Eigentlich könnten die Strände und Buchten im Gemeindegebiet Santanyí im Südosten von Mallorca in diesem Jahr idyllischer denn je sein. Weniger Urlauber, weniger Andrang, weniger Müll. Doch Letzteres entspricht nicht der Wirklichkeit. Fast täglich sammeln sich an Stränden und im seichten Küstengewässer große Mengen an Plastikabfällen. Und der kommt überwiegend vom offenen Meer. Der Grund: Die Müllboote, die normalerweise im Auftrag der Balearen-Regierung tonnenweise Müll im Meer sammeln, bevor er zu den Inseln gelangt, fahren in diesem Sommer nicht zur See.

Die Plastikschwemme könne das Bild Mallorcas und der anderen Inseln langfristig schädigen, befürchtet Santanyís Rathaussprecher Martí Picorelli im Gespräch mit der MZ und holt weiter aus: Im Winter habe es zwei schwere Unwetter gegeben, die viele Strände regelrecht verwüstet hätten. „Es bedurfte großer Anstrengung, sie wieder in einen annehmbaren Zustand zu bringen. Selbst während der Ausgangssperre war die von uns beauftrage Reinigungsfirma aktiv, um die Strände sauber zu halten." Denn während die Reinigung der Küstengewässer in den Aufgabenbereich der Landesregierung fällt, obliegt die Strandreinigung den Gemeinden, die dafür in der Regel Reinigungsfirmen beauftragen und bezahlen. Man habe damit gerechnet, dass zum verspäteten Saisonbeginn alles tipptopp sei. „Aber es ist unverkennbar, dass in diesem Jahr viel größere Mengen an Müll angespült werden als in der Vergangenheit, als die Müllboote einen Großteil abfingen, bevor er die Küste erreichte. Wir kommen bei der Reinigung kaum hinterher."

Ungünstige Strömungen

Dass vor allem die Gegend um Santanyí betroffen ist, dürfte an den Meeresströmungen liegen. „An einigen Tagen kommen große Mengen an Müll, an anderen praktisch gar keiner", so Picorelli. Insgesamt 15 Strände und Buchten zählen zum Gemeindegebiet. „Einige davon sind schwer zu erreichen, was die Reinigung zusätzlich erschwert." Das größte Aufkommen an Plastikmüll habe man in Caló des Pou, Caló des Burgit und auch an der Cala Santanyí registriert. „Aber es ist ein allgemeines Problem, das nicht nur unsere Gemeinde betrifft", so Picorelli. Er ist besorgt um das Bild, das man nun mitten in der Hochsaison abgebe - vor allem, da Urlauber wegen Corona und Reisewarnung ohnehin zögerlich seien, wenn es ums Reisen gehe. „Wir versuchen mit allen Mitteln, uns so gut wie möglich darzustellen. Die Landesregierung sollte nicht zulassen, dass ein so wichtiger Service wie die Küstenreinigung mitten im August allein aus bürokratischen Gründen nicht stattfindet. Dadurch stehen Mallorca und die anderen Balearen-Inseln schlecht da."

Santanyís Bürgermeisterin Maria Pons macht die Landesregierung für die Probleme verantwortlich. In einem Schreiben Mitte Juli fragten sie bei den Verantwortlichen für die Wasserqualität im Umweltministerium an, ab wann die Müllboote wieder im Einsatz seien. Bis heute habe man keine Antwort erhalten.

Probleme bei Lizenzvergabe

„Wir sind uns darüber im Klaren, dass die Situation schwierig ist", räumt eine Sprecherin des balearischen Umweltministeriums auf MZ-Anfrage ein. Sie verweist auf Schwierigkeiten bei der Auftragsvergabe an die Müllfischer. Die Konzession sei Ende vergangenen Jahres ausgelaufen. Bei der öffentlichen Ausschreibung für eine neue Vergabelizenz habe eine Firma aus Ibiza Einspruch erhoben, der dann vom Verwaltungsgericht bearbeitet werden musste. Der Corona-Lockdown habe das Prozedere zusätzlich verzögert. Mittlerweile sei eine neue Vergabe zwar möglich, doch bis die neuen Konzessionäre loslegen dürfen, müsse noch einiges an Papierkram geregelt werden - und das könne Wochen, möglicherweise sogar Monate dauern.

Normalerweise waren in den vergangenen Jahren zwischen Anfang Mai und Ende September täglich 30 Müllfischerboote in den Balearen-Gewässern unterwegs. Allein im Jahr 2019 sammelten sie mehr als 66 Tonnen Müll ein und verhinderten so, dass er sich den Inseln näherte. Ein Großteil der Abfälle treibt von Nordafrika aus gen Balearen. Vor allem wenn über mehrere Tage starker Wind aus Südost weht, sind die Mengen an Müll, die von Algerien kommen, beachtlich.

In Santanyí wächst derweil der Unmut über die weiterhin unklare Situation - zumal sich vermehrt auch schon Anwohner über den Plastikmüll an den Buchten beschwert hätten. „Wir versuchen, auf jeden Hinweis direkt

zu reagieren", so Rathaussprecher Martí Picorelli. Keine leichte Aufgabe bei rund 30 Kilometer Küstenlänge.