Wenn sich Bäcker in Deutschland darüber aufregen, dass sie seit 1. Januar für jedes Brötchen einen Kassenbon ausgeben müssen, können ihre Kollegen auf Mallorca nur müde lächeln. Hier ist dem offiziellen Begriff nach sogar eine Rechnung Pflicht. In Spanien muss seit sieben Jahren die factura simplificada - eine „vereinfachte Rechnung" in Form eines Tickets - ausgestellt werden. Außerdem vorgeschrieben: Auf dem Kassenbon müssen die einzelnen ­Artikel aufgelistet und vor allem die Mehrwertsteuer (IVA) ausgewiesen sein.

„Das ist durchaus hilfreich im Kampf gegen die Schattenwirtschaft", sagt Félix Alonso, Leiter der Verbraucherschutzabteilung der ­balearischen Landesregierung. Klar sei aber auch, dass die Vorschriften mitunter umgangen würden. „Wenn man in einer Bar kein ­Ticket bekommt, weiß man, was läuft", so der Podemos-Politiker. Und klar sei auch, dass es eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen brauche, um dem Steuerbetrug beizukommen.

Der oberste Verbraucherschützer Mallorcas will mit seiner Abteilung seinen Beitrag dazu leisten. So ist jetzt ein Protokoll geplant, das die Zusammenarbeit zwischen Verbraucherschutz und Finanzamt regeln soll: Finde man bei Inspektionen Hinweise auf Schwarzgeld und Schwarzarbeit, werde man diese in Zukunft an den Fiskus weitergeben, kündigt Alonso im Gespräch mit der MZ an. Bislang ist diese Zusammenarbeit nicht geregelt - und das, obwohl man in der Mehrheit der Fälle, in denen nachweislich gegen den Verbraucherschutz verstoßen wird, auch klare Indizien für die Schattenwirtschaft finde. „Wir mussten in vielen Fällen feststellen, dass keine Rechnungen ausgestellt oder darin die einzelnen Posten nicht ausgewiesen worden sind."

Inwieweit der Kassenbon tatsächlich gegen die economía sumergida hilft und wie groß diese in Wirklichkeit ist, lässt sich nur erahnen. Es liegt in der Natur der Sache, dass es über die Schattenwirtschaft keine offiziellen Zahlen gibt und nur Annäherungen möglich sind. Wirtschaftswissenschaftler Carles Manera, der unter der sozialistischen Antich-Regierung 2007 bis 2011 balearischer Wirtschafts- und Finanzminister war, verweist auf ältere Schätzungen von 18 bis 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf den Inseln. „Das wären dann vier bis fünf Milliarden Euro." Aber das sei eine Zahl, die mit großer Vorsicht zu genießen sei.

Es gibt Entwicklungen, die für einen Rückgang der Schattenwirtschaft auf den Balearen sprechen. So haben die Inseln die schwere Wirtschaftskrise von 2008 und ihre Auswirkungen inzwischen deutlich hinter sich ­gelassen. Gerade nach Einschätzungen der ­Gewerkschaften wird in Krisenzeiten mehr schwarz gearbeitet und schwarz kassiert. ­Unter anderem der Abgleich von Statistiken zeige, dass so einige, die arbeitslos gemeldet ­waren, nicht wirklich ohne Job waren. Seit 2014 haben denn auch die Einnahmen aus Lohn- oder Mehrwertsteuer wieder ­angezogen, wie ­Wirtschaftswissenschaftler Antoni Riera erklärt - welche Anteile davon freilich auf mehr Wirtschaftsleistung und welche auf weniger Schattenwirtschaft entfallen, sei nur schwer zu ermitteln.

Auch die Vorschriften sind in vielen Bereichen strenger geworden, gerade Bargeld-Geschäfte im großen Stil werden erschwert. Wer eine Immobilie kauft, muss vor dem Notartermin penibel nachweisen, woher die einzelnen Beträge stammen. Bargeld-Geschäfte sind in Spanien nur noch bis zu einer Obergrenze von 2.500 Euro erlaubt, und die neue Linkskoali­tion in Madrid hat weitere „rigorose Limits" angekündigt. Die in Spanien besonders beliebten 500-Euro-Scheine werden nicht mehr ausgegeben und sollen langfristig abgeschafft werden, gleichzeitig werden immer mehr Käufe über Kreditkarte oder via Handy getätigt - rund die Hälfte der Spanier nutzt bereits Dienste wie Bizum oder Apple Pay.

Dass die Schattenwirtschaft aber weiterhin zumindest kleine Blüten treibt, weiß jeder aus eigener Erfahrung, sei es bei der Abwicklung von Mietzahlungen, bei Aufträgen an Handwerker oder beim Besuch der Autowerkstatt nebenan. Hier spielen zum einen die Unterschiede in der Unternehmensstruktur eine Rolle - in Spanien gibt es im Vergleich zu anderen EU-Ländern sehr viele kleine Firmen -, zum anderen auch das größere Gewicht des Dienstleistungssektors auf den Balearen, der als anfälliger gilt für die economía sumergida. „Das sind besonders flexible Bereiche, die sich auch schwerer kontrollieren lassen", so der Wirtschaftswissenschaftler Carles Manera. Ohnehin konzentriert sich der Fiskus bei Inspektionen vor allem auf große Fische, bei denen höhere Summen ans Licht gebracht werden können.

Dabei sind die Inspektionen nach Einschätzung von Félix Alonso nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine „pädagogische" Investition - zumal wenn die Namen der überführten Sünder auch öffentlich gemacht werden. „Das tut mehr weh als Geldstrafen", so der Verbraucherschützer, der nun nach eigenen Angaben hofft, dass die neue spanische Linksregierung im verstärkten Kampf gegen Steuerhinterziehung und Schwarzmarkt auch mehr Mittel für Inspektionen frei macht.

Nach Lesart des linken Politikers ist auch der versprochene Ausbau des Sozialstaats ein wirksames Mittel gegen die Schattenwirtschaft. Denn den Bürgern werde auf diese Weise bewusst gemacht, dass Steuern und ­Abgaben keine staatliche Gängelung seien, sondern eine fundamentale Investition unter anderem in das Bildungs- und Gesundheitswesen. Für diesen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel nach Vorbild nordeuropäischer Länder stünden alle in der Verantwortung. Deswegen könne es auch nicht sein, dass in Werbekampagnen immer wieder irreführend für einen „mehrwertsteuerfreien Einkauf" („sin IVA") geworben werde - gerade so, als ob die Steuer nicht trotzdem auf dem Kassenbon ausgewiesen würde.