Sie waren schon mal da, die Russen. Vor zehn Jahren stieg der Anteil der russischen Urlauber auf Mallorca rapide an, im Jahr 2013 kamen laut der offiziellen Statistik von Aena 182.416 russische Urlauber auf dem Flughafen von Son Sant Joan an - bisheriger Rekord. Im Jahr 2015 folgte der Einbruch. Die Krim-Krise sowie ein schwacher Rubel sorgten dafür, dass sich zwei Jahre später nur noch 66.930 Russen für einen Urlaub auf Mallorca begeistern konnten. Im Zuge der Flaute musste auch der große Reiseveranstalter Natalie Tours Insolvenz anmelden.

Das Blatt hat sich gewendet, die Russen kommen wieder. Bis September wurden dieses Jahr auf Mallorca 161.980 russische Urlauber gezählt. Das waren 30 Prozent mehr als im gesamten 2018. Die Trendwende bestätigt auch Vyacheslav Blinov, der vor sieben Jahren das Unternehmen Gid Mallorca gründete und russischen Urlaubern Ausflüge und Rundreisen über die Insel verkauft. Bereits 2019 war ein gutes Jahr, aber er rechnet mit einem noch deutlich besseren 2020. „Wenn es keine politischen oder wirtschaftlichen Krisen in Russland gibt, bin ich mir sicher, dass im kommenden Jahr noch mehr russische Urlauber nach Mallorca kommen", sagt er der MZ. Er rechnet zunächst einmal vorsichtig mit 15 bis 20 Prozent mehr als in diesem Jahr.

Beim Reiseveranstalter Anex Tour, gemeinsam mit Konkurrent Coral Tour der Marktführer in Russland, geht man ebenfalls davon aus, dass das Jahr 2020 ein gutes wird. Der stellvertretende Generaldirektor von Anex für Spanien und Andorra, Stanislav Lazarov, sagt der MZ: „Wir hatten bereits in diesem Jahr eine Verdopplung der russischen Gäste von 10.000 auf knapp 20.000. Und für 2020 rechnen wir mit 40.000 Urlaubern." Natürlich seien diese Zahlen im Vergleich zu den mehr als vier Millionen deutschen Urlaubern, die vergangenes Jahr nach Mallorca kamen, nahezu verschwindend. „Aber die Steigerungsrate kann sich sehen lassen."

Hinzu kommt, dass russische Urlauber im Schnitt deutlich länger auf der Insel bleiben - laut Lazarov rund zehn Tage im Vergleich zu 5,5 Tagen bei Deutschen - und deutlich mehr Geld ausgeben. Zum Vergleich: Die Deutschen haben 2018 laut dem spanischen Statistikinstitut INE im Schnitt 144 Euro pro Tag ausgegeben. Zwar veröffentlicht das INE keine Zahlen zu den Ausgaben russischer Urlauber, die Fachzeitschrift „Hosteltur" aber schätzt sie für 2018 auf im Schnitt 172 Euro am Tag.

Warum Russen überhaupt die von Moskau aus rund fünf Stunden lange Flugreise auf sich nehmen, um nach Mallorca zu fliegen, wo die Türkei oder Griechenland deutlich näher wären, erklärt Vyacheslav Blinov zu großen Teilen mit einem russischen Chanson. Das reichlich kitschig klingende Lied von Mikhail Shufutinskiy trägt den Titel „Palma de Mallorca". Zwar geht es in dem Song nicht unmittelbar um die Balearen-Hauptstadt, sondern um ein Liebespaar, aber im Refrain heißt es: „Träume doch ein bisschen von Palma de Mallorca". Der Name der Stadt und der Insel sei deshalb im gesamten russischen Sprachraum bekannt, sagt Blinov. „Vor allem bei den 40- bis 60-Jährigen ist es sehr beliebt." Und da es ein sehr romantisches Lied sei, sei Mallorca seit der Veröffentlichung des Songs im Jahr 1997 für viele Russen ein Sehnsuchtsort.

Die Airlines nehmen die wieder aufgeflammte Mallorca-Liebe der Russen gern mit und haben bereits für das Jahr 2019 deutlich mehr Plätze Richtung Mallorca gebucht. Die Fluggesellschaft Azur Air etwa, die zum Reiseveranstalter Anex Tour gehört, will im kommenden Jahr statt wie bisher fünf dann elf Verbindungen einrichten. „Das sind unter anderem Verbindungen mit Moskau und Sankt Petersburg, aber auch von drei kleineren Regionalflughäfen, die noch festgelegt werden müssen", erklärt Stanislav Lazarov.

Anex Tour arbeitet darüber hinaus auch mit anderen russischen Airlines zusammen, und auch hier werde das Angebot ausgeweitet. „Die staatliche Fluggesellschaft Aeroflot hat in diesem Jahr zum ersten Mal eine Direktverbindung von Moskau nach Mallorca eingerichtet. Das hat eine starke Wirkung gehabt", sagt Lazarov. 2020 sollen auch die Verbindungen zwischen der Ukraine und Mallorca wieder aufgenommen werden, die in den vergangenen Jahren komplett aus dem Programm gestrichen worden waren. Auch Verbindungen der Airline S7 werden aufgestockt.

Noch ein weiterer Aspekt begünstigt die Reiselust der Russen: Die Beantragung des Visums ist seit wenigen Jahren deutlich einfacher, wie Lazarov erklärt. „Es ist zwar immer noch ein kleinerer Kostenfaktor, aber die Urlauber müssen sich nicht mehr selbst damit herumschlagen, seit es in Russland die biometrischen Ausweise gibt." Seither kümmern sich die Reiseveranstalter um die Ausstellung des Visums. Lazarov ist sich sicher, dass Mallorca noch viel Potenzial hat. „Wenn Rhodos und Kreta jedes Jahr 500.000 russische Urlauber anlocken, dann kann Mallorca die auch haben."