Es ist unter den vielen Korruptionsfällen, die diese Insel in den vergangenen Jahrzehnten gesehen hat, einer der gravierendsten: das Gemauschel rund um den Bau des Landeskrankenhauses Son Espases, dem letztendlich mit rund einer Milliarde Euro teuersten öffentlichen Bau in der Geschichte der Balearen.

Mitte Juli ergingen nun die Urteile gegen vier der Hauptdrahtzieher. Prominentestes Gesicht auf der Anklagebank war Jaume Matas, zwischen 1996 und 1999 sowie 2003 und 2007 Ministerpräsident der Balearen für die konservative Volkspartei (PP). Er wurde wegen Amtsmissbrauchs zu zehn Monaten Haft verurteilt. Die von der Staatsanwaltschaft geforderte Geldstrafe in Höhe von 31,6 Millionen Euro muss der schon in mehreren Fällen verurteilte Matas nicht zahlen - was daran liegt, dass einige Fragen rund um die Ausschreibung auch nach dem Ende des Prozesses weiterhin offen bleiben.

Ebenfalls verurteilt wurden die frühere Gesundheitsministerin Aina Castillo, der frühere Generaldirektor der Gesundheitsbehörde Ib-Salut Sergi Beltrán sowie der PP-nahe Berater Jesús Peinado, der kräftig bei der Auftragsvergabe mitmischte. Nicht auf der Anklagebank Platz genommen hatten Juan Miguel Villar Mir, Ex-Minister und Eigentümer von OHL, der Baufirma, die zunächst aufgrund von Matas' kräftiger Mithilfe den Zuschlag bekommen hatte. Auch gegen den anfangs ebenfalls beschuldigten José Magán, einer seiner Vertrauten, hatte es nicht für eine Anklage gereicht. Noch nicht einmal als Zeuge gehört wurde Florentino Pérez, Präsident von Real Madrid und Eigentümer der Baufirma Dragados, die im Endeffekt das Krankenhaus baute.

Ein damals allmächtiger Politiker

Das 77-seitige Urteil dokumentiert detailgetreu, wie der damals allmächtige PP-Politiker Jaume Matas den gesamten Prozess der Auftragsvergabe lenkte, sei es aus der Ferne oder über seine Strohmänner, die er in allen wichtigen Institutionen untergebracht hatte. Matas drängte darauf, dass OHL den Zuschlag bekam, obwohl es von fünf Angeboten das deutlich teuerste war. Ungeklärt bleibt die Frage, was Matas sich davon erhoffte. Laut einigen Quellen standen 30 Millionen Euro im Raum, die er für seine Dienste von OHL kassieren sollte, doch das konnte nicht bestätigt werden. Hier stießen der damals ermittelnde Antikorruptions-Staatsanwalt Pedro Horrach und die Staatsanwältin der Balearen-Regierung María Ángela Berrocal auf Granit. Sie konnten das ­eiserne Schweigen rund um die mögliche Schmiergeldzahlung nicht aufbrechen. So war es auch schon einer von 2014 bis 2015 tätigen parlamentarischen Untersuchungskommission ergangen.

Und trotzdem: Das Urteil bringt einiges Licht in die Machenschaften von Matas und seinen Verbündeten. Demnach war es keineswegs beschlossene Sache, dass überhaupt ein neues Krankenhaus gebaut werden würde. Eigentlich war geplant, den bisherigen Standort Son Dureta zu modernisieren. Dafür gab es sogar schon ein Budget. Matas aber wollte einen Neubau. Ohnehin war er ein Freund großer und teurerer Bauvorhaben. Unter anderem gehen das Velodrom Palma Arena und die nur sehr wenig genutzte U-Bahn in Palma auf sein Konto. Ein schon als Modell bei Star-Architekt Santiago Calatrava in Auftrag gegebenes Opernhaus verhinderte seine Abwahl als Ministerpräsident im Jahr 2007.

Das Urteil bestätigt einen früheren Bericht des „Diario de Mallorca", nach dem Matas selbst derjenige war, der das Grundstück für den Bau auswählte und seine Standortwahl bei einem Abendessen nach einer Partie von Real Madrid im April 2002 vor Spitzenunternehmern der Insel vortrug. Matas, zu diesem Zeitpunkt spanischer Umweltminister, kündigte an, sich erneut als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten aufstellen lassen zu wollen und im Falle seiner Wahl ein neues Krankenhaus rund um das Anwesen Son Espases im Norden von Palma bauen zu lassen. In der Folge kauften mehrere Unternehmer preiswerte Grundstücke in der unmittelbaren Umgebung.

Cursach hatte auch Pläne

Cursach

Unter anderem witterte auch Nachtclub-Unternehmer Bartolomé Cursach ein Schnäppchen. Der Besitzer des Megapark an der Playa de Palma sicherte sich für 13,5 Millionen Euro die 142.000 Quadratmeter große Finca Son Cabrer. Cursach hatte damals vorgehabt, in unmittelbarer Nachbarschaft des Krankenhauses ein Altenpflegeheim zu errichten, was allerdings scheiterte. Derzeit versucht er, Son Cabrer offenbar wieder zu verkaufen - in etwa zu dem Preis, zu dem er ­gekauft hatte.

Das Urteil beschreibt auch das Gemauschel zwischen der Stadtverwaltung Palma und der Gesundheitsbehörde Ib-Salut. Andere Standorte wurden nur scheinbar in Erwägung gezogen, in Wahrheit folgte man den Anordnungen von Matas. Der Politiker hatte etliche wichtige Stellen in den öffentlichen Institutionen mit Vertrauensleuten besetzt. Darunter war auch Sergi Beltrán, der mit Matas im Umweltministerium gearbeitet hatte und neuer Generaldirektor von Ib-Salut wurde.

Das Urteil hebt ausdrücklich den Mut der damaligen Gesundheitsministerin Aina Castillo hervor. Sie gab ihre Beteiligung an dem Fall bereits zu, als noch gar nichts darauf hindeutete, und gab wichtige Hinweise zur Aufklärung. Unter anderem sagte sie aus, dass Matas sie ins Café des Cursach-Fitnesscenters Megasport zitierte, um einen Umschlag entgegenzunehmen. Dieser enthielt Argumentationshilfen, die der Consulting-Firma Global PM übergeben wurden, die wiederum die Angebote der Unternehmen für den Bauauftrag prüfte. Die meisten Punkte sollte der Baukonzern OHL gewinnen.

Das teuerste Angebot gewann die Ausschreibung

Den Umschlag nahm Jesús Peinado entgegen, ein PP-naher Unternehmer, der schon unter zweifelhaften Umständen von Matas unter Vertrag genommen worden war. Er war laut dem Gericht damit betraut, die Bewertungen der Angebote so zu manipulieren, dass OHL gewänne - obwohl es mit 740 Millionen Euro rund 105 Millionen Euro teurer war als das von Florentino Pérez und seiner Firma Dragados. Matas gab nichtsdestotrotz laut dem Gericht etliche Anordnungen, dass OHL die Ausschreibung gewinnen müsse.

Dann jedoch kam dem Premier ein Artikel in der Zeitung „El Mundo" im Jahr 2006 in die Quere. Darin war zu lesen, dass Matas die Ausschreibung manipuliert habe und das Angebot von OHL rund 100 Millionen Euro teurer war als das von Dragados. Der Bericht brachte schließlich das gesamte Betrugskonstrukt zum Einsturz, Matas musste die Ausschreibung stoppen und sah sich gezwungen, beim Consell Consultiu, einem Beratungsgremium der Landesregierung, eine Untersuchung der Vergabekriterien in Auftrag zu geben. Der Consell Consoltiu kam zu dem Ergebnis, dass Dragados als Sieger hervorgehen müsse. Allerdings war auch der Vorsitzende dieses Gremiums, Miquel Coll, mit Matas befreundet. Er gab bei Bau- und Wirtschaftsspezialisten neue Gutachten in Auftrag, die teils wieder OHL als Gewinner der Ausschreibung sahen.

Schließlich entschied man doch für Dragados. Wie es genau zu dieser Kehrtwende kam und welche Rolle Matas dabei spielte, ist eine der Fragen, die auch die Richter nicht klären konnten. Bewiesen ist aber, „dass die Hand des Ministerpräsidenten im gesamten Vergabeprozess präsent war, in allen Phasen und bei allen Handlungen".