Wenn sich Natalia Alonso in eines der Fahrschulautos setzt, hat sie jedes Mal ein mulmiges Gefühl. Sie ist staatlich zertifizierte Fahrprüferin und Staatsangestellte bei der Verkehrsbehörde Dirección General de Tráfico auf Mallorca. Fünf größere Unfälle hat Alonso bereits miterlebt, weil Prüflinge nicht aufmerksam waren oder schlicht zu wenig Fahrkenntnisse hatten. Als die MZ sie auf dem Handy erreicht, ist sie gerade beim Arzt. „Ich will einen Antrag auf Frührente stellen, nach all diesen Unfällen", erklärt sie.

Alonso, die auch der balearischen Fahrprüfer-Vereinigung Asextra vorsitzt, ist bei Weitem nicht die Einzige unter ihren Kollegen, die unter den Arbeitsbedingungen leidet. Rund 80 Prozent aller examinadores in Spanien sind seit Juli im Streik. Montags, dienstags und mittwochs bieten sie nur noch rund 50 Prozent aller Fahrprüfungen an. Zunächst war geplant, dass ab dem 4. September ein durchgängiger fristloser Streik beginnen sollte. „Aber so weit ist es dann doch nicht gekommen", so Alonso.

Auf den Balearen nahmen die Fahrprüfer in den vergangenen Wochen ohnehin nicht an den Protesten teil. „Nicht, weil wir sie nicht unterstützen", so Alonso, „sondern weil die Wartezeiten für die Fahrschüler auf den Balearen ohnehin schon sehr lang sind".

„Und wie", schimpft Antònia Català. Die Vorsitzende des Verbands der Fahrschulen auf den Balearen (Aba) fürchtet sich geradezu davor, dass die Prüfer sich doch noch entscheiden könnten, in den Teilzeitstreik einzusteigen. Denn vom Zeitpunkt, in dem sich ein Fahrschüler für eine Prüfung anmeldet, bis hin zum praktischen Examen vergehe auf den Inseln deutlich mehr Zeit als auf dem Festland. „Der spanische Durchschnitt liegt bei 15 Tagen. Auf den Balearen war es seit 2012 etwa ein Monat." Momentan liege die Wartezeit sogar bei 2,5 Monaten. „Für die Fahrschüler ist das sehr schlecht, es schadet ihrer Ausbildung", meint Català. Denn vor der praktischen Prüfung sollte man fast täglich fahren üben, „um am Ball zu bleiben". Eine lange Unterbrechung werfe viele Fahrschüler aus der Bahn. „Wenn die Prüfer jetzt auch noch streiken würden, dann kämen wir gar nicht mehr mit den Prüfungen hinterher."

Vor allem im Sommer steige stets die Zahl der Anmeldungen in den Fahrschulen, so Català. „Viele nutzen ihre Ferien, um Führerscheine zu machen." Doch die Wartezeiten schreckten ab. „Hinzu kommt noch die Wirtschaftskrise, die die Anmeldezahlen in den Keller gehen ließ. Viele Schulen mussten schließen." Noch gravierender als der Rückgang der Fahrschüler sei aber der der Prüfer. „Und gerade auf den Inseln werden wir benachteiligt." Elf Fahrprüfer sind auf den Balearen gemeldet, einer davon ist jedoch gerade in Frührente gegangen, einer ist dauerhaft krankgeschrieben - auch wegen Unfällen - und ein weiterer kann aufgrund von gesundheitlichen Problemen nur noch theoretische Prüfungen abnehmen. Bleiben nur acht Vollzeitprüfer. „In Sevilla kommen auf die gleiche Einwohnerzahl 44 Prüfer. Das ist doch ungerecht", so Antònia Català.

„Klar sind wir zu wenig, aber es will ja auch niemand mehr Fahrprüfer werden. Uns fehlt der Nachwuchs", erklärt Prüferin Natalia Alonso. Die Gründe sind für sie eindeutig: „Wir bekommen deutlich weniger Geld als Beamte, die im Büro sitzen. Dabei ist unser Job viel gefährlicher. Früher war das ganz anders." Etwa 1.400 Euro überweist der Staat den Fahrprüfern am Ende des Monats aufs Konto. „Aber schon vor zehn Jahren wurde uns eine Erhöhung versprochen", so Alonso. Spanienweit fordern die Fahrprüfer seitdem rund 180 Euro pro Monat mehr. Ebenso wie zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen und besseren Versicherungsschutz. Vieles habe sich mit der Zeit sogar verschlechtert. Die examinadores seien in der Gehaltsklasse heruntergestuft worden. „Und früher mussten Fahrschüler vor der Prüfung zumindest acht praktische Übungsstunden ableisten. Heute können sie sich einfach zur Prüfung anmelden, ohne je mit einem Fahrlehrer gefahren zu sein." Das sei nicht nur für die Insassen im Prüfungsauto riskant, sondern auch für alle anderen Verkehrsteilnehmer. „Und sogar Weiterbildungen werden uns verweigert", schimpft Alonso.

Wenn man ihr zuhört, bekommt man das Gefühl, dass sie nichts lieber tun würde, als gemeinsam mit den Kollegen vom Festland zu streiken - obwohl das die Wartezeiten für die Fahrschüler noch einmal erhöht. „Vielleicht tue ich das auch. Aber wenn, dann spontan."