Die Entscheidung im Gemeinderat von Selva fiel einstimmig, über alle Parteigrenzen hinweg: Man will keinen Solarpark auf dem Anwesen s'Hort d'en Coll. Die Gemeinde nördlich von Inca kann zwar nicht entscheiden, ob das 3-Megawatt-Projekt letztendlich kommt. Aber nun will das Rathaus Berichte anfertigen lassen, die die Landesregierung vor den landschaftlichen Folgen warnen, sowie auch prüfen lassen, inwieweit die Gebäude sowie eine Wasserleitung auf dem Anwesen unter Denkmalschutz gestellt werden können. „Wir stehen hinter der Solarenergie auf Mallorca", beteuert Bürgermeister Antoni Daniel Frontera vom linksökologischen Parteibündnis Arrelam gegenüber der MZ. „Aber die Solarmodule wären an der Südflanke des Dorfs weithin sichtbar, und das Anwesen ließe sich jahrzehntelang nicht landwirtschaftlich nutzen."

Der Fall Selva steht stellvertretend für den Konflikt um die so dringend für die Energiewende benötigten Solarparks auf Mallorca: Einerseits ist jeder für deren Installation, um endlich den Anteil von bislang drei Prozent erneuerbarer Energien bei der Produktion auf den Balearen zu steigern. Andererseits will keiner die Module vor seiner Haustür. Nachdem Großprojekte bereits abgespeckt wurden, auf der Kippe stehen oder ganz gescheitert sind, setzt die Landesregierung derzeit ihre Hoffnung auf mittlere und kleinere Projekte, so wie das in Selva. Knapp 20 Anträge für Mallorca werden derzeit im balearischen Energieministerium bearbeitet. Bislang stehen auf der Insel 35 Anlagen, wobei die größte gerade mal 5 Megawatt Leistung liefert.

Finca-Besitzer in der Kritik

Die Eigentümer von s'Hort d'en Coll wollen mit der Verpachtung des rund vier Hektar großen Geländes den Fortbestand der Finca sichern und die dortigen Anwesen restaurieren, wie sie gegenüber der Zeitung „Última Hora" erklärten. Nach der Kritik von Anwohnern und dem Auftauchen von Transparenten mit Protestparolen am Zaun des Geländes halten sie sich aber erst mal aus der Öffentlichkeit heraus - zumindest, bis das Genehmigungsverfahren abgeschlossen sei, wie sie gegenüber der MZ ausrichten lassen.

Es ist nicht so, dass die Besitzer von sich aus auf die Idee eines Solarparks gekommen wären. Vielmehr wird Mallorca nach den überhaupt geeigneten Flächen „gescannt", erklärt Rafael Puigcercós, Vorsitzender des Berufsverbands für erneuerbare Energien auf den Balearen (Aperbal) und Finanzdirektor einer Firma des Sektors. Das geschehe zum Teil für eigene Projekte, zum Teil auch im Auftrag von Investoren, die im Fall von Selva laut Medienberichten aus Deutschland kommen. Bei der Standortsuche sind drei Filter zu passieren. Erstens: Das balearische Klimaschutzgesetz legt genau fest, welche Gebiete für Projekte infrage kommen, sie können auf einer Online-Karte eingesehen werden. Zweitens: Es muss eine Anbindung ans Stromnetz möglich sein, die für die Maximalleistung des Solarparks ausgelegt ist. Drittens: Es muss mit den Eigentümern über die Nutzung des Grundstücks verhandelt werden. Höchstens 30 Standorte auf Mallorca ­kämen so letztendlich für neue Projekte noch infrage, meint Puigcercós.

Die Zuständigkeit für die Genehmigung liegt in letzter Instanz beim balearischen Energieministerium. Doch alle betroffenen Institutionen - Gemeinden, Inselrat, Wasserwirtschaftsamt, Flughafenverwaltung - können Berichte vorlegen, auch die balearische Umweltkommission prüft jedes Projekt. Im Zuge dieses Verfahrens werden dann auch die Landschaftsschutz-Argumente aus dem Rathaus in Selva gehört. Sie führen dann vielleicht nicht zu einer Absage an die Antragsteller, aber möglicherweise zu Auflagen für eine Modifizierung des Projekts. Bürgermeister Frontera fordert, Solarmodule statt in der Idylle in Gewerbegebieten oder Steinbrüchen zu planen. Landschaftsschutz und Energiewende dürften kein Widerspruch sein.

„Die Frage ist doch: Wollen wir wirklich Solarenergie und das Kohlekraftwerk Es Murterar vom Netz nehmen?", fragt Puigcercós. Anlagen in Steinbrüchen oder früheren Müllhalden seien ein schwieriges und teures Unterfangen: Die canteras müssten zunächst mit Erdreich aufgefüllt, Schutt entsorgt, Fundamente aufwendig verankert werden - und das angesichts geringerer Margen bei kleineren Anlagen. Die begrenzte Kapazität bestehender Stromleitungen auf der Insel enge den Spielraum weiter ein. Der Unternehmer verweist zudem darauf, dass die Solarparks ohnehin auf Zeit angelegt und nach beispielsweise 30 Jahren Betriebs- und Pachtzeit zurückgebaut werden müssen. Betonfundamente seien verpönt, grüner Sichtschutz Standard, so Puigcercós. „Beim Thema Solarenergie brauchen wir eine breite gesellschaftliche Debatte und mehr Realitätssinn."

Service: Zeit für Solarzellen auf der Mallorca-Finca