Eine scheinbar harmlose Mode von Ausflüglern und Urlaubern auf Mallorca hat schädliche Folgen für die Natur: Experten des balearischen Umweltministeriums warnen vor dem Aufhäufen von Steinmännchen. Wem die Häufchen gefielen, solle sie doch lieber zu Hause machen, raten die Mitarbeiter in einem Tweet. "Betrachten, flanieren, genießen - aber die Küste so lassen, wie sie ist!".

Die pyramiden­artigen Steinhaufen sind besonders am Kap von Ses Salines zu finden. Auf Mallorquinisch werden sie caramulls genannt, und es sind vor allem Urlauber, die sie aufschichten und auch als Fotomotive wertschätzen. Rund um den Leuchtturm von Ses Salines sind regelrechte Bauwerke entstanden. Teils wurden sogar Trockensteinmauern abgebaut, um die Brocken an anderer Stelle wieder aufzutürmen.

Dabei sind sich die wenigsten Türmebauer bewusst, dass sie in ein empfindliches Ökosystem eingreifen, wenn sie Steine von ihrem ursprünglichen Platz entfernen. So gehe nach und nach Lebensraum für Insekten oder auch Pflanzen verloren, die an diese Art von Oberfläche angepasst seien, wird gewarnt.

Der Lebensraum direkt am Meer ist nicht ohne. Nur wenige Arten kommen mit dem hohen Salzgehalt, der großen Trockenheit und gleichzeitig dem starken Wind zurecht. Dazu gehören etwa die für Mallorca charakteristischen Eidechsen, verschiedene Vogel­arten, Spinnen, Ameisen aber auch Pflanzen wie der Meerfenchel, der lediglich auf den Balearen heimische Strauch socarrell oder das in immer größere Bedrängnis geratene Bleiwurzgewächs Limonium, zu Deutsch Strandflieder, mit seinen zahlreichen Unterarten.

Viele Arten suchen unter den lose auf den Felsen am Meer liegenden Steinen eine Brutmöglichkeit oder Zuflucht vor Angreifern. Ein ganzes Ökosystem werde durch die Mode der Steintürme unnötig in Gefahr gebracht, auch weil die Touristen beim Bau durch hoch sensibles Gebiet trampeln und dabei diesen Lebensraum weiter zerstören. Auch der Boden selbst leide durch die Attacken der ­bauwütigen Steinaufschichter. Die feinen Gesteinsschichten, die unter den losen Steinen liegen, würden dann Wind und Regen schutzlos ausgesetzt, warnen Umweltschützer.

Die Vereinigung Terraferida (Verletzte Erde) auf Mallorca hatte deshalb bereits einen Hilferuf abgesetzt, der schon fast beleidigt klingt. „Jetzt, wo wir es endlich geschafft haben, die aggressive Bebauung der Küste einzuschränken, sind es die eigentlich für dieses Thema sensibilisierten Menschen, die die Felsküste mit den Steinhaufen schädigen und so die Landschaft verändern."

Die auf der Insel und inzwischen in vielen Teilen der Welt in Mode gekommenen Häufchen orientieren sich an Steinbauten mit spirituellem Hintergrund in Nepal. Die buddhistischen Mönche errichten dort aus Steinen, die mit farbigen Inschriften versehen sind, kleine Türmchen. Beim Gebet umrunden die Mönche die Türme im Uhrzeigersinn. Auf Mallorca gibt es diesen tieferen Sinn nicht. Die Mode hat sich nicht nur an der Küste, sondern auch in der Serra de ­Tramuntana ausgebreitet. Dort werden Wanderwege seit jeher mit caramulls gekennzeichnet, und die Produkte spontaner Bautätigkeit führen nun manch Wanderer in die Irre.