Lisa Müller (Name geändert) wollte an einem Abend Anfang Oktober mit einer Freundin nach einer Party nur nach Hause gehen. „Gegen 22.30 Uhr trafen wir in der Nähe der Kathedrale auf einen Mann, der uns auf Spanisch hinterherrief: ,Te voy a follar!' (Ich werde dich ficken!)", berichtet die Deutsche der MZ. „Kurz bevor wir die Plaça de la Reina erreichen, schreit meine Freundin auf. Ich drehe mich ruckartig um und berühre schon bei der Drehung den Mann, der keine fünf Zentimeter Abstand mehr zu mir hat. Eine Hand in der Hose. ,Te voy a violar', schreit er, ,ich werde dich vergewaltigen.' Als wir versuchen, aus der Situation zu entkommen, versperrt er uns den Weg. Eine Gruppe Frauen steht etwas weiter entfernt, beobachtet die Situation - sie helfen uns nicht. Ein Rollerfahrer auf der Straße hält an und schreitet glücklicherweise ein."

Szenen wie diese haben leider schon viele Frauen erleben müssen. „Nicht nur auf Mallorca, Frauen auf der ganzen Welt haben Angst davor, nachts auf die Straße zu gehen. Sie fürchten keinen Raub, sondern sexuelle Belästigung", sagt Sonia Vivas. „In Spanien gibt es bei der Polizei alle vier Stunden eine Anzeige wegen Vergewaltigung." Die ehemalige Polizistin ist in Palma Stadträtin für Gleichstellung und Soziales. Die Balearen sind die spanische Region mit der höchsten Zahl von Gewaltdelikten gegen Frauen. „Die Zahl der Anzeigen hat zugenommen. Den Frauen ist heutzutage bewusster, welche unterschiedlichen Typen von Gewalt es gibt. Denn nicht nur Schläge tun weh. Es gibt auch Gewalt in psychologischer oder finanzieller Form. Die Anzeigen sind aber nur die Spitze des Eisberges."

Die Abteilung für den Schutz von Frau und Familie bei der Nationalpolizei wollte sich auf MZ-Anfrage nicht zu dem Thema äußern. Prävention von sexueller Belästigung sei schwierig. Sie könne schließlich überall passieren, so ein Sprecher. Für Sonia Vivas stellt sich die Frage nicht, wie eine Frau Übergriffen vorbeugen kann. „Die Männer müssen sich eher hinterfragen, wie sie sich verhalten müssen, um die Frauen nicht zu belästigen."

Nichtsdestotrotz gibt es Mittel und Wege, sich auf gefährliche Situationen vorzubereiten. „Selbstverteidigungskurse sind eine gute Sache. Manchmal haben Frauen aber keine Zeit dafür. Auch ein Pfefferspray ist legitim. Es ist schließlich das gute Recht der Frauen, sich zu verteidigen", sagt Vivas. Dabei gilt es aber zu bedenken, dass das Pfefferspray auch gegen das Opfer verwendet werden kann.

Direkt die Polizei rufen

„Auf jeden Fall mal die Straßenseite wechseln und sehen, ob man überhaupt verfolgt wird", rät Kriminalhauptkommissarin Andrea Kleim in einem Interview mit der Zeitschrift „Mädchen". Bestätigt sich der Verdacht, sollte man sich an die sogenannten drei L halten: Licht, Lärm und Leute. „Also einen belebten Ort aufsuchen. Das kann ein Kiosk sein oder eine Bushaltestelle", bestätigt auch Sonia Vivas. Zudem muss sofort die Polizei verständigt werden. „Wenn sich das Ganze dann als Missverständnis herausstellt, ist auch keiner böse. Lieber einmal zu oft anrufen, als es einmal nicht zu tun und dann in Gefahr sein", sagt Kommissarin Kleim. Sonia Vivas rät außerdem dazu, umgehend der Familie oder einem Freund

Bescheid zu geben.

Hilfe per Telefon und App

Angesichts der Vorstellung, dass einem ein fremder Mann nachstellen könnte, treten viele Frauen einen nächtlichen Heimweg ängstlich an. Ein Taxi ist nicht immer eine Option, der Service geht bei häufiger Nutzung schließlich ins Geld. Damit man auf dem Weg nach Hause nicht allein ist, engagiert sich in Deutschland der Verein Heimwegtelefon e.?V. Dieser ist auch als Berliner Nummer (+49 30 12 07 41 82) bekannt. Unter dieser Telefonnummer erreicht man Ehrenamtliche, die in den Nachtstunden aus der Ferne Trost spenden. Den Mitarbeitern kann der eigene Standort und das Ziel durchgegeben werden. Neben dem Zuspruch per Telefon kann der Mitarbeiter im Notfall auch die Polizei rufen, wenn das Opfer dazu nicht mehr in der Lage ist. In Spanien gibt es keine explizite Nummer für diese Fälle. Im Notfall kann man sich aber auch an das Sorgentelefon (717-00 37 17) wenden, das 24 Stunden am Tag erreichbar ist.

Die Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer, Weißer Ring, hat die kostenlose App „No stalk" entwickelt. Diese richtet sich zwar in erster Linie an Stalking-Opfer, ist aber auch zum Schutz vor sexueller Belästigung zu gebrauchen. Im Prinzip erleichtert die App die Bedienung von vielen Basisfunktionen des Handys. So können Kamera- und Tonaufnahmen für eine spätere Anzeige gemacht werden, mit einem Hilfeknopf die Polizei, der Weiße Ring oder Angehörige informiert werden oder mit einem Alarmknopf ein schrilles Signal zur Abschreckung ausgelöst werden.

Zwar ist die App nur in Deutschland erhältlich, es gibt aber eine Reihe von Anwendungen zum Download, die ähnlich der des Weißen Ring funktionieren. Kostenlose Apps, wie beispielsweise „Locator", sind allerdings nur bedingt zu gebrauchen. Die Bedienung ist umständlich, und beim Druck auf einen Notfallknopf wird lediglich eine SMS an vorher gespeicherte Kontakte mit dem Standort gesendet. Wenn diese gerade schlafen, hilft die App natürlich wenig.

Einen besseren Eindruck macht beispielsweise „bSafe". Die App kostet 2,19 Euro pro Woche oder 74,99 Euro im Jahr. Dafür gibt es einen Notruf per Sprachsteuerung, die Möglichkeit für Freunde oder Bekannte, das Handy zu orten und den Weg live mitzugehen oder auch eine Option für simulierte Anrufe, um Angreifer abzuschrecken. Nutzer von iPhones können auch auf die vorinstallierte App „Wo ist?" zurückgreifen. So lassen sich mehrere Telefone miteinander vernetzen, und das eigene Handy kann ständig von Freunden oder Familie geortet werden.