Als Juan Silvela Ende März einen Link zur Trashtag Challenge auf Menorca auf sein Smartphone geschickt bekam, war er sofort begeistert. „Ich arbeite als Tauchlehrer und finde bei meiner Arbeit regelmäßig Plastikabfälle im Meer", erzählt der 29-Jährige. Deshalb war für ihn schnell klar: Auch Mallorca braucht einen Ableger der neuen Müllsammel-Aktion, die derzeit viral über die sozialen Medien auf der ganzen Welt Menschen dazu bringt, sich zusammenzutun, um Abfälle aufzusammeln, Fotos davon online zu veröffentlichen und andere aufzufordern, dasselbe zu tun.

Ende März verfasste Silvela selbst einen Aufruf, verschickte ihn bei Whatsapp an Freunde und Bekannte. „Ich hatte damit gerechnet, dass 100, maximal 200 Leute der Gruppe beitreten", sagt er. Doch schon nach wenigen Tagen wollten so viele Menschen in die Gruppe aufgenommen werden, dass Silvela lokale Untergruppen bilden musste. Mittlerweile haben mehr als 2.000 Menschen ihr Interesse bekundet, in der Karwoche (14.-21. April) die Insel ein Stück sauberer zu machen.

Trash bedeutet Müll auf Englisch, mit tag ist das Markieren von Freunden in den sozialen Medien gemeint. Zu challenges, also Herausforderungen, wird jeder Facebook-, Instagram- und Co.-Nutzer ständig aufgefordert. Manch einer mag sich beispielsweise noch an den Sommer 2014 erinnern, als sich im Zuge der Ice Bucket Challenge plötzlich auf aller Welt Bürger und Prominente dabei filmten, wie sie sich einen Eimer voller Eiswasser über den Kopf schütteten. „Die Trashtag Challenge ist ähnlich, nur, dass sie praktische Auswirkungen hat", sagt Silvela.

Tatsächlich ist das Müllsammeln dank Trashtag im vergangenen Monat zu einem Trend geworden. Im Internet finden sich viele Vorher-Nachher-Vergleichsfotos von Stränden, Wäldern und Stadtparks in Deutschland, Spanien, aber auch Nepal, Mexiko, Algerien und Tunesien.

Doch auch ohne das Schlagwort „Trashtag" ist der Kampf gegen den Müll an Mallorcas Stränden schon seit einiger Zeit im Gange. Allein die Meeresschutzorganisation Ondine plant dieses Jahr zehn Säuberungsaktionen. Ob Parteien, Schulen oder Umweltschutzorganisationen ­- ständig gibt es irgendwo limpiezas de playa. Zum „World Cleanup Day" kamen am 15. September auf ganz Mallorca Umweltfreunde zusammen. Ende März räumten Schüler der Gesamtschule IES Pau Casesnoves aus Inca gemeinsam mit Austauschschülern aus Hamburg einen Nachmittag lang den Strand von Alcúdia auf. Vorletztes Wochenende säuberten etwa 20 Freiwillige der Initiative Mallorca Solidària den Strand von Son Bauló. Und am Donnerstag (28.3.) befreiten die Teilnehmer der Regatta Princesa Sofía einen Teil der Playa de Palma vom Müll. Von großen Unternehmen wie Lidl und Coca-Cola, die die Strandsäuberungen finanziell unterstützen, bis hin zur Altkönigin Sofía, die sich im Herbst beim Müllsammeln auf Menorca fotografieren ließ, scheinen alle dabei sein zu wollen.

„Habt ihr die Handschuhe dabei?", fragt Marta Gayà in die Runde. Zustimmendes Nicken. „Dann fangen wir jetzt an." Es ist Sonntag (31.3.), 12 Uhr mittags, und knapp 20 Leute sind an der Cala Mesquida bei Capdepera zusammengekommen. Freiwillig, der Umwelt zuliebe. Auch hier steht Strandreinigung an, mit der trendigen Trashtag Challenge oder bezuschussten Firmen-Kampagnen habe das aber nichts zu tun, betont Gayà. Die junge Frau hat vor anderthalb Monaten eine Untergruppe der weltweit agierenden Umweltschutzorganisation „Climate Save" auf Mallorca gegründet (www.facebook.com/mallorcaclimatesave), gemeinsam mit Jonathan Romano von der Linkspartei Izquierda Unida in der Gemeinde Capdepera hat sie zur Säuberungsaktion aufgerufen. Ebenfalls über die sozialen Medien, wenn auch ohne Trashtag. „Übers Internet erreicht man eben die meisten Leute", sagt Gayà.

Zufrieden sieht sie zu, wie die Müllsammler sich an der Cala Mesquida breitmachen, und packt dann selbst beherzt an. Nach knapp zwei Stunden kommen alle mit Müllsäcken voller Unrat wieder am Ausgangspunkt zusammen. „Wir sind sehr zufrieden mit der Beteiligung", sagt Gayà dankbar, und verteilt veganes Bananenbrot und selbst gemachte Limonade an alle. Die deutsche Residentin Anja Greese, die ebenfalls kräftig mit angepackt hat, ist weniger euphorisch. „Ich habe nicht das Gefühl, dass es tatsächlich einen neuen Müllsammel-Trend gibt", findet sie. Sie habe den Aufruf zur Aktion bei Facebook geteilt und mehr als 160 Likes bekommen. „Aber keiner von denen ist hier aufgetaucht. Die meisten reden doch nur, handeln dann aber nicht."

Marga Ramis von Mallorcas größter Umweltschutzgruppe Gob ist gegenüber der MZ hoffnungsvoller. „Es ist offensichtlich, dass die Menschen sensibler geworden sind für die Plastikproblematik. Und wenn sich die Leute jetzt wie bei Trashtag selbst mobilisieren, ist das genial." Sie stellt aber auch klar: „Es reicht nicht, zu säubern. Jetzt muss jeder einen Schritt weitergehen und verhindern, dass das Plastik überhaupt ankommt. Sprich: den Konsum reduzieren."

Ähnlich sieht das die Umweltwissenschaftlerin Montserrat Compa. Sie forscht am Ozeanografischen Institut (IEO) in Palma zum Thema Plastik und Mikroplastik an den Küsten der Balearen. Obwohl täglich neuer Müll angeschwemmt werde, und die Strände schnell wieder verschmutzten, heißt sie Müllsammelaktionen gut. „Sie fördern Bewusstsein und Aufmerksamkeit für das Thema und sensibilisieren die Menschen dafür, welche Plastikprodukte am häufigsten in der Natur landen." Wichtiger noch sei aber der Verzicht auf Einwegplastik. Und da käme die globale Dimension von Bewegungen wie Trashtag gerade richtig. Studien zufolge kommen etwa 80 Prozent der Plastikabfälle an den Stränden der Balearen nicht von Schiffen, sondern vom Land. „Häufig wird der Unrat, den wir hier finden, aber nicht auf Mallorca produziert, sondern in anderen Ländern oder Regionen ins Mittelmeer gespült und dann durch Winde und Strömungen zu uns geschwemmt." Je länderübergreifender die Aktionen seien, desto besser, sagt Compa.

Juan Silvela ist sich sicher, dass die Trashtag-Challenge - die auf Mallorca nicht nur Strände, sondern auch Städte und

Gebirge erfassen soll - einen längeren Nachhall haben wird. „Natürlich müssen auch wir schauen, wie viele Menschen denn wirklich mit anpacken. Aber viele haben mich bereits gebeten, dass es nicht bei einer einmaligen Sache bleibt." Nach dem Aufräumen im April plant er weitere Aktionen für Oktober. Zudem soll eine Ausstellung mit Kunst und Fotos der Trashtag- Challenge dafür sorgen, dass das Thema weiter im Gespräch bleibt.

Link zur Whatsapp-Gruppe von Trashtag Mallorca auf www.instagram.com/juansilvela oder auf Whatsapp-Anfrage an Tel.: 660 24 38 23