Am 10. September soll auf Mallorca die Schule wieder losgehen - ein halbes Jahr, nachdem die Schulen Mitte März wegen der Corona-Krise die Pforten schlossen und meist eher schlecht denn recht auf Homeschooling umschalteten. Einige Schulen hatten zwar kurz vor den Sommerferien im Juni einige Tage geöffnet, von regelmäßigem Schulbetrieb konnte aber keine Rede sein. Nach einer so langen Pause, so könnte man meinen, kann das neue Schuljahr nun geordnet und unter angemessenen Hygienemaßnahmen starten. Doch erst zwei Wochen vor der vuelta al cole macht die Politik klare Ansagen - und viele Details sind noch immer ungeklärt.

Grundsätzlich, darin sind sich Eltern, Lehrer und Politik einig, ist die oberste Priorität, das Infektionsrisiko trotz Schulöffnung so „gering wie möglich" zu halten - allein deshalb, weil die Einrichtungen vorübergehend wieder geschlossen werden müssten, wenn es Infektionsherde gibt. Eine Null-Risiko-Lösung gibt es allerdings nicht, warnte der Corona-Sprecher des balearischen Gesundheitsministeriums, Javier Arranz, am Montag (24.8.), als zwar klar war, dass die Schulen am 10. September eröffnen werden, nicht aber, in welcher Form.Stufenweiser Schulbeginn

Konkrete Maßnahmen und Abläufe gab das balearische Bildungsministerium erst am Mittwochmittag (26.8.) bekannt. „Es wird ein sehr ungewöhnliches Schuljahr werden, gekennzeichnet durch so viel Präsenzunterricht wie möglich und so viele Sicherheitsvorkehrungen wie nötig", leitete der balearische ­Bildungsminister Martí March bei einer Pressekonferenz ein und erklärte, dass auf den ­Balearen zunächst das im Juli ausgearbeitete Szenario B zum Einsatz käme. Dieses besagt, dass der Schulbetrieb ab dem 10. September langsam und stufenweise aufgenommen wird, dass Schüler ab der 8. Klasse (2º de ESO) jedoch ­einen Teil des Unterrichtsmaterials über E-Learning-Tools von zu Hause aus bearbeiten können. Die Entscheidung darüber liege bei der Schulleitung.

Für jüngere Schüler bis einschließlich zur 7. Klasse (1º de ESO) und solche, die besondere Unterstützung brauchen, werde der Präsenz­unterricht in Kleingruppen angestrebt. Das Szenario A (ganz normaler Unterricht) könne angesichts der steigenden Corona-Fallzahlen derzeit ausgeschlossen werden. Das Szenario C (Unterricht komplett von zu Hause aus, wie er während der Ausgangssperre im Frühjahr stattgefunden hatte) solle vermieden werden, soweit es die Pandemie zulasse. „Falls es auf der Insel lokale Ausgangssperren geben sollte, ist dies in den dortigen Schulen aber durchaus möglich", so March.

Bei der Organisation der stufenweisen Wiederaufnahme des Schulbetriebs hätten die Bildungseinrichtungen weitgehend freie Hand, allerdings sollen nicht mehr als 150 Kinder pro Schule pro Tag aus den Sommerferien

zurückkehren. Bei größeren Schulen dürfte es also einige Tage dauern, bis der Unterricht für alle wieder losgeht. „Dieses Jahr stehen die ­gesundheitlichen Aspekten über den päda­gogischen, das ist bedauerlich aber so ist nun einmal die Situation", so Joana Maria Mas, Vorsitzende der Vereinigung von Grundschul­leitern auf Mallorca.

Maske und kleinere Gruppen

Bildungsminister Martí March erklärte zudem, dass auch während des Unterrichts ein Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten ­werden müsse. Schüler ab sechs Jahren ­müssten - wie schon bisher im öffentlichen Raum - in der Schule eine Maske tragen. In ­Gemeinschaftsräumen und Fluren, in denen es sich nicht vermeiden ließe, Mitschülern und Lehrer näher zu kommen, sollen sogar Vorschüler ab drei Jahren eine Maske tragen.

Zudem sollen die Unterrichtsgruppen auf 20 Personen beschränkt werden, die zu unterschiedlichen Zeiten in die Pause gehen dürften, um Menschenansammlungen auf den Schulhöfen zu vermeiden. Um den Unterricht in kleineren Gruppen organisieren zu können, stellt die balearische Landesregierung 30 Container zur Verfügung, die als zusätzliche Lehrräume genutzt werden können. Auch die Rathäuser müssten nun tätig werden und zusätzliche Räumlichkeiten finden, so March.

Der Bildungsminister erläuterte auch, was Eltern, Lehrern und Schülern bevorstünde, wenn in den Schulen Corona-Fälle aufträten. „Wenn ein Kind positiv getestet wird, muss es genau wie seine Eltern und Geschwister zehn Tage lang in Quarantäne." Falls es nicht möglich ist, herauszufinden, mit wem das Kind ­darüber hinaus engen Kontakt hatte, beispielsweise, weil es zu klein ist, um dies genau zu erklären, könnte auch die gesamte Klasse in Quarantäne geschickt werden.

Wenn ein Infektionsherd an einer Schule aufgedeckt wird - wenn also mindestens drei miteinander zusammenhängende An­steckun­gen verzeichnet worden sind - würde ein Expertenteam der neuen Corona-Zentrale umgehend versuchen, weitere Ansteckungen zu unterbinden. Im schlimmsten Fall könne darauf die Schließung der ganzen Schule ­folgen. Auch regelmäßige Temperaturmes­sungen und Desinfektionen in den Bildungseinrichtungen sind geplant.

Proteste und Enttäuschung

Die Lehrergewerkschaften hatten ihren Unmut über die späte Detailplanung zum ­Schulstart in den vergangenen Tagen in Pressemitteilungen und Kundgebungen Luft gemacht und ­sogar mit Streiks gedroht. „Sollten die Bedingungen in den Bildungseinrichtungen nicht den Hygienevorschriften entsprechen, dann werden wir die Schließung der Zentren fordern", so Victor Villatoro von der Lehrer­gewerkschaft APNE im Gespräch mit der MZ. „Es braucht eine Schulkrankenschwester, ­einen Crashkurs zur Einführung in die E-Learning-Programme für Lehrer und Schüler, und es braucht Klarheit über die Arbeitsbedin­gungen, unter denen wir Lehrer tätig werden ­sollen. All das fehlt noch", so Villatoro. „Wir Lehrer beginnen am 1. September mit unserer ­Arbeit, das ist in wenigen Tagen", klagt er.

Ähnlich enttäuscht über die späte Klärung der Situation zeigten sich die Eltern. „Dass die Politik so lange mit konkreten Richtlinien ­gezögert hat, zeigt, dass Bildung keine hohe Priorität eingeräumt wird", so Coia Sánchez von der Elternvereinigung FAPA auf den Balearen. Zudem erscheint den Eltern eine Klassen­größe von 20 Kindern zu groß. „Wenn bei Familien­zusammenkünften nur noch zehn Menschen zusammenkommen dürfen, dann sollten es im Unterricht nicht mehr sein."

Ein weiterer Punkt, den FAPA bemängelt, ist die Gesetzeslage für erwerbstätige Eltern. „Wenn mein Kind in Quarantäne muss, weil es in der Schule einen Verdachtsfall gab, dann habe ich laut aktueller Gesetzeslage kein Recht darauf, vom Arbeitgeber freigestellt zu werden. Das muss sich ändern, zumal wir die Großeltern, die eine Risikogruppe sind, nicht einspannen können", so Coia Sánchez. Da müsse die Politik tätig werden. Ebenso fehle es an detaillierten Informationen zum Umgang mit den E-Learning-Plattformen. „Es kann nicht vorausgesetzt werden, dass alle ­Eltern problemlos damit umgehen können. Es ist ein Chaos, und es fehlt hinten und vorne an Informationen."