Der Skandal um sexuellen Missbrauch an Bewohnerinnen mallorquinischer Jugendheime ist zu einem Politikum geworden, das die Linksregierungen im Inselrat Mallorca, auf den Balearen und in der spanischen Hauptstadt mächtig unter Druck setzt. Öffentlichkeitswirksam besteht die konservative Opposition in Palma auf ihrer Forderung einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Missbrauchsfällen einzurichten. Unterdessen mussten auch zwei spanische Minister Rede und Antwort stehen. Sozialminister ­Pablo ­Iglesias und Gleichstellungsministerin Irene Montero verpflichteten sich, das Thema genau untersuchen zu lassen: „Wer zurücktreten muss, wird zurücktreten", erklärten beide und setzten damit auch den eigenen Koali­tionspartner unter Druck. Iglesias und ­Montero gehören beide der Linkspartei ­Unidas Podemos (UP) an. In Spanien, auf den ­Balearen und im Inselrat regieren zurzeit die Sozialisten (PSOE) jeweils in Koalitionen mit verschiedenen Linksparteien.

Die Zustände in den Heimen auf Mallorca waren in die öffentliche Diskussion geraten, nachdem eine 13-Jährige über Weihnachten aus ihrem Heim abgehauen und mutmaßlich Opfer einer Gruppenvergewaltigung wurde. Sozialarbeiter meldeten sich zu Wort und erklärten, dass viele jugendliche Heimbewohnerinnen regelmäßig abhauen, um sich Geld durch Prostitution zu verdienen. Die Behörden hätten davon Kenntnis, über Jahre sei das stillschweigend geduldet worden.

In der Balearen-Hauptstadt stimmten die Sozialisten gegen den Antrag auf Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Der Schulterschluss der mitregierenden Linksparteien erfolgte mit knirschenden Zähnen. Dann scheiterte am Montag (24.2.) die von den Sozialisten angekündigte Expertenkommission, die den Schutz in den Jugend­heimen verbessern sollte. Ausgerechnet der als Leiter der Kommission vorgesehene Psycho­loge lehnte den Auftrag ab. Die parteipolitische Instrumentalisierung des Themas mache es derzeit unmöglich, eine solche Kommission zu leiten, erklärte Jorge Carlos Fernández del Valle von der Universität Oviedo, der als Fachmann in Sachen Jugendschutz gilt und von den Sozialisten als Garant für den Erfolg der Gruppe dargestellt worden war.

An dessen Ansehen hatte jedoch kurz vor der Ernennung ein Zeitungsartikel der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca" gekratzt. Die Tageszeitung hatte veröffentlicht, dass es derselbe Psychologe war, der schon vor zwölf Jahren 60.000 Euro vom sozialistisch ­regierten Inselrat bekommen hatte, um die aktuell geltenden Schutzprotokolle in den ­Jugendheimen auf Mallorca einzurichten - dieselben Schutzmaßnahmen also, die nun ­infrage gestellt werden. Fernández del Valle sagte, dass sie nicht funktioniert hätten, weil unter den konservativen Regierungen die ­Mittel gekürzt worden seien. Doch seinen Ruf als parteipolitisch unabhängiger Fachmann hatte er nach dieser Debatte verloren.

Die balearische Sozialministerin stellte am Dienstag (25.2.) noch einmal klar, dass sich dieses Problem auch nicht mit ihrem Rücktritt lösen lasse. Doch der Druck, politische Verantwortung zu übernehmen, wächst.