Eine abgeschiedene Finca auf Mallorca kann idyllisch sein - oder den Bewohnern im Notfall zum Verhängnis werden. Das hat MZ-Leserin Ute Nemenyi aus Santa Margalida in den vergangenen Jahren gleich zweimal erleben müssen. Einmal am 31. August, als eine Bekannte sie mittags zur Hilfe rief, weil es ihrem Lebensgefährten sehr schlecht ging und sie bei der Notrufzentrale 112 nicht durchkam. Erst am frühen Abend fand ein Wagen der 061 den Weg auf die Finca. Der Patient musste auf die Intensivstation gebracht werden.

Schlimmer habe ein Notfall im Oktober 2018 geendet, so Nemenyi, als eine 65-Jährige auf ihrer Finca einen Herzinfarkt erlitt. „Die Ambulanz hat unsere Finca nicht gefunden, obwohl wir die Standortdaten durchgegeben und einen Treffpunkt ausgemacht haben. Es hat nicht funktioniert. Ich musste ihnen schließlich mit Lichthupe entgegenfahren." Als der Rettungswagen nach mehr als 30 Minuten eintraf, war die Patientin bereits tot. „Die Fahrer sollten über ein Handy verfügen, damit man ihnen per WhatsApp den Standort schicken kann. Fremde finden unsere Finca so immer", so die deutsche Residentin.

MZ-Leserin Roswitha P.-M., die Luftlinie nur drei Kilometer vom Krankenhaus in Manacor entfernt wohnt, schilderte in einem Leserbrief ähnliche Situationen. Auch sie sei mehrmals bei der Notrufzentrale nicht durchgekommen, als ihr mittlerweile verstorbener Mann an akuten Atemproblemen litt. Einmal sei ein Notarzt erst nach mehr als einer Stunde angekommen, die Sanitäter, die ihn ins Krankenhaus brachten, trafen eine weitere Stunde später ein, berichtet sie. Auch hier sei es nicht möglich gewesen, den Standort per Handy zu übermitteln. Stattdessen habe man sich am Telefon mit Nichtigkeiten wie der Krankenversicherungsnummer aufgehalten. „Die ­Verantwortlichen sollten sich einmal darüber Gedanken machen, dass Menschen sterben müssen, weil eine Rettungskette nicht funktioniert", so die aufgebrachte Residentin.

„Wir sind uns darüber bewusst, dass es in der Vergangenheit in einigen Fällen lange ­gedauert hat, bis die Ambulanz am Zielort ­eintraf", sagt Txema Álvarez. Er ist der ärztliche Leiter der öffentlichen Notdienststelle Servicio de Atención Médica de Urgencia (kurz: Samu 061). Hierhin werden auch Notrufe weitergeleitet, die an die internationale Notrufnummer 112 adressiert sind. Vom Standort im ehemaligen Krankenhaus Son Dureta in Palma aus koordiniert die der Gesundheitsbehörde IB-Salut unterstellte Abteilung die Notarzt- und Rettungswagen auf der Insel.

Der Fuhrpark besteht auf Mallorca derzeit aus 20 über die Insel verteilten Rettungswagen, in denen je zwei Sanitäter mit Erste-Hilfe-Ausbildung mitfahren. Hinzu kommen acht Notarztwagen mit einem Arzt, einem Krankenpfleger und einem Sanitäter an Bord. Seit August 2016 koordiniert die 061-Zentrale auch die privaten Notarztwagen und schickt sie bei Bedarf zu Notfällen. Je nach Jahreszeit sind es fünf bis neun. „Dadurch wollen wir so schnell wie möglich bei Notfall­patienten eintreffen", so Álvarez.

In der Regel klappe das auch ganz gut. Bei dringenden Fällen wie Infarkten vergingen im Durchschnitt neun bis zwölf Minuten von der Registrierung des Anrufs bis zum Eintreffen der Ambulanz, so Álvarez. „Wenn es länger dauert, liegt es entweder daran, dass viele Notrufe in kurzer Zeit eingehen oder dass die ­Ambulanzen zuvor weit entfernt im Einsatz waren." Im schlimmsten Fall müsse beispielsweise auch mal ein Rettungswagen von Palma losfahren, um in Alcúdia einen Einsatz zu übernehmen, falls kein anderes Fahrzeug in der Nähe zur Verfügung steht. „Wir analysieren Engpässe genau und versuchen, mittelfristig Abhilfe zu schaffen", so Álvarez. Seit diesem Jahr seien vier zusätzliche Notärzte mit kleineren Fahrzeugen auf der Insel unterwegs, die einen Patienten zwar nicht abtransportieren, wohl aber vor Ort behandeln können.

Dass es grundsätzlich Probleme gebe, abgelegene Fincas zu finden, davon will Álvarez nichts wissen. „All unsere Fahrzeuge sind mit GPS ausgestattet und seit etwa zwei Jahren können Anrufer ihren Standort sehr wohl per WhatsApp schicken." Der Leiter der Notdienststelle 061 rät Fincabesitzern zudem dazu, den genauen Standort des Hauses präventiv in der Datenbank der 112 zu registrieren. Formulare dafür finden sich auch auf Deutsch auf der Website (hier) .

Auch eine unnötig verkomplizierte Kommunikation am Telefon bestreitet Álvarez. „Es ist wichtig, alle Daten sofort korrekt aufzunehmen und in unser elektronisches ­System einzuspeisen, damit nachher keine ­Missverständnisse auftreten. In dringenden Fällen wird aber parallel zum Gespräch bereits eine Ambulanz mobilisiert, um keine Zeit zu verlieren." Ob man die 061 oder die 112 wähle, sei unerheblich. „In beiden Fällen können Anrufer auch auf Englisch betreut ­werden", sagt Txema Álvarez.

MZ-Leserin Roswitha P.-M., deren Mann chronisch krank war und deshalb häufig eine Ambulanz benötigte, hat gegenteilige ­Erfahrungen gemacht. „Im September 2018 brauchten die Mitarbeiter der Notrufzentrale 16 Minuten um meinen Namen zu verstehen", ärgert sie sich. „Wir alle sind keine Einzelfälle, kein einziger solcher Fälle dürfte passieren. ­Immerhin geht es um Menschenleben."