Nachmittägliche Talk-Runde im öffentlich-rechtlichen Radiosender IB3 auf Mallorca: Das Thema ist der Anstieg der Immobilienpreise auf den Balearen. Schnell sind die Teilnehmer - ein Unternehmer, ein Journalist und ein Anwalt - bei der Ferienvermietung angelangt, die die Preise treibt. Und schnell läuft auch das Hörertelefon heiß: Da beklagt sich ein berufstätiger Vater aus Campos darüber, dass sein erwachsener Sohn nicht von zu Hause ausziehen kann, weil er keine bezahlbare Wohnung mehr findet; da beschwert sich ein Anwohner der Siedlung Son Verí Nou in Llucmajor über lärmende Partyurlauber und die Untätigkeit der Polizei; da ärgert sich eine Frau aus Colònia de Sant Pere darüber, dass die Ruhe in dem einst beschaulichen Küstenort für immer dahin scheint.

Weitere Anrufer warten in der Leitung, der Moderator aber muss aus Zeitgründen abbrechen. „Der Tourismus ist zu einem Problem geworden. Wenn hier nicht bald etwas geschieht, kommt es zu einem gewaltigen Knall", warnt der Unternehmer Tolo Servera, einer der Teilnehmer der Talk-Runde.

Kippt die Stimmung tatsächlich? Wird die Urlaubsinsel Mallorca des Tourismus überdrüssig? Es gibt Anzeichen dafür. Sichtbare wie neue Graffitis gegen die Ferienvermietung an Häuserwänden in Palma oder die Demonstration, bei der im Mai rund 200 Menschen - mit Rollkoffern, weißen Socken und Sandalen als Urlauber verkleidet - gegen den Massentourismus auf die Straße gingen. Vor allem aber hörbare: kaum ein Gespräch mit Inselbewohnern, in denen nicht laut über den großen Andrang gestöhnt wird.

Verantwortliche in der Tourismusbranche wollen von einem Stimmungsumschwung in der Gesellschaft dennoch nichts hören. „Es ist nur eine ganz geringe Minderheit, die so denkt", betont Eduardo Gamero, Vorsitzender des Fremdenverkehrsverbands Fomento im Gespräch mit MZ. „Es hat sich rein gar nichts an der Stimmung geändert, fast jeder hier weiß, dass der Tourismus für die Inselwirtschaft fundamental ist."

Den Kontrollverlust durch die irreguläre Ferienvermietung sieht Gamero nur als Nebenaspekt. „Natürlich muss die Politik da regulieren. Aber wichtiger ist, dass sie den Urlaubern, egal wie viele es sind, das Gefühl gibt, hier willkommen zu sein und einen angenehmen Aufenthalt verbringen zu können. Und das geht nur, wenn die Infrastruktur intakt ist", findet er.

Probleme mit der Infrastruktur sind tatsächlich nicht zu leugnen: die überfüllten Parkhäuser in Palmas Altstadt, die Staus auf den Autobahnen, die Müllberge in Sa Calobra und am Es Trenc, das Parkplatzchaos an abgeschiedenen Buchten wie der Cala Varques. Mallorca hat Mühe, mit dem Andrang fertig zu werden. Hinzu kommt der anschwellende Ärger über die Party-Touristen - jüngstes Beispiel ist die Cala Agulla bei Cala Ratjada. „Es hat schon immer lärmende, rüpelhafte, randalierende Touristen gegeben. Aber umso größer die Gesamtzahl der Urlauber, desto größer die Zahl derer, die sich daneben benehmen", kommentiert der britische Journalist Andrew Ede im „Majorca Daily Bulletin".

Zwischen 2010 und 2016 hat sich die Zahl der Mallorca-Urlauber von fast sechs auf elf Millionen fast verdoppelt, wie erst kürzlich im

„Diario de Mallorca" nachzulesen war. „Natürlich merken die Bewohner diese Veränderung, gerade in den vergangenen zwei Jahren. Und die meisten stehen dem kritisch gegenüber", sagt Jaume Adrover von der im Netz agitierenden Umweltgruppe Terraferida. Vor allem im Sommer müsse man sich ständig einschränken und bestimmte Strände oder Ortszentren meiden. „Dass es in Magaluf schrecklich ist, war immer klar. Aber mittlerweile muss man sich auf der ganzen Insel einschränken", sagt Adrover, der auch der häufig formulierten Forderung nach mehr Qualitätstourismus widerspricht: „Die Partyurlauber an der Playa de Palma bleiben wenigstens in der Nähe ihrer Hotels. Wollen wir wirklich, dass sie auch bald alle mit Leihwagen über die ganze Insel fahren?"

Und noch ein Mantra der Tourismuspolitik steht mittlerweile zur Diskussion: die seit Jahren beschworene und von der derzeitigen Landesregierung unter dem Slogan „Better in Winter" beworbenen Ausweitung der Nebensaison. „Damit verlagern wir die Probleme des Sommers auf den Winter", warnt die Umweltdezernentin des Inselrats Sandra Espeja (Linkspartei Més). Lasst uns die Nebensaison, so denken mittlerweile nicht wenige, um uns von dem Touristress der Hauptsaison erholen zu können.

Über solche Ansichten kann Tolo Servera vom Unternehmerverband Afedeco nur den Kopf schütteln. Eine Regulierung der Ferienvermietung hält er für richtig und wichtig, gleichzeitig fürchtet er jedoch, dass tourismusfeindliche Tendenzen - vor allem durch schlechtes politisches Management, aber auch der Agitation von Gruppen wie Terraferida - en Touristenströmen und somit der Wirtschaft schaden können. „Ich habe schon zweimal erlebt, wie der Tourismus von heute auf morgen eingebrochen ist und massenweise Arbeitsplätze verloren gingen, weil Unternehmen schließen mussten", sagt er. Es möge ja sein, dass es wirtschaftliche Alternativen zum Tourismus auf der Insel gebe. „Aber entdeckt haben wir sie noch nicht."