Der Brexit wird kommen. So viel scheint nach den Parlamentswahlen am 12. Dezember in Großbritannien klar. Premierminister Boris Johnson ist mit einer absoluten Mehrheit aus der Wahl hervorgegangen und hat unmissverständlich erklärt, dass er große Eile hat, aus der Europäischen Union auszutreten. Offenbar nimmt er dafür sogar jetzt wieder die Möglichkeit eines ungeregelten Austritts, eines No-Deals in Kauf.

Viele auf Mallorca lebende Briten sind beunruhigt, wie es nun weitergeht. Kate Mentink, so etwas wie die Stimme der Briten auf der Insel, ist immer wieder verblüfft über die Wendungen, die der Brexit nimmt. „Mich erschüttert vor allem, dass Johnson nun die Möglichkeit einer Verlängerung der Übergangsphase ausschließt, in der unter anderem ein Handelsabkommen geschlossen werden muss. Das setzt alle Beteiligten in den Verhandlungen unter riesigen Zeitdruck", sagt Mentink, die Gründerin der Ciudadanos Europeos und langjährige Vorsitzende des Vereins. Mentink lebt seit fast 40 Jahren auf der Insel und leitete jahrelang das Europa-Büro der balearischen Landesregierung.

Es gebe unzählige Abmachungen, die noch in der Luft hingen. „Viele werden sich nur zum Teil umsetzen lassen", sagt Mentink der MZ am Telefon. Für einen umfassenden Austrittsvertrag seien die elf Monate Verhandlungszeit zu kurz, die sich Johnson nach dem Brexit am 31. Januar 2020 selbst gesteckt hat. Demnach läuft die Übergangsphase zum 31. Dezember 2020 aus. Danach ist Großbritannien für die übrigen EU-Nationen Drittstaat.

Wie sich Briten auf Mallorca nun am besten verhalten, ist indes klar. „Am wichtigsten ist, dass alle, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben, auch tatsächlich die Aufenthaltsgenehmigung, also das grüne certificado de residencia haben", sagt der MZ Jacky Codd, die Präsidentin der Senioren-Vereinigung Age Concern auf Mallorca. Daneben gelte es, eine gültige tarjeta sanitaria, also eine Gesundheitskarte, sowie einen spanischen Führerschein zu besitzen. Sind diese drei Dinge gegeben, sei zumindest die Gesundheitsversorgung auf der Insel sowie beispielsweise die Rentenzahlung aus Großbritannien weiterhin gewährleistet.

Da viele Briten aber bisher nicht ordnungsgemäß angemeldet sind, erwartet die Ausländerbehörde auf Mallorca nun bis Ende Januar deutlich mehr Arbeit. Die Behörde ist angesichts des erwarteten Ansturms um drei Mitarbeiter aufgestockt worden, die sich ausschließlich um die Briten kümmern sollen. Nach Zahlen des spanischen Innenministeriums leben auf den Balearen rund 25.000 Briten, von denen bislang aber nur etwa 15.000 offiziell angemeldet sind. 10.000 weitere sollten sich nun ein certificado de residencia holen, wenn sie nicht in Gefahr geraten wollen, eines Tages als Nicht-EU-Bürger ohne Aufenthaltsgenehmigung ausgewiesen zu werden.

Ob und wie lange es auch noch nach dem 31. Januar Möglichkeiten zur Anmeldung als bereits auf Mallorca lebender ehemaliger britischer EU-Bürger geben wird, ist noch unklar. Anwälte wie etwa Borja Casasnovas raten deswegen dazu, auf Nummer sicher zu gehen.

Viele Briten, die nicht regulär auf Mallorca angemeldet waren, sind dem Szenario schon zuvorgekommen und haben sich im abgelaufenen Jahr zurück auf den Weg in die alte Heimat gemacht. „Ich weiß von sehr vielen, die hier ihre Zelte abgebrochen haben", sagt Kate Mentink. Andere dürften in Zukunft größere Probleme bekommen, Saisonarbeitskräfte auf die Insel zu holen. „Es gibt viele Unternehmen, gerade im Wassersportbereich, die auf englischsprachiges Personal angewiesen sind, das bisher für fünf oder sechs Monate im Sommer auf die Insel kam."

Das aber dürfte nach einem Brexit nicht mehr möglich sein, glaubt Kate Mentink. Viele Unternehmer hätten nun Angst um ihr Geschäft. Auch der freie Handel zwischen Spanien und Großbritannien dürfte eingeschränkt werden. So werde es wohl deutlich schwieriger, britische Lebensmittel nach Spanien einzuführen. Mentink ist überzeugt: „2020 wird noch nicht viel spürbar sein, aber 2021 werden wir die vollen Auswirkungen des Brexits merken."