als Schiedsrichter haben uns sowieso nie dagegen gewehrt, es waren eher die Vereine. Aber auch die haben sich schließlich dazu durchringen können.

Wie sieht ihre erste Bilanz mit dem Freistoß-Spray aus, das in dieser Saison zum ersten Mal zum Einsatz kommt?

Das hat sich wirklich gut bewährt. Statistisch gesehen fallen durch den Einsatz des Sprays sogar mehr Tore. Es ist also ein Gewinn für die Bundesliga.

Die Wettaffäre um Schiedsrichter Robert Hoyzer jährt sich dieser Tage zum zehnten Mal. Können Sie garantieren, dass solche Fälle der Vergangenheit angehören?

Garantieren kann man im Fußball nichts. Schiedsrichter sind alle Menschen, die Fehler machen. Aber der Fußball hat seine Lehren daraus ­gezogen und den Fall transparent aufgearbeitet. Seitdem hat sich viel verändert, es gibt inzwischen sehr gut funktionierende Systeme etwa zur kurzfristigen Einsetzung der Schiedsrichter vor den Partien. Aber wir müssen natürlich weiterhin

sensibel für das Thema bleiben.

Ein anderes Problem, das vor allem die unterklassigen Ligen betrifft, ist Gewalt gegen Schiedsrichter. Wie gehen Sie damit um?

Ich bin ja zuständig für den Elitebereich der Schiedsrichter, wo solche Angriffe im Grunde nicht vorkommen. Die Landesverbände kommen damit eher in Berührung. Aber ich betrachte das schon mit Sorgen, auch wenn ich diese Angriffe für ein gesellschaftliches Problem und nicht für ein Problem des Fußballs halte.

Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus ist inzwischen beinahe ein Politikum. Viele fordern seit Jahren ihren Aufstieg in die Bundesliga. Nervt Sie dieser Hype?

Aus meiner Sicht ist das in weiten Teilen vor allem ein medialer Meinungszirkus. Schließlich haben wir eine unabhängige Schiedsrichterkommission, die die Leistungen der Unparteiischen bewertet. Ich betone noch einmal: Ausschließlich die Leistung ist entscheidend, weder die Hautfarbe noch das Geschlecht. Aber persönlich habe ich kein Problem mit dem Thema. Im Gegenteil: Ich freue mich über jede Frau im Bereich der Eliteschiedsrichter.