Eine Gruppe Jugendlicher rauscht mit ihren Elektro-Rollern an der Strandpromenade der Playa de Palma entlang - entgegen der erlaubten Fahrtrichtung. Einer der vier jungen Männer steht in voller Fahrt auf, hupt mehrmals. Seine Freunde versuchen, ihn zu überholen, und grölen dabei. Ihre Helme haben sie an eine Stange unterhalb des Lenkrads gehängt. Es sind nicht die einzigen, die vergangenen Montag so an der Playa de Palma unterwegs sind. Die neuartigen Gefährte sind diesen Sommer in den Urlaubshochburgen Mallorcas der Renner, die Zahl der Anbieter unüberschaubar.

Sehr zum Ärger vieler Anwohner. „Die fahren hier kreuz und quer und denken, sie sind die einzigen Verkehrsteilnehmer", sagt Francisco Nogales, Vorsitzender der Nachbarschaftsvereinigung der Playa de Palma. Die Polizei schaue tatenlos zu, dabei würden die Möchtegern-Rennfahrer nicht nur sich selbst, sondern auch die Passanten gefährden. Und laut seien sie auch: Zwar dröhnten die Motoren nicht, aber dafür tönten die Hupen und quietschten die durchdrehenden Reifen.

Die ersten Elektro-Roller tauchten vor etwa zwei Jahren auf der Insel auf, die Gemeinden sind erst jetzt dabei, ihre Nutzung zu regulieren. In der Großgemeinde Calvià gibt es noch keine Vorschriften für die Spaß-Harleys. In Capdepera, so Pressesprecherin Elena Martín, gelten für die Fahrzeuge momentan die gleichen Regeln wie für Fußgänger: Die Autobahn ist tabu, auf normalen Straßen müssen sie sich am Rand fortbewegen, außerdem dürfen sie Schrittgeschwindigkeit nicht überschreiten. „Wenn sie durch das Durchdrehen der Reifen Spuren auf dem Boden hinterlassen, müssen sie, sofern beim Verleihen keine entsprechende Versicherung abgeschlossen wurde, selbst für den Schaden aufkommen", so Martín.

Für die kommende Saison will das Rathaus von Capdepera spezielle Regelungen für Elektro-Roller erlassen. Wenn es nach Jürgen Umland ginge, dem Administrator der Facebook-Gruppe „Cala Ratjada Insider", müssten darin auch genaue Angaben zur Beleuchtung an den Fahrzeugen enthalten sein. Einige der in Cala Ratjada umherfahrenden Elektro-Roller hätten blau leuchtende Vorder-Scheinwerfer, weswegen man sie nachts leicht mit Polizei-Fahrzeugen verwechseln könne.

In Palma ist man schon weiter. Seit dem 11. August gilt eine neue Verordnung für Elektro-Fahrzeuge (MZ berichtete). Aktuell arbeite man, so Pressesprecher Toni Gomila, lediglich noch daran, den Polizeibeamten die Details der neuen Vorschriften zu erklären. Sie sind an die seit einem Jahr in Barcelona geltenden Regeln angelehnt, die die elektrischen Fahrzeuge zunächst in die Gruppen A, B und C einteilen. Die besonders umstrittenen Roller gehören wie Segways zur Gruppe B. Offiziell dürfen sie maximal 30 Stundenkilometer fahren und 50 Kilogramm wiegen.

Der Mitarbeiter einer Verleihfirma an der Playa de Palma, der seinen Namen aus Angst vor den Reaktionen seiner Mitbewerber nicht öffentlich machen will, ist verwundert: „Erstens hängen hier Schilder, die generell nur 20 Stundenkilometer erlauben. Zudem fahren viele der Elektro-Roller etwa 50 Stundenkilometer. Auch beim Gewicht überschreiten sie mit teilweise bis zu 70 Kilo (ohne Batterie) das Höchstmaß. Das Gesetz passt also nicht." Der Verleiher hat sich die Verordnung genau angesehen, weiß auch, dass nur zwischen 9 und 21 Uhr an der Playa gefahren werden darf. Das Mindestalter für Fahrer der Geräte der Gruppe B ist nun 15 Jahre. Außerdem gilt fortan Helmpflicht. Rumgesprochen hat sich das an der Playa noch lange nicht. „Viele meiner Kunden setzen den Helm an der nächsten Ecke wieder ab." Ein anderer Anbieter unterstreicht, dass er nicht für das Verhalten seiner Kunden verantwortlich gemacht werden kann: „Wenn du fünfzig solcher Roller verleihst, kannst du nicht alle Fahrer kontrollieren. Das ist Angelegenheit der Polizei."

Da die Fahrzeuge aktuell kein Nummernschild tragen, sind sie schwer zu identifizieren. Das kann die Arbeit der Beamten bei Vorfällen wie denen der vergangenen Tage deutlich erschweren. Der MZ wurden etwa Bilder von einem vergangenes Wochenende an der Playa de Palma explodierten Rollers zugeschickt, auf denen nur noch Reifenüberreste zu sehen waren. Eine weitere Elektro-Harley wurde zumindest rauchend an der Promenade abgelichtet. Dessen Fahrer soll den Verleiher zuvor sogar darauf aufmerksam gemacht haben, dass das Gerät nicht ordnungsgemäß funktionierte. Am selben Wochenende kam es an der Playa auch zu einem Unfall zwischen einem 18-jährigen deutschen Rollerfahrer und einem Taxi.

Auch deswegen fordert Francisco Nogales, dass künftig kontrolliert wird, ob die Verleiher eine Lizenz haben. Die Geräte seien schließlich ein umweltfreundliches Fortbewegungsmittel. Nur müsse man das Geschäft regulieren und auch die Fahrer „erziehen". Frage nur, ob die Verkehrs-Rowdys dann weiterhin Spaß an den Rollern haben.

An diesem Montag genießen Livio Sigrist und seine Freundin noch die freie Fahrt an der Playa. „Es ist viel lustiger als Fahrradfahren. Außerdem muss man sich nicht sportlich betätigen", sagen sie. Ihren Helm hatten die beiden volljährigen Schweizer nicht auf. „Es ist zu warm." Dafür haben sie aber keinen Krach gemacht. Dass ihr Roller eine Hupe hat, hörten sie zum ersten Mal.