Vom Apfelsaft bis zur Zahnbürste - praktisch sämtliche Konsumgüter des täglichen Lebens gelangen per Schiff nach Mallorca. Und könnten deshalb bald teurer werden, warnt der Vorsitzende des Verbandes für Güterverkehr auf den Balearen, Ezequiel Horrach. „Auf die Transportbranche der Insel kommen durch die Erhöhung der Frachtkosten 80 Millionen Euro Mehrkosten zu", schätzt er. Grund dafür sei die von den Reedereien ab dem 1. Januar 2020 angekündigten Preiserhöhungen für den Seetransport der Lkw. Hintergrund ist eine zu Jahresbeginn in Kraft tretende Verordnung der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO), die eine deutliche Verringerung des Schwefelgehalts in Schiffstreibstoffen vorschreibt. Bisher ist ein Gehalt von 3,5 Prozent Schwefel erlaubt, ab 2020 dürfen es noch 0,5 Prozent sein. Das bisher von fast allen Frachtern und Fähren verwendete Schweröl ist damit keine Option mehr.

Umstieg auf Flüssiggas und Marinediesel

Alternativen sind die aufwendige und kostenintensive Umrüstung auf den Antrieb mit Flüssiggas, vor allem aber die Verwendung von Marinediesel. Der wird derzeit an der Börse in Rotterdam mit etwa 550 Dollar pro Tonne gehandelt, Schweröl kostet rund 100 Dollar weniger. Die Umstellung auf den zumindest derzeit teureren Treibstoff nahmen die auf den Balearen tätigen Reedereien zum Anlass, Ende November für den Seetransport Preiserhöhungen von 15 bis 20 Prozent anzukündigen. „Das wird vor allem kleinere Unternehmen hart treffen", sagt Verbandspräsident Horrach. Schon heute sei die Beförderung der mit Waren beladenen Lkw von Valencia oder Barcelona nach Mallorca unverhältnismäßig teuer: „Die 300 Kilometer auf der Straße von Madrid nach Valencia kosten etwa 300 Euro, die 300 Kilometer über das Meer von Valencia bis nach Mallorca 1.200 Euro, also das Vierfache", rechnet er vor. Durch die Erhöhung würden nun für jeden der rund 400.000 Lkw, die im Jahr Waren nach Mallorca transportieren, weitere 200 Euro fällig. „Diese Kosten können wir Unternehmer nicht allein tragen, der Endkunde wird das zu spüren bekommen."

Subventionen der EU

Die drohende Verteuerung hat knapp einen Monat vor Inkrafttreten der bereits 2016 angekündigten Verordnung auch die Balearen-Regierung auf den Plan gerufen. Bei einem runden Tisch des Seetransports kündigte Verkehrsminister Marc Pons Gegenmaßnahmen an. Neben einer in Aussicht gestellten Senkung der Hafengebühren wollen die Balearen - gemeinsam mit anderen Inseln - Ausgleichszahlungen bei der EU beantragen, zudem soll die spanische Wettbewerbsbehörde darüber wachen, dass die Reedereien die Preise nicht ungerechtfertigt in die Höhe treiben.

Wenig Handlungsspielraum

Verbandssprecher Horrach verspricht sich von den Ankündigungen wenig. „Jetzt wollen sie in Brüssel protestieren, das wird so enden wie mit der Sonderfinanzierung für die Inseln, die seit Jahren in Madrid eingefordert wird." Auch die Senkung der Hafengebühren sei Augenwischerei. „Die gehen höchstens ein Prozent runter, das werden wir nicht einmal bemerken." Tatsächlich ist bei den Gebühren laut Hafenbehörde wenig Spielraum nach unten. „Wir haben bereits alle gesetzlich erlaubten Nachlässe angewendet. Um die Kosten noch weiter zu senken, müsste das im spanischen Haushalt festgeschrieben werden, und der ist derzeit blockiert", so der Sprecher der Hafenbehörde.

Müssen die Inselbewohner ab dem 1. Januar also noch tiefer in die Tasche greifen? Sönke Diesener vom deutschen Umweltverband Nabu winkt ab. „Der Schifffahrtslobby werden gerade die Füße kalt, aber für den Endkunden werden kaum Preisauswirkungen zu spüren sein", so der Referent für Umweltpolitik, dem es an Argumenten nicht mangelt: Vor der Wirtschaftskrise 2008 sei das Schweröl beispielsweise doppelt so teuer gewesen wie derzeit, in den Konsumentenpreisen habe sich das aber nicht widergespiegelt. Zudem zeige das Beispiel der Nord- und Ostsee, wo Schiffe schon seit 2015 nur noch Kraftstoffe mit 0,1 Prozent Schwefelgehalt verwenden dürfen, dass strengere Vorschriften keine Konsequenzen auf die Warenpreise hätten.

Angesichts der Tatsache, dass die IMO-Verordnung weltweit in Kraft tritt, rechnet der Experte zudem damit, dass die Preise für Marinediesel sinken werden: „Alle Raffinerien der Welt haben ihre Produktion umgestellt, da Marinediesel ab Januar das Hauptprodukt der Schifffahrt wird. Es ist eher damit zu rechnen, dass Schweröl teurer wird, nicht umgekehrt." Tatsächlich könne der umweltschädliche Treibstoff weiterhin genutzt werden, wenn sogenannte scrubber zum Einsatz kommen, die den Schwefel auswaschen. Vor allem in der Kreuzfahrtindustrie sei dies der Fall: „Für uns ist es ein Ärgernis, dass dort weiterhin auf schädliches Schweröl gesetzt wird."

Schnell bessere Luft

Insgesamt aber ist Diesener hochzufrieden mit der neuen Verordnung, deren Inkrafttreten sich unmittelbar bemerkbar machen könnte. Nach der Einführung des strengen Grenzwerts von 0,1 Prozent in Nord- und Ostsee habe sich von Dezember 2014 auf Januar 2015 bei Messungen auf der Elbe ergeben, dass sich die Luftqualität extrem verbessert hatte. Die deutliche Reduzierung des Schwefelausstoßes führe nicht nur zur Abnahme von saurem Regen und somit zu verbesserten Bedingungen für die Landwirtschaft.

Einer EU-Studie zufolge wird die neue Kraftstoff-Verordnung im gesamten Mittelmeerraum zu Einsparungen von Gesundheitskosten in Höhe von 14 Milliarden Euro führen, da die Zahl der Atemwegserkrankungen durch die Reduzierung der Feinstoffpartikel in der Luft deutlich zurückgehen wird. Die durch die Umstellung für die Schifffahrtsindustrie entstehenden Kosten betragen der Studie zufolge nur 1,4 Milliarden Euro.

„Natürlich muss jedes einzelne Unternehmen damit erst einmal klarkommen", räumt Diesener ein. Eine Verteuerung sei aber vermutlich auch auf den Inseln nur für Pkw-Überfahrten mit der Fähre zu erwarten. Zudem sei es an der Zeit, die Schifffahrtsprivilegien zu beenden. Die IMO-Vorschrift stelle da nur einen ersten Schritt dar: Immerhin dürften die Frachter auch nach der verordneten Senkung auf 0,5 Prozent noch 500 Mal mehr Schwefel ausstoßen als Dieselautos.