Die Rettungsschwimmer der Gemeinde Capdepera im Nordosten von Mallorca sind alles andere als harmonisch in die Strandsaison gestartet. „Wir warten seit sechs Wochen darauf, dass uns professionelles Rettungsmaterial zur Verfügung gestellt wird, aber bisher vergeblich", sagt Lucas Maggio. Der 34-jährige Argentinier arbeitet seit sechs Jahren an den Stränden im Gemeindegebiet, zu denen neben Cala Ratjadas Stadtstrand Son Moll auch die beliebte Naturbucht Cala Agulla, Cala Gat, Cala Mesquida und Font de Sa Cala zählen. Bisher habe es nie solche Probleme gegeben, beteuert er. Aber in diesem Jahr hat eine andere Firma als bisher die öffentliche Ausschreibung über die Konzession der Strandsicherheit gewonnen. „Und die neuen Verantwortlichen scheinen das Ganze absolut nicht ernst zu nehmen, sondern sich nur bereichern zu wollen. So lange, bis wirklich etwas passiert. Sie spielen mit Menschenleben."

In den ersten drei Wochen nachdem die Rettungsschwimmer ihre Arbeit in diesem Jahr aufgenommen haben, hätten sie kaum mehr Ausstattung zur Verfügung gehabt, als eine Rettungsboje pro Person, ein Funkgerät und einen Campingsstuhl. „Alles andere, wie Sonnen- oder Regenschutz, medizinische Versorgungsstationen oder Corona-Schutzmasken, aber auch Rettungsboote und Verbandszeug fehlten uns", so Maggio. Auch jetzt, sechs Wochen später, sehe es kaum besser aus. „Das Material, das sie auf unsere Drängen hin dann doch angeschafft haben, ist von billigster Qualität. Da bringen die Urlauber bessere Ausrüstung mit, als wir, die Leben retten wollen", erzürnt sich Maggio genau wie all seine langjährigen Kameraden. Die Versorgungsstationen für verletzte Badegäste seien bisher in alten Baucontainern ohne Regale eingerichtet worden, in den meisten gebe es weder Strom für das Aufladen der Funkgeräte noch fließendes Wasser für die Pflege der Verwundeten. „Und das, obwohl das Rathaus in diesem Jahr fast eine halbe Millionen Euro mehr an die Firma zahlt, als in den vergangenen Jahren. Aber bei der Strandsicherheit, um die es ja eigentlich geht, kommt nichts davon an."

Auch die Organisation lasse einiges zu wünschen übrig, so die socorristas. „In Cala Mesquida konnten wir vor einigen Tagen erst mit 75 Minuten Verspätung an die Arbeit gehen, weil niemand den Schlüssel für das Materialhäusschen hatte, und das, obwohl der Strand voller Badegäste war. Es ist das reinste Chaos."

Zehn der insgesamt 23 Rettungsschwimmer seien zudem zum Saisonbeginn hin neu eingestellt worden und hätten überwiegend keinerlei Erfahrung mit der Badeaufsicht an Stränden. „All das zusammen genommen macht es uns unmöglich, die Sicherheit zu gewährleisten", so Lucas Maggio, der erst vergangene Woche zwei Frauen an der Cala Agulla nur knapp vor dem Ertrinken retten konnte. Gemeinsam mit seinen langjährigen Kollegen reichte er mehrmals offizielle Beschwerden beim Rathaus, bei der Notrufstelle 112 und bei der Ortspolizei ein. Am Montag (15.6.) wurde er dann fristlos entlassen. „Als Begründung sagte man mir, es fehle das Vertrauen, aber die wollen mich doch nur ruhig stellen", behauptet der 34-Jährige, der in Argentinien nicht nur eine einjährige Ausbildung zum Rettungsschwimmer gemacht hat, sondern dort auch bei der Seenotrettung des Militärs tätig war.

„Wir wissen von all den Mängeln, wir sind täglich in Kontakt mit den Rettungsschwimmern, die bisher immer zu unserer Zufriedenheit gearbeitet haben und stehen voll auf ihrer Seite", so Franciso Martínez, Umweltdezernent im Rathaus von Capdepera. Dort habe das Thema höchste Priorität. Man habe bereits ein Bußgeldverfahren gegen die beauftragte Firma eingeleitet, sowie zwei Mal eine Frist gestellt, um die Verantwortlichen dazu zu zwingen, Verbesserungen in Organisation und Material herbeizuführen. Die erste Frist sei fast ergebnislos verstrichen, die zweite endet Anfang kommender Woche. „Sollte das alles nichts bringen, werden wir in Erwägung ziehen, den Vertrag mit dem Unternehmen zu kündigen, und eine neue Ausschreibung machen", so Martínez.

Besagte Firma - das Unternehmen SRP aus Alcúdia - weist die Vorwürfe auf MZ-Anfrage zurück. "Zunächst hieß es, dass wir erst ab Juni mit der Strandsicherung beginnen sollen, am 7. Mai wurde uns dann plötzlich mitgeteilt, dass es schon am 9. Mai losgehe", so Geschäftsführer David Díaz. Mitten im Alarmzustand sei dies sehr überstürzt gewesen, zumal nicht alle Lieferanten sofort das erforderliche Material bringen konnten. "Mittlerweile fehlen aber nur noch wenige Sachen, die essenziellen Utensilien sind da, es besteht keine Gefahr für Badegäste", betont Díaz. Er beklagt zu dem einen "Boykott" seitens einiger Rettungsschwimmer, die den Vorwandt nutzten, um Druck auszuüben, sodass ihr Gehalt erhöht werde. Auch werde vom Rathaus keinesfalls so viel Geld zur Verfügung gestellt, wie die socorristas behaupten.

Rettungsschwimmer Lucas Maggio hält das für Ausreden. Trotz seiner Entlassung will er weiter kämpfen. „Mir ist es vollkommen egal, welche Firma übernimmt. Hauptsache, die Strandsicherheit wird gewährleistet."