Nein, die Zeitschrift „Der Wachturm" verteilen Teresa Ferriol und Joan Puigserver nicht. Dennoch hat ihre Arbeit viel mit den Zeugen Jehovas gemeinsam. Sie gehen von Tür zu Tür, bitten um Aufmerksamkeit und versuchen, das Gegenüber von ihrer Sache zu überzeugen. Im Fall der zwei Mallorquiner ist das das Verbot von Plastiktüten in Palmas Einzelhandel.

Anfang Oktober haben sich die Stadtverwaltung und der Einzelhandelsverband Afedeco darauf geeinigt, ab dem 1. Januar 2019 die Ausgabe von Plastiktüten zu verbieten. Damit die Geschäfte bis dahin ihre Lager geleert haben und über Alternativen Bescheid wissen, hat das Rathaus gemeinsam mit den Stadtwerken Emaya die Initiative Desembossa't del plàstic (Werd' das Plastik los) ins Leben gerufen. Die persönliche Beratung durch zwei Emaya-Mitarbeiter ist ein Teil davon. Und da kommen Teresa Ferriol und Joan Puigserver ins Spiel.

Seit einem Monat sind sie von Montag bis Freitag auf den Straßen Palmas unterwegs und klappern die Geschäfte ab. Ob Tabakladen, Fleischerei, Obsthändler oder Kleidungsgeschäft, niemand wird ausgelassen. „Nur in Bars gehen wir nicht hinein. Da ist klar, dass keine Plastiktüten verkauft werden", sagt Ferriol.

Die MZ begleitet die Emaya-Mitarbeiter zu einer Schicht. Heute steht der Carrer de Bonaire an, eine Nebenstraße von Palmas Einkaufsmeile Jaume III. Los geht es in der Bäckerei Forn Bonaire. „Zu Beginn sagen wir immer, dass wir von Emaya kommen. Denn die meisten Händler glauben, dass wir ihnen etwas verkaufen wollen, wenn sie uns mit den Klemmbrettern sehen", hatte Ferriol uns vorab erzählt. Die Bäckerin ist freundlich und begeistert sich für das Thema. „Das finde ich toll! Erst ab 2019? Ich würde das Verbot sofort einführen."

Für die Backwaren selbst nutzt sie Papiertüten. Diese können auf Wunsch des Kunden in eine Plastiktüte gepackt werden. „Wenn ich den Leuten dann aber sage, dass die Tüte etwas kostet, wollen viele schon keine mehr." Bei einem Einkauf von einem Croissant für 1 Euro würde die Tüte den Preis merkbar erhöhen. „Anders ist das, wenn man Kleidung für 100 Euro kauft. Da fallen die paar Cents für die Tüte nicht so ins Gewicht", sagt Puigserver.

In gut einem Jahr werden die Kunden von dieser Entscheidung befreit. „Es gibt viele Alternativen", sagt Ferriol und überreicht der Bäckerin einen Flyer. „Stoffbeutel, Papiertüten, Rucksäcke, Einkaufs­trolleys, Flechtkörbe oder Raffiabasttüten, wie es sie in den großen Supermärkten gibt."

Zum Abschied gibt es für die Bäckerin noch ein Poster, das künftig ihre Kunden von dem nahenden Wechsel informieren soll. „Gestern haben wir die Geschäfte in der Jaume III. abgeklappert. Dort wollte aus ästhetischen Gründen niemand das Poster aufhängen", berichtet Puigserver.

Wie die Zeugen Jehovas gehen die zwei Emaya-Mitglieder voll in ihrer Rolle auf. „Es ist für uns auch ein persönliches Anliegen. Teresa ist Biologin, und ich habe Umweltwissenschaften studiert." Die Flyer und Poster beschreiben die negativen Folgen, die der hohe Plastiktüten-Verbrauch mit sich bringt. „Zwölf Minuten in deiner Hand, 150 Jahre in der Natur. Das Recyceln einer Tüte kostet 100 Mal mehr als die Herstellung. In jedem Zuhause werden pro Jahr rund 500 Plastiktüten benutzt. Nur 10 Prozent davon werden recycelt. Das ist der Grund warum 100.000 Säugetiere, Fische und Schildkröten jährlich sterben", heißt es da.

Mallorquiner gehen gemeinhin ohne Korb, Rucksack oder Tüte einkaufen. „Viele Ladenbesitzer sagen uns, dass eigentlich nur Ausländer was zum Einpacken mitbringen", sagt Puigserver. Das kann auch die Chefin der Fleischerei Bonaire bestätigen. Im Gegensatz zu den großen Supermärkten ist es in vielen kleinen Läden verpönt, wenn die Plastiktüte abkassiert wird. „Das würden mir meine Stammkunden übelnehmen", sagt die Verkäuferin. Manche Leute nutzen diese Gutmütigkeit sogar aus. „Es gibt Kunden, die kommen zu mir und sagen: Isabel, gib mir eine Tüte, ich gehe zum Corte Inglés einkaufen." Das sei beileibe kein Einzelfall. „In einem anderen Laden hat man uns erzählt, dass die Leute um Plastiktüten für den Hundekot bitten", sagt Puigserver.

Nicht alle Plastiktüten werden ab 2019 verboten. Weiterhin erlaubt sind kleine Tüten bis zu einer Wandstärke von 15 Mikrometern. Diese kommen beispielsweise in Obst- und Gemüseläden zum Einsatz. Beim Geschäft Imperial Fruits geht der Einkauf dennoch in die Papiertüte. „Da die manchmal durchweicht oder zu viel Platz wegnimmt, wollen manche Kunden aber lieber eine Plastiktüte", sagt die Verkäuferin. Wie die Fleischerin nimmt auch sie keinen Aufpreis dafür. Zur Überraschung der Emaya-Mitarbeiter sagt sie, dass die Papiertüte im Einkauf nur unwesentlich mehr kosten würde als die Plastiktüte. Das ist sonst eines der Hauptargumente der Verkäufer gegen das Verbot.

Befürworter lassen sich hingegen in den Markthallen finden. „Für die Standbetreiber ist es eine Kostenfrage. Ihnen wäre es lieber, wenn die Leute bereits mit Tüten und Rucksäcken kommen und sie nicht für jeden Salatkopf eine Tüte rausrücken müssen", erklärt Ferriol.

Bei der Runde mit der MZ reagieren die meisten Händler aufgeschlossen. Nur ein Schuhgeschäft zeigte sich wenig interessiert, die Verkäuferin nimmt den Flyer entgegen. Wirklich verärgert sei noch keiner gewesen, sagen die Emaya-Mitarbeiter.