Es ist schon länger her, dass auf Mallorca Straßenbauprojekte offiziell eingeweiht wurden. Nicht wegen Corona, sondern wegen der politischen Debatte: Der für den Straßenbau zuständige, linksregierte Inselrat will eigentlich viel lieber den öffentlichen Personenverkehr fördern, hat dafür aber keine Kompetenzen. Und die Projekte, die zuletzt noch in Angriff genommen wurden, sind das Erbe aus früheren Legislaturperioden. So ist zu erklären, dass der letzte Abschnitt des zweiten Palma-Rings 2019 ganz ohne öffentlichen Akt in Betrieb genommen wurde. Und so ist auch zu erklären, dass der zuständige Verkehrsdezernent des Inselrats, Iván Sevillano, Ende vergangener Woche nicht zum Ortstermin an der neuen Ausfahrt der Inca-Autobahn nach Lloseta erschien. Aus politischer Überzeugung, wie der Politiker der Linkspartei Podemos erklärte.

Das Projekt zu rechtfertigen, überließ Sevillano der sozialistischen Inselratspräsidentin Catalina Cladera, die sich zudem mit demonstrierenden Landschaftsschützern herumärgern durfte. Dabei hatten Anwohner von Lloseta, die bislang über Inca oder Alaró fahren mussten, um auf die Autobahn zu gelangen, seit Jahrzehnten eine eigene Auffahrt gefordert. Weitere Argumente für das 9,3-Millionen-Euro-Projekt: Der Durchgangsverkehr in Binissalem reduziere sich. Neben Auffahrten, Überführung und den zwei Kreisverkehren sei auch ein Fuß- und Radfahrerweg zwischen Lloseta und Inca angelegt worden.

Die Demonstranten dagegen argumentieren, dass die Auffahrt in erster Linie ein Geschenk an den Konzern Cemex sei, der in Lloseta bis vor Kurzem ein Zementwerk betrieb. Die Produktion wurde inzwischen eingestellt, das Gelände fungiert aber weiter als Vertriebsstandort. Zudem ist ein gesteinsverarbeitender Betrieb in Planung, für den der Steinbruch Can Negret in der Gemeinde Alaró herangezogen werden soll. Mit der neuen Auffahrt werde so die Verschandelung der Landschaft begünstigt. Andererseits will die Landesregierung den Standort Lloseta unter anderem mit einem Werk zur Wasserstoffproduktion unter grünen Vorzeichen reindustrialisieren.

Llucmajor-Campos

Deutlich schwerer wiegt das Erbe des Projekts der Schnellstraße nach Campos. Die Umweltorganisation Terraferida hat in den sozialen Netzwerken mit neuen Luftbildern von den Bauarbeiten an der bisherigen Landstraße Alarm geschlagen. Zum Beweis, dass die vom Inselrat versprochene Abspeckung des Projekts nur heiße Luft sei, montierten die Aktivisten kurzerhand auch das Castell Bellver in die Aufnahmen, um die Dimension der neuen Infrastruktur zu verdeutlichen. Besonders in Mitleidenschaft gezogen worden sei ein Waldstück an der Grenze der Gemeinden Llucmajor und Campos. Hier dehne sich eine künftige Anschlussstelle auf 280 Meter Breite aus, obwohl kein Ort und keine andere wichtige Verkehrsader angebunden werden müssten. Die „Autobahn" zerschandele für immer eine landschaftlich reizvolle Gegend und leiste der zu erwartenden Immobilienspekulation in dem Gebiet Vorschub.

Die Fotos riefen zudem auch die Eisenbahnfreunde Mallorcas auf den Plan, ist doch zu sehen, dass auch die frühere Trasse Palma-Santanyí von den Bauarbeiten in Mitleidenschaft gezogen wird. Der Verein, der sich vergeblich für eine Restaurierung der 1964 stillgelegten Strecke als Radwanderweg eingesetzt hatte, forderte die Reparatur der Schäden, was der Inselrat auch umgehend zusicherte.

Ansonsten äußerte sich der Inselrat nicht öffentlich zur Kritik. In der Vergangenheit war stets auf die hohe Zahl tödlicher Unfälle auf der Landstraße verwiesen worden, immer wieder kam es zu Frontalkollisionen. Das Bauprojekt soll offenbar mit so wenig Öffentlichkeitswirkung wie möglich zu Ende gebracht werden. Das Interesse an einem Feierakt zur Eröffnung dürfte denkbar gering sein.