Dass die Umwelt in vielerlei Hinsicht durch den Massentourismus in Mitleidenschaft gezogen wird, ist bekannt. Doch welche Einflüsse hat der größte Wirtschaftssektor der Insel konkret auf unsere Umgebung? Welche Urlaubsmodelle sind weniger schädlich als andere? Wie können Gemeinden gezielt für Nachhaltigkeit sorgen, ohne auf Besucher verzichten zu müssen? Und inwieweit ist das mit den Bedürfnissen der Urlauber vereinbar? All das will ein neuer Lehrstuhl an der Balearen-Universität (UIB) in gezielten Feldstudien herausfinden. Als Forschungsgebiet stehen die Urlaubsorte in der Gemeinde Capdepera auf dem Plan. Doch die Ergebnisse dürften auch für andere Inselgemeinden von Interesse sein.

„Die Idee hatte unser Bürgermeister Rafel Fernández im vergangenen Jahr", berichtet Pere Terrasa, Tourismusdezernent im Rathaus Capdepera. Schon seit Jahren hege die Gemeinde enge Verbindungen zur Uni in Palma. Dass die Kommune nun aktiv an der Gründung des neuen Lehrstuhls „Medio Ambiente y Turismo" mitwirkt, sei aber ein Novum. „Bisher gab es solche Kooperationen nur mit Unternehmen", bestätigt auch Tolo Deyá, Dekan der Tourismusfakultät an der UIB. Er wird federführend daran beteiligt sein, wenn ab September die ersten Feldstudien starten.

„An dem Projekt werden Studierende des Fachbereichs Tourismus, aber auch aus Studiengängen wie Biologie mitwirken", erklärt er. Geplant ist, über vier Jahre hinweg sowohl mit Urlaubern, als auch mit Anwohnern und touristischen Unternehmen in der Gemeinde Capdepera wissenschaftliche Interviews und Umfragen durchzuführen. Zudem sollen die Natur in der Umgebung analysiert und mögliche Einflüsse, die direkt mit dem Tourismus in Zusammenhang stehen, festgestellt werden. „Es bringt ja nichts, wenn man touristische Strategien entwickelt, die vollkommen an den Wünschen der Urlauber vorbeigehen", so Deyá. Genauso wenig aber sei es sinnvoll, dem Naturschutz keine Priorität einzuräumen - schließlich kämen viele Reisende extra wegen der Schönheit der Umgebung. Am Ende der vier Forschungsjahre stehen, so zumindest das Ziel, konkrete Handlungsstrategien, die ein gelungenes Zusammenspiel von Tourismus und Umwelt ermöglichen.

Die Gemeinde Capdepera biete sich als Versuchslabor an, findet Deyá. Hier verbringen nicht nur verschiedenste Tourismustypen ihre Ferien - von Partyurlaubern über Familien bis hin zu kulturinteressierten Individualtouristen oder Sporturlaubern. Im Gemeindegebiet sind neben den Ortskernen auch weite Flächen unter Schutz stehender Natur zu finden.

„Letztlich soll die Gemeinde nachhaltiger werden, ohne an Konkurrenzfähigkeit einzubüßen. Und andere Gemeinden können davon mittelfristig sicherlich auch profitieren, da sich viele Aspekte übertragen lassen", so Deyá. Mit ersten Zwischenergebnissen könne man im zweiten Quartal von 2021 rechnen.

Insgesamt 60.000 Euro steckt Capdepera jährlich in den neuen Lehrstuhl. Dezernent Pere Terrasa ist überzeugt, dass das Geld gut angelegt ist. „Für uns geht es um die Frage: Wohin mit Cala Ratjada und Co.? Wir wollen wissen, wie die Realität ist, um unsere Politik daran auszurichten."