Montagmorgen, 9 Uhr. Im zweiten Stock im Rathaus von Palma de Mallorca sind fast alle Schreibtische besetzt. Eine brünette Frau telefoniert, eine Blondine in türkisfarbenem Kleid läuft mit Dokumenten im Arm umher. Joan Carles Palos, der Pressesprecher der links-grünen Regierungskoalition im Stadtrat, beugt sich zu seinem Computerbildschirm, um einen Blick auf den Terminkalender des Bürgermeisters zu werfen. „9.30 Uhr: Palma Activa, 13.30 Uhr Finanzausschuss, 19.30 Uhr Bürgertreff Sant Jordi", steht da. „Zum ersten Termin kommt der Bürgermeister direkt von zu Hause aus", sagt Palos. Er wohne ganz in der Nähe, ebenfalls in der Altstadt.

„Da ist er ja", ruft Palos wenig später in einer der Gassen und winkt dem hochgewachsenen Antoni Noguera zu, der gerade um eine Straßenecke gebogen ist. Dunkle Jeans, ordentliches hellblaues Hemd, bequeme Turnschuhe - trotz der recht legeren Kleidung wirkt Noguera älter als 38. Und irgendwie staatsmännischer als in seiner Zeit als Baudezernent der Stadt. Seine Begrüßung ist höflich, aber kurz angebunden. „Wir sehen uns gleich", sagt er und ist schon wieder verschwunden.

10.10 Uhr. Die rund 70 Menschen im Sitzungssaal von Palma Activa verstummen, als Noguera das Wort ergreift. „Irgendwie haben verschiedene Anfangszeiten kursiert, deshalb die Verspätung", sagt Palos leise und beginnt, Fotos vom Bürgermeister zu schießen, der gerade über die Bedeutung des Palma-Activa-Projekts „Visibles 2018" referiert, das Langzeitarbeitslosen über 35 Jahren unterstützen soll. „Wir schaffen Möglichkeiten", betont Noguera gerade. Noch ein paar Sätze, dann gibt es Applaus, werden Hände geschüttelt und Gruppenfotos gemacht. Um 10.25 Uhr ist alles schon vorbei.

„Solche Reden kann ich mittlerweile frei sprechen, ohne sie vorher aufzuschreiben", sagt Noguera beim Hinausgehen. Wieder hat er einen zügigen Schritt drauf, als er durch die Gassen in Richtung Rathaus läuft. Man muss sich sputen, um mitzuhalten. „Wir können aber hier kurz auf ein Getränk halten", sagt er und deutet auf Caféterrassen an der Plaça Santa Eulàlia. Der Kellner begrüßt ihn wissend, bringt ein Wasser, ohne Eiswürfel, ohne Zitronenscheiben. Ein, zwei Mal halten Passanten zum Gruß. „Mittlerweile kennen mich einige persönlich", sagt Noguera und reckt sich. In einem Dorf sei das selbstverständlich, in der Inselhauptstadt nicht. Jeden Mittwoch besuche er ein anderes Viertel, einmal im Monat gebe es Treffen mit Vertretern verschiedener Distrikte.

„Wir versuchen, nah am Menschen zu sein." Mit „wir", erklärt Noguera, meine er natürlich auch José Hila, seinen sozialistischen Koalitionspartner, der die erste Hälfte der Legislaturperiode als Bürgermeister fungierte und vor einem Jahr dann wie abgesprochen an ihn, Noguera, von der öko-regionalistischen Més-Partei. „Wir verstehen uns sehr gut", sagt Noguera, wechselt dann aber schnell das Thema. Über politische Inhalte zu reden, scheint ihm deutlich angenehmer, als Fragen zu seiner Person oder Freundschaften zu beantworten.

Es klingt wie ein Vortrag, den er schon oft gehalten hat, als er von seinen Zielen für Palma spricht. Den „fünf Säulen", wie er es nennt. Mehr Kultur, mehr öffentlicher Nahverkehr, mehr Grünflächen, mehr wirtschaftliche Aktivität abseits des Tourismus, mehr soziale Gerechtigkeit. Mit Maßnahmen wie dem Anti-Zwangsräumungs-Büro habe man schon viel erreicht, die Arbeiten am neuen Stadtwald stünden an, das Kulturzentrum im alten Gefängnis habe bereits eröffnet, im Nou-Llevant-Viertel gehe es sichtbar voran und die Zahl der Stadtbusse sei erhöht worden, zählt Noguera die bisherigen Erfolge auf und nimmt noch einen Schluck Wasser.

Dass in weniger als einem Jahr Wahlen anstehen, sorge ihn nicht. „Ich werde dann ja hoffentlich Bürgermeister bleiben." Klar trete er wieder an. „Wenn man keine Familie hat, ist das Arbeitspensum gut zu schultern", sagt er kurz angebunden. Von 9 bis 15 Uhr und von 17 bis 21 Uhr sei er unter der Woche meist im Dienst, auch an den Wochenenden stünde immer etwas an. „Aber ich mache das gerne", sagt er. Es klingt ehrlich.

Schnell ist das Wasser getrunken, die Rechnung bezahlt und Noguera aufgestanden. „Dann sehen wir uns später im Büro", sagt er und rauscht davon. „Er ist im Arbeiterviertel Pere Garau aufgewachsen und sehr verwurzelt mit der Stadt", sagt Palos auf dem Weg zurück durchs Rathaus. Als Sozialpädagoge habe Noguera auch viel mit den Brennpunktvierteln Soledad und Nou Llevant zu tun gehabt. „Das spiegelt sich in seinen sozialen Überzeugungen wider."

13 Uhr. Die Flure auf dem Weg zum Bürgermeisterbüro wollen mit ihren düsteren, einschüchternden Gemälden vergangener Stadtherren und hoher Geistlicher so gar nicht zu den weltoffenen Ansichten der aktuellen Regierung passen. „Immerhin haben sie den Christus an der Wand gleich zu Beginn der Legislaturperiode abgehängt", erzählt Palos, als er am altehrwürdigen Sitzungssaal vorbeiführt. Das Büro des Bürgermeisters gleich gegenüber riecht muffig, obwohl die alten Kronleuchter und Eichenmöbel staubfrei sind. „Das benutzt Noguera nur zu repräsentativen Anlässen", so Palos. „Es hat ja nicht einmal einen Beamer. Eigentlich dient es nur zum Eindruckschinden."

Ein paar Meter entfernt in einem deutlich moderneren Vorzimmer strahlt uns die blonde Dame im

türkisen Kleid an, die schon am Morgen hier herumgewuselt ist. María José Pons, Nogueras Sekretärin und rechte Hand. „Ich habe ihm schon zugearbeitet, als er noch Baudezernent war", sagt sie. Seit der Ernennung zum Bürgermeister gibt es natürlich mehr zu tun. „Ich bin vor allem damit beschäftigt, seine Termine zu koordinieren. Es ist nicht immer leicht mit ihm, aber meistens geht es gut", sagt sie und grinst breit.

In dem schnörkellosen Büro dahinter sitzt Noguera an einem schlichten Schreibtisch und bereitet sein nächstes Treffen vor. Viel Zeit hat er nicht, für 13.30 Uhr haben sich Vertreter der Balearen-Regierung und des Inselrats angekündigt, er muss die Sitzung des Finanzausschusses leiten, in der über die detaillierte Verwendung von mehreren Millionen Euro öffentlicher Gelder entschieden wird. Nachdenklich blickt er aus dem Fenster, auf die Touristen, die sich um den Starbucks am Rathausplatz drängen. „Es ist keine öffentliche Sitzung, vielleicht ist es besser, wenn wir uns erst heute Abend wiedersehen", sagt Palos beim Hinausgehen. Schade.

19.55 Uhr. Es sind zahlreiche Anwohner auf die Plaça del Bisbe Planas in Sant Jordi gekommen, die alle nur „Sa Plaça" nennen. „Ja, das ist wie ein Dorf hier", sagt Noguera, der aus dem Händeschütteln gar nicht herauskommt. „Ich find's gut", sagt ein älterer Herr, der sich über eine Skizze gebeugt hat, die Noguera ausgelegt hat. Sie zeigt, wie das Rathaus Sa Plaça umgestalten will. Es ist bereits die zweite Bürgerveranstaltung zum Thema. „Seit 60 Jahren ist hier nichts passiert, und jetzt dürfen wir sogar mitentscheiden. Also meine Stimme hat er", sagt ein anderer Anwohner. Noguera lächelt und unterhält sich dann weiter mit einer älteren Dame.

Natürlich werde er noch etwas bleiben, wo die Leute doch auch ein paar Häppchen vorbereitet hätten. Ihm ist nicht anzumerken, dass er einen langen Tag hinter sich hat, im Gegenteil. Noguera wirkt in der ländlichen Umgebung am äußersten Rand Palmas sogar deutlich entspannter als im Herzen der Inselhautpstadt. Etwas weniger staatsmännisch. Fast wie einer von ihnen.