Wenig Regen, weniger Urlauber, tägliche Corona-Nachrichten: Die massiven Abwasser-Probleme in der Bucht von Palma können in diesen Wochen leicht aus dem Blickfeld geraten. Dass dem nicht so ist, dafür sorgen die neuen Dauerbaustellen in Palma. Erst wurde der Boden im Gewerbegebiet Llevant, in Sichtweite von Ikea und Müller, aufgebuddelt, seit Ende Juli ist nun auch schweres Gerät am Krekovic-Park im Einsatz. Gebohrt wird eine Tunnelröhre für eine neue Kanalleitung, die vom Innenstadtring (Avenidas) bis hinaus zur Kläranlage neben der Flughafen-Autobahn auf Höhe von Coll d'en Rabassa reichen soll. Und noch bevor das knapp zwölf Millionen Euro teure Projekt abgeschlossen ist, nehmen sich Palmas Stadtwerke Emaya schon des nächsten Problems an: Ab Oktober soll in einem mehrjährigen Projekt die gesamte Kanalisation im Gewerbegebiet Son Castelló erneuert werden.

Dass bei praktisch jedem stärkeren Regenfall ungeklärtes Abwasser in die Bucht von Palma fließt, hat mehrere Ursachen, allen voran die überlastete Kläranlage von Coll d'en Rabassa. Das Problem ist aber auch die veraltete Kanalisation: In weiten Teilen der Balearen-Hauptstadt fließen Abwasser und Regenwasser in einer einzigen Rohrleitung ab, sodass die bei stärkeren Niederschlägen zu bewältigende Wassermenge sehr schnell und sehr stark steigt. So ist schnell ein Limit erreicht, ab dem das vermischte Schmutzwasser direkt ins Meer geleitet werden muss.

Bis die spanische Zentralregierung nun den Neubau einer Kläranlage hinbekommt - die Zuständigkeit liegt in Madrid -, macht Emaya die eigenen Hausaufgaben in Sachen Kanalisation. Es sind teure, zeitaufwendige Investitionen, die manch Wähler nur als störende Baustelle wahrnimmt. Doch andererseits war nach den zahlreichen Zwischenfällen mit roten Fahnen an Palmas Stadtstränden der Druck in Medien und Politik immer größer geworden, endlich Abhilfe zu schaffen.

„Mission null Überlauf"

Was jetzt geplant ist, wirkt wie die Flucht nach vorne, die Operation heißt offiziell „Objetiu vessaments zero", was sich frei übersetzen ließe mit „Mission null Überlauf": Insgesamt sollen im Zeitraum 2019 bis 2023 für 40 Sanierungsprojekte im Stadtgebiet rund 69 Millionen Euro fließen, wobei Emaya nach eigenen Angaben 14 Millionen Euro aus eigenen Mitteln stemmt. Das restliche Geld stammt aus der Abwasser­abgabe, die von allen Haushalten kassiert wird. Der canon de saneamiento darf eigentlich nur für Wartung und Investitionen rund um die Abwasseraufbereitung ausgegeben werden, war aber vor allem in der Zeit nach der schweren Wirtschaftskrise von 2008 von der balearischen Landesregierung für andere Dinge verwendet worden.

Los ging es mit den Bauarbeiten Anfang des Jahres, verlegt wird derzeit eine insgesamt 3,2 Kilometer lange Leitung. Die Rohre mit einem Durchmesser von zwei Metern, die im Schnitt acht Meter unter der Manacor-Straße verlaufen, sollen Regen- und Abwasser praktisch der halben Stadt aufnehmen. Seit Juli wird nun auch gebohrt, vom Park Krekovic Richtung Avenidas, angesetzt sind vier Monate. Danach folgen fünf weitere Teilstücke, und nach einer Bauzeit von anderthalb Jahren soll die zum Einsatz kommende Tunnelbohrmaschine des Typs Herrenknecht AVN1800TB - laut Hersteller verfügt sie über eine präzise Steuerung auch bei engen Radien sowie vertikalen und horizontalen Kurven - dann bei der Kläranlage EDARII durchstoßen.

Die Leitung mündet aber nicht direkt in die Kläranlage, sondern in ein ebenfalls geplantes neues Rückhaltebecken, das noch einmal mit knapp elf Millionen Euro zu Buche schlägt. Mit einer Kapazität von mehr als 50.000 Kubikmetern soll es bei starken Regenfällen das Abwasser zwischenspeichern, um die veraltete Kläranlage nicht zu überlasten. Fertig werden soll das Becken bis Februar 2021.

Mit diesen Maßnahmen sei schon viel gewonnen, wird bei Emaya betont. Wenn Leitung und Rückhaltebecken in Betrieb gehen, könnten 90 Prozent der Abwassereinleitungen im Mündungsbereich Baluard del Príncep verhindert werden - sie hatten in der Vergangenheit zur Folge, dass das Baden an den Stadtstränden Can Pere Antoni und Ciutat Jardí verboten werden musste.

Großbaustelle Son Castelló

Im Gewerbegebiet Son Castelló wird das Abwasserproblem noch etwas grundsätzlicher angegangen. Als das polígono industrial Ende der 1960er-Jahre entstand, wurde bei der Kanalisation nicht zwischen Regen- und Abwasser unterschieden. Folge: Bei starken Regenfällen fließt die trübe Brühe über den Sturzbach Gros bei Ciutat Jardí ins Meer. Nun werden unter der Fahrbahn nachträglich Kanalrohre für das eigentliche Abwasser verlegt, während das Regenwasser über die bisherigen Rohre abfließen soll.

Weil praktisch alle Straßen des Gewerbegebiets aufgerissen werden müssen - die Rede ist von 18 Kilometer Kanalleitung -, wurde das Projekt in fünf Phasen aufgeteilt, die sich ab Oktober über vier Jahre erstrecken. Veranschlagt sind Kosten in Höhe von mehr als 14 Millionen Euro. Positiver Nebeneffekt: Es entstehen laut Emaya Jobs für mehr als 300 Personen. Und da der Belag schon einmal aufgerissen wird, erneuern die Stadtwerke auch gleich die Leitungen zur Trinkwasserversorgung. In der fünften und letzten Phase entsteht dann auch hier ein Rückhaltebecken, und zwar für das vermengte Schmutzwasser, das aus dem Gebiet Esporles und Bunyola ebenfalls Richtung EDARII fließt.

Was das Projekt von Son Castelló für die Stadtstrände bringt, hat man bei Emaya ziemlich genau ausgerechnet. Die Investitionen verhinderten bei einem 20-minütigen Regenschauer die Einleitung von 24.000 Kubikmetern trüber Brühe ins Meer.