Explosionen, Staub und Baggerlärm - es gibt wahrlich idyllischere Wohnorte als neben einem Steinbruch. Eine von Anwohnern gegründete Initiative geht nun gegen die Cantera Can Negret vor und beweist dabei Humor. „Mallorca wird ein Donut sein, und Alaró bekommt einen Strand", heißt es auf einem Flyer, mit dem die Gruppe protestiert. Auch Umweltschützer beklagen immer wieder, dass Steinbrüche mit der Ausbeutung natürlicher Rohstoffe einhergehen. „Ohne Zweifel ist es Ausbeutung", sagt Antoni Martorell. Er ist der Präsident des Steinbruch-Verbands der lokalen Unternehmervereinigung PIMEM und selbst Betreiber einer cantera. „Ein Klärwerk will auch niemand in seinem Garten haben. Die Klospülung will dann aber niemand missen."

Bereits seit 3.000 Jahren gibt es Steinbrüche auf der Insel. Lange Zeit wurde dort der begehrte Marès-Stein gewonnen, mit dem die Kathedrale von Palma, das Castell de Bellver und zahlreiche Inselkirchen gebaut wurden. „Mitte des 20. Jahrhunderts ebbte der Marès-Abbau jedoch ab", sagt Martorell. „Heute fördern wir in den Steinbrüchen hauptsächlich Kies und Gesteinskörnung, die zur Herstellung von Beton nötig sind. Zudem gibt es Ton, Gips und den Santanyì-Stein. Das ist ein sehr schöner, marmorähnlicher Stein, der für Skulpturen oder Treppen benutzt wird."

70 aktive Steinbrüche gibt es heute noch auf der Insel. In 56 davon werde Gestein abgebaut. Die anderen würden derzeit renaturiert. „Dabei werden hauptsächlich Bäume gepflanzt, es kann aber auch immer zu kleineren Bauarbeiten kommen, um den Fels in eine natürlichere Form zu bringen", sagt Martorell.

Die Branche hat bisher vergleichsweise wenig in der Krise gelitten. Etwa 360 Personen arbeiten in den Steinbrüchen. „Über die weiteren Produktionsketten sind an die 2.900 bis 3.000 Personen in der Branche beschäftigt, die einen jährlichen Umsatz von 190 Millionen Euro erzeugt", so der Branchensprecher.

20 Kilogramm pro Einwohner

Den größten Boom hatten die Steinbrüche in den Jahren des Baubooms von 2005 und 2006. Die Landesregierung erfasst, wie viele Tonnen Stein jährlich auf Mallorca in den Steinbrüchen abgebaut werden. Im Vorjahr waren es 6,6 Millionen Tonnen. Auf die Einwohner der Insel gerechnet macht das einen Verbrauch von 20 Kilogramm pro Person und Tag. „Damit stehen wir nach dem Wasser an zweiter Stelle", sagt Martorell. „2005 hatten wir zu Spitzen-

zeiten einen Verbrauch von 50 Kilogramm pro Person. In der Krise von 2008 hatten wir einen Produktionsverlust von 70 Prozent."

Bis zur Corona-Krise hatte sich die Branche fast gänzlich erholt. „2019 standen wir bei 90 Prozent im Vergleich zu den Zahlen vor der Krise 2008. Durch Corona hatten wir jetzt 20 Prozent Verluste. Für das kommende Jahr rechnen wir mit weiteren zehn Prozent Verlust, da viele Hotels auf Renovierungsarbeiten verzichten werden."

Ginge es nach Margalida Rosselló von der Umweltorganisation Terraferida, müssten die Zahlen noch viel mehr sinken. „Die Steinbrüchen boomen gerade. Viele canteras, die in den vergangenen Jahren stillstanden oder wo nur wenig Stein abgebaut wurde, laufen seit ein paar Monaten wieder auf Hochbetrieb. Wir können diese Zerstörung der Insel nicht zulassen", sagt die Aktivistin.

Die Arbeiten seien für Mallorca essenziell, entgegnet wiederum Verbandspräsident Martorell. „Mit den Steinen werden Straßen und öffentliche Gebäude gebaut. Ohne sie würden wir heute in Baumhäusern wohnen und uns mit Eselskarren fortbewegen."

Anders als die Umweltschützer behaupten, sei es zudem gar nicht so einfach, Projekte in einem Steinbruch bewilligt zu bekommen", so Martorell. Die Betreiber müssen Gutachten über die Umweltauswirkungen, den Maschineneinsatz und die Arbeitssicherheit einholen. Zudem müsse ein Plan vorgelegt werden, wie der Steinbruch nach Abschluss der Arbeit wieder renaturiert wird. „Die ganze Prüfung dauert locker vier Jahre. Von einem schnellen Beschluss kann da nicht die Rede sein."

Rechtlich abgesichert

Das Problem scheint auf rechtlicher Ebene zu liegen. „Wir wissen, dass wir die Landschaft beeinträchtigen", sagt Martorell. Dennoch bekommen die Betreiber fast immer die Genehmigung. „Das fußt auf die Gesetzgebung von 2014, die sehr auf die Steinbrüche zugeschnitten ist", sagt Rosselló. „Fast die ganze Insel ist theoretisch für den Bergbau freigegeben. Wenn das alles umgesetzt würde, wäre Mallorca ein großer Golfplatz mit riesigen Löchern."

Die Lizenz für den Betrieb eines Steinbruchs gibt es für Jahrzehnte. „Manche sogar für 100 Jahre", sagt Rosselló. Die Bagger in Can Negret dürfen offiziell bis 2102 arbeiten. „Bis dahin wird der Steinbruch wohl den ganzen Berg Bell Veure verschluckt haben", sagt Tolo Noguera. Er ist einer der Gründer der Initiative Reviure Tofla, die gegen den Steinbruch vorgeht. Dieser existiert seit 1978 und wird vom mexikanischen Zementgiganten Cemex betrieben. Bis 2018 wurde mit dem Steinbruch die Zementfabrik in Lloseta betrieben. „Da das ein Arbeitsplatz für 200 Personen war, hielten sich die kritischen Stimmen lange zurück", sagt Noguera.

Bei Anruf Kostenübernahme

Doch die Zementfabrik gibt es nicht mehr. Auf dem Gelände soll eine Wasserstoffanlage installiert werden. Im kleineren Rahmen will Cemex zudem weiterhin Gesteinskörnung aus dem Steinbruch holen. „Sie haben die Lizenz, um 50 Lastwagen voller Steine täglich und das ganze Jahr aus dem Steinbruch zu holen. Dabei ist das Loch jetzt schon so groß wie der Sportkomplex Son Moix", sagt Noguera, der selbst nicht in der Gegend wohnt. Nach zwei Jahren Ruhe haben sich Anwohner im vergangenen April beschwert, dass der Steinbruch wieder aktiv ist. Wegen der Explosionen hatten einige sogar den Notruf gewählt. „Die Polizei hat aber längst schon keine Lust mehr, die Anzeigen aufzunehmen", sagt Noguera. Hilfsbereiter zeigt man sich da bei Cemex. „Jedes Mal, wenn ein Anwohner einen Schaden nach einer Sprengung beim Rathaus angezeigt hat, hat sich am nächsten Tag die Firma gemeldet und war bereit, die Kosten zu übernehmen.

Das Problem von Can Negret ist die Nähe zur Tramuntana. „Es war schon immer ein Sorgenkind", sagt Verbandschef Martorell. Wahrscheinlich spielte der Steinbruch schon bei der Planung des Gebiets des Weltkulturerbes eine Rolle. „Die Grenze verläuft an der Straße von Alaró nach Lloseta nur wenige Meter neben dem Steinbruch", sagt Noguera. Can Negret liege auf dem Gebiet der einstigen Possessió de Tofla, einem historischen Anwesen, das einst der Familie des Schriftstellers Llorenç Villalonge gehörte. Reviure Tofla fordere, die Grenzen des Welterbes derart zu erweitern, dass die Possessió geschützt wird und endlich Ruhe im Steinbruch herrscht. Unterstützung gibt es dafür von den Umweltschützern. „Der Steinbruch liegt nur wenige Schritte von einem Vogelschutzgebiet entfernt, wo einige seltene Arten leben", sagt Rosselló.

Steinbruch-Betreiber Martorell zeigt wenig Verständnis für die Klagen der Anwohner. „Viele Leute dort haben ihre Finca nur wegen des Steinbruchs günstig bekommen. Sie wussten, was sie erwartet", sagt er.