Zwei Dinge fallen sofort auf: Antoni Noguera fühlt sich in der Höhe nicht wohl. Als der Fotograf den künftigen Bürgermeister von Palma de Mallorca an das Geländer des sechsstöckigen Verwaltungsgebäudes an den Avenidas bittet, weigert er sich höflich, aber bestimmt. Und zweitens: Der 37-Jährige hat im Umgang mit der Presse bereits auf den Modus Stadtoberhaupt umgeschaltet. Der bisherige Baudezernent der Stadt Palma von der grün-regionalistischen Partei Més antwortet im Gespräch mit der MZ nicht mehr so auf den Punkt wie früher, sondern holt oft weiter aus. Noguera, bisher durchaus für den ein oder anderen markigen Spruch bekannt, wechselt am Freitag (30.6.) das Amt und folgt auf dem Posten des Rathauschefs auf José Hila von den Sozialisten, der die beiden ersten Jahre der Legislaturperiode regieren durfte.

Herr Noguera, nach zwei Jahren Wartezeit dürfen Sie jetzt ran. Was erwartet die Palmesaner unter Ihrem Mandat?

Ich will ein modernes Palma, ein grünes Palma und ein Palma mit einer breit aufgestellten Wirtschaft, die auch in anderen Bereichen als nur im Tourismus stark ist. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren begonnen, das Fundament für ein neues Stadtmodell zu legen und wollen das so weit wie möglich bis 2019 vorantreiben.

Was meinen Sie damit konkret?

Wir haben einige vorrangige Anliegen: Zum einen die Mobilität. Daran zeigt sich, ob eine Stadt modern ist oder nicht. Dazu gehören in Palma mehr Fußgängerzonen und die Verkehrsberuhigung des Paseo Marítimo. In puncto wirtschaftlicher Entwicklung legen wir erstens einen Schwerpunkt auf das neue Viertel Nou Llevant neben dem Kongresszentrum. Das Viertel soll zu einem kreativen Hotspot werden. Zweitens soll die Wassersportbranche gefördert werden, die viele hoch qualifizierte Arbeitsplätze bietet. Und wir müssen den kleinen Einzelhandel und die Kulturindustrie unterstützen.

Wenn man am Paseo Marítimo, wie geplant, je eine Spur pro Richtung wegnimmt, wird es noch mehr Staus geben.

Man muss sich immer mal wieder vor Augen halten, dass der Paseo Marítimo eigentlich eine Autobahn ist, die erste, die in Spanien gebaut wurde. Aber das ist für eine harmonische Verbindung der Stadt mit dem Meer und dem Hafen kontraproduktiv. Wir wollen den Paseo Marítimo in eine der besten Strandpromenaden in Europa verwandeln, auf dem die Bürger nicht mehr vorrangig mit dem Auto unterwegs sein sollen.

Sehen Sie in ferner Zukunft einen autofreien Paseo Marítimo?

Ich glaube, ganz autofrei bekommen wir ihn nicht. Das ist sehr ambitioniert. Aber wir können trotz der Autos einen breiten Boulevard für Fußgänger und Radfahrer anlegen.

Eines Ihrer Steckenpferde ist der neue Stadtwald im Viertel Es Fortí. Wie sieht hier der Zeitplan aus?

Bis Ende des Jahres sollen alle Bäume angepflanzt sein. Wir brauchen diese grüne Lunge neben dem Wert als Naherholungsgebiet auch im Kampf gegen den Klimawandel. Es gab bisher in Palma viel zu wenige Parks.

Beim Thema Ferienvermietung sind Sie mit einem großflächigen Verbot vorgeprescht. Wollen Sie weiterhin ein Verbot für ganz Palma, mit Ausnahme von maximal zwei Monaten im Jahr?

Wir müssen ein Gleichgewicht zwischen Urlaubern und Einwohnern in Palma schaffen. Ich glaube, es ist ein guter Kompromiss, wenn jeder seine eigene Wohnung für die Zeit vermieten kann, in der er selbst nicht daheim ist. Schauen Sie, es wird in diesem Sommer allein in Palma schätzungsweise 25.000 Gästebetten in der Ferienvermietung geben. Da müssen wir eine Grenze ziehen. Airbnb oder Homeaway haben sich in den vergangenen drei Jahren so sehr breitgemacht, dass die Städte hier eingreifen müssen, nicht nur Palma.

Sie wollen vielen Bürgern in schwierigen Zeiten eine wertvolle Einkommensquelle wegnehmen.

Natürlich trifft es auch Leute, die die Ferienvermietung auf kleinem Niveau betreiben, das ist mir klar. Aber ein großer Teil der Wohnungen befindet sich in den Händen von wenigen Unternehmen, die daran gut verdienen und nebenbei das touristische Modell einer Stadt gravierend verändern. Wir wissen, welche großen Firmen das Geschäft unter sich ausmachen. Es sind Global Player aus Spanien, aber auch aus Deutschland, England, Schweden - eben aus den Herkunftsländern der Urlauber.

Welche Gefahren gehen von dieser Art des Tourismus aus?

Wir haben seit ein paar Jahren das Problem der Gentrifizierung in der Altstadt. Das ist zwar nicht schön, aber die Touristifizierung, wie ich sie nenne, ist dann doch deutlich schädlicher. An vielen Orten wird die einheimische Bevölkerung durch Urlauber ersetzt. Es besteht die Gefahr, dass sich einzelne Gegenden oder auch ganze Viertel in Palma in eine Art Themenpark verwandeln.

Haben Sie nicht jetzt schon teilweise das Gefühl, in der Altstadt durch eine Art Disneyland zulaufen?

Wenn ich im Zentrum spazieren gehe, fühle ich mich zuallererst einmal privilegiert, dass es in Palma einen der größten historischen Altstadtkerne in Europa gibt. Aber ich nehme gleichzeitig wahr, dass es oft sehr überlaufen ist, und dass sich die Struktur des Einzelhandels stark verändert. Aber trotz allem: Der Urlauber hat ja nicht die Schuld an diesem Tourismusmodell. Jetzt ist eben die Politik gefragt, wie sie hier eine Regelung finden kann. An der Playa de Palma etwa werden gerade wichtige Weichen gestellt, die Hoteliers haben viele Millionen in Verbesserungen investiert. Jetzt ist es an der Stadt und den zuständigen Stellen, die Infrastruktur in der Umgebung um die Hotels aufzuwerten.

Trotz mehr Polizeipräsenz und strenger Regeln: An der Playa geht es in diesem Jahr heftiger zu als in vergangenen Jahren. Massenschlägereien, Zwischenfälle mit Rechtsradikalen, wie wollen Sie das in den Griff bekommen?

Ich weiß es nicht (denkt länger nach). Die Deutschen sind doch ein zivilisiertes Volk! Deshalb möchte ich gerne eine Botschaft aussenden: Es kann doch nicht sein, dass hier Leute herkommen und Dinge tun, die sie in ihrem Heimatland niemals tun würden. Man muss es ja betonen: Es geht nur um eine kleine Minderheit von Leuten. Aber die können wirklich gerne zu Hause bleiben, wenn es nach mir geht. Ich kann mir gut vorstellen, dass es für viele Deutsche eine Schande ist, wie sich einige ihrer Landsleute auf Mallorca aufführen.

Packt Sie manchmal eine Deutschen-Phobie, wenn Sie an der Playa de Palma unterwegs sind?

Mich nicht, aber wiederholte Vorfälle könnten dazu führen, dass sich bei manchen Menschen eine Abneigung gegen Deutsche einstellt, die natürlich ungerecht und auch völlig ungerechtfertigt ist. Ich bin dafür, dass wir das Problem offensiv angehen und mit deutschen Stellen zusammenarbeiten. Warum denn auch nicht? Das ist eine gemeinsame Aufgabe, wir können das nicht alleine übernehmen. Mehr Benehmen einzufordern, das muss auch von den deutschen Institutionen unterstützt werden.

Ein wiederkehrendes Problem, auch an der Playa de Palma, ist der viele Müll, der auf den Straßen der Stadt herumliegt. Wie wollen Sie der Müllberge Herr werden?

Zurzeit investieren die Stadtwerke eine große Summe in Ausrüstung und Fuhrpark (siehe rechts, Anm. d. Red.). Dazu müssen wir ständig die Prozesse weiter verbessern und vor allem in großem Stil für mehr Bürgersinn werben. Ein wichtiges Thema sind aber auch hier die Urlauber. Denn es ist etwas anderes, eine Müllabfuhr für 430.000 Einwohner von Palma zu organisieren als für bis zu eine Million Menschen, wenn man die Besucher hinzurechnet.

Treten Sie zurück, wenn Sie doch wegen der umstrittenen Auftragsvergabe an Jaume Garau von der Justiz beschuldigt werden?

Das ist etwas, worüber ich überhaupt nicht nachdenke, denn alles an diesen Verträgen war legal.