Zunächst ist Stille in der Telefonleitung. Mehr als 80 Jahre nach dem Tod von Teresa Bellera ruft Jaume Miró eine Stiefschwester von ihr an. Ob sie ein Foto von Teresa schicken könne, um deren Identität auf einer historischen Aufnahme zu überprüfen. Als das Foto eintrifft, gibt es für den Dramaturgen aus Son Servera keinen Zweifel mehr: Eine weitere der fünf Milizionärinnen, die zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs (1936-1939) von den aufständischen Franco-Schergen in Manacor hingerichtet wurden, ist identifiziert.

Ein Foto steht im Mittelpunkt dieser Geschichte voller offener Fragen, historischer Ungenauigkeiten und propagandistischer Lügen. Teils mit verschränkten Armen, im Overall und mit Rot-Kreuz-Binde sind die Frauen im Hof der Schule von Manacor zu sehen, kurz bevor sie am 5. September 1936 auf dem örtlichen Friedhof erschossen und an einem unbekannten Ort verscharrt werden sollten. Zuvor waren sie verhört und vergewaltigt worden. In den folgenden Jahrzehnten wurden sie als Anarchistinnen betitelt, als Krankenschwestern, auch als angebliche Prostituierte. Wie wenig davon stimmt und was es mit ihrer Identität auf sich hat, zeigte nun die im Regionalsender IB3 ausgestrahlte Dokumentation „Milicianes" (Milizionärinnen), an der Miró, Produzentin Tània Balló und Historiker Gonzalo Berger zwei Jahre intensiv gearbeitet haben.

Der historische Kontext: Am 16. August 1936 landeten republikanische Kämpfer unter dem Kommando von Kapitän Alberto Bayo

bei Porto Cristo, um die Insel den Putschisten unter General Franco zu entreißen. Die Milizionäre hatten im Auftrag der damals republiktreuen katalanischen Regierung zunächst Formentera und Ibiza eingenommen. Auf Mallorca kam die Offensive ins Stocken, und das Franco-Lager bekam Zeit, um gemeinsam mit italienischen Faschisten zum Gegenangriff überzugehen. Anfang September gaben die republikanischen Kräfte auf und zogen sich zurück. Unter den Kämpfern, die zurückblieben und von Putschisten aufgegriffen wurden, waren auch die fünf Frauen auf dem Foto.

Hintergrund: Die unerzählte Schlacht von Mallorca

Miró beschäftigt sich seit knapp zehn Jahren mit der Geschichte, die Schlacht von Mallorca hatte sich in den Bergen seines Heimatorts Son Servera abgespielt. Ein Kriegstagebuch, das einer der fünf Frauen zugeschrieben wird, nahm er als Grundlage für ein dokumentarisches Theaterstück. „Die Schlacht in meiner direkten Nachbarschaft, erzählt von einer Frau - das war für mich ein einmaliger Stoff", meint Miró. Als das Stück dann auch in Barcelona zur Aufführung kam, wurde Produzentin Balló auf das Thema aufmerksam, kurz darauf war auch Historiker Berger an Bord.

Bekannt war bis dahin dank der Arbeit des Historikers Josep Massot nur die Identität von zwei der fünf Frauen, die der Schwestern Daría und Mercedes Buxadé (3. und 4. v.li.). Die Dokumentation gibt nun zwei weiteren Frauen Namen (Teresa Bellera, 2.v.li., María García, re.) und zeichnet ihr Leben nach, anhand von Interviews mit noch lebenden Angehörigen und historischen Fotos unter anderem von Robert Capa, auf denen die Kommunistinnen identifiziert werden konnten.

„Das waren keine Krankenschwestern oder hilflose Mädchen", stellt Berger klar, „das waren Kämpferinnen". So gehörten den republikanischen Milizen auch Bataillone von Frauen an, die sich nicht auf die Rolle als Köchinnen oder Krankenschwestern im Heer reduzieren lassen wollten. 30 bewaffnete Kämpferinnen seien damals zusammen mit den männlichen Milizionären auf Mallorca gelandet. Zwar sollte das patriarchalische Weltbild im republikanischen Lager dafür sorgen, dass die Frauen die Waffen wieder abgeben mussten. Doch das war laut Berger erst deutlich später, als die Milizen ab September 1936 in reguläre Einheiten eingegliedert wurden. Dass die Frauen auf dem Foto Rot-Kreuz-Armbinden trugen, sei womöglich mit dem Versuch zu erklären, sie vor einer Hinrichtung zu verschonen. Auch auf Verweise im Kriegstagebuch gibt Berger nicht allzu viel. Dieses sei nur in Ausschnitten und Abschriften überliefert sowie von Falangisten veröffentlicht. „Das Original tauchte nie auf". Tatsächlich Sanitäter seien hingegen die 40 männlichen Gefangenen gewesen, die mit den fünf Frauen hingerichtet wurden.

Nicht aufgearbeitete Kriegsverbrechen und sexuelle Gewalt, beide Themen vermischen sich in der Geschichte der fünf Frauen, meint Produzentin Balló. Die Milizionärinnen seien ihrer Zeit voraus gewesen, letztendlich aber an die Grenzen der Gleichberechtigung im eigenen politischen Lagers gestoßen. Das mache das Schicksal der milicianes zu einem universellen Stoff, nicht umsonst stieß der Film bereits auf dem New York Human Rights Watch Film Festival auf großes Interesse. Das 80-jährige Rätsel um die Identität und das Schicksal der Frauen tue ihr Übriges.

Deren letztes Foto zieht Miró auch nach dem Projekt in seinen Bann. Vor allem die Frau links, deren Identität nicht gelüftet wird und die die Autorin des Tagebuchs sein könnte. „Sie schaut als einzige direkt in die Kamera, gerade so als wollte sie sagen: Mich findest du nicht." Aber auch, wenn ihr Name nicht geklärt wird, gibt es Indizien. In Frage komme eigentlich nur eine der 30 Frauen unter den Mallorca-Kämpfern. „Ich weiß, dass sie es ist", meint Berger, „aber ich kann es nicht beweisen."

Die Dokumentation „Milicianes" ist in Kürze in der Mediathek von IB3 abrufbar: ib3.org/lhora-d.html