Müll auf den Straßen, Müll an den Stränden, Müll in den Gärten und Hinterhöfen - als ­Oliver Riedel vor etwa zehn Jahren nach Indonesien, Indien und in die Philippinen reiste, war er entsetzt von den Mengen an Abfällen, die teils vor sich hingammelten, teils achtlos verbrannt wurden. Als der Unternehmer, der kurz zuvor ein Start-up verkauft und Lust auf neue Projekte hatte, nach Deutschland zurückkehrte, hatte er eine Mission: eine Möglichkeit zu finden, nicht recycelbares Plastik in irgendeiner Weise gewinnbringend weiterzuverarbeiten - im besten Fall direkt dort, wo der Müll entsteht. 2011 gründete Riedel in Dresden das Unternehmen Biofabrik. Mit einem Team aus sieben Ingenieuren forschte und entwickelte er, bis eine Lösung gefunden war: kompakte Maschinen, die in einen wenige Kubikmeter umfassenden Container passen, und pro Tag eine bis fünf Tonnen Plastik zu Öl verarbeiten.

„Aus einer Tonne Plastik können wir 850 Kilo Öl gewinnen. Und für eine Tonne Öl zahlt die Petrochemie etwa 450 Euro", resümiert Stefan Thiel. Der 26-Jährige leitet den im Juni 2019 eröffneten Mallorca-Standort. Wer riesige Maschinenhallen oder zumindest einen Bürokomplex erwartet, irrt. Die Biofabrik ist in einem Wohnhaus mit kleinem Pool in Arenal untergebracht, in zweiter Meereslinie nahe dem Balneario 4. Beim MZ-Besuch ist der lange Glastisch im Wohnzimmer voll besetzt. Acht Mitarbeiter zwischen 20 und 26 Jahren sind hier bei der Arbeit, ausgerüstet mit Laptops, Headsets und Smartphones. In der Ecke neben dem Sofa liegt eine Pastor-Mallorquín-Hündin und hebt nur kurz den Kopf. „Wir sind immer noch ein Start-up, und das Feeling wollen wir uns bewahren. Deshalb Mallorca. Wir könnten von überall arbeiten, aber unsere Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen", betont Thiel und führt zum Gespräch in die Küche.

Von Mallorca aus, erklärt er, kümmere sich die Gruppe darum, das Netzwerk der Biofabrik weltweit auszubauen und passende ­Firmen oder Partner zu finden, die rund über den Globus verteilt vor Ort für den technischen Support und die Anlagen aus Deutschland zuständig sind. Im Mallorca-Team decke man Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Bulgarisch, Russisch, Ungarisch, Persisch und Rumänisch auf Muttersprachler-Niveau ab - und sei durchaus erfolgreich. „In den vergangenen zwei Wochen haben wir lokale Partner in Nigeria, Ghana, Indonesien, Singapur, Bangladesch und den Philippinen gefunden."

Dass seit Gründung der Biofabrik nunmehr neun Jahre vergangen sind und dass das Unternehmen erst jetzt richtig durchzustarten scheint, liege an dem langwierigen Forschungsprozess. Erst Mitte vergangenen Jahres habe man es geschafft, die in Dresden ent­wickelten und gebauten Kompaktmaschinen „Wastx Plastic" serienreif zu gestalten. ­„Allein durch Idealismus kann man die Plastikproblematik nicht in den Griff bekommen, es muss über die monetäre Schiene geschehen, und das ist nun möglich", sagt Stefan Thiel.

Das Unternehmen setzt auf einen Thermolyseprozess, der aus dem Altplastik das Öl extrahiert. „In Europa finden sich in der ­Petrochemie viele Abnehmer dafür, sie ver­arbeiten den Rohstoff dann zu neuem ­Plastikprodukten. In anderen Teilen der Welt, in denen diese Industrie nicht so weit verbreitet ist, kann das Öl als Kraftstoff für Strom­generatoren genutzt werden."

Ernst zu nehmende Konkurrenz in der Kompakt-Größenordnung gebe es auf dem Gebiet nicht. „Wir konzentrieren uns darauf, lokale Abnehmer zu finden. Gemeinden oder Müllentsorgungsfirmen beispielsweise. Unsere Vision ist, dass irgendwann auf jeder der 17.000 indonesischen Inseln eine unserer Maschinen steht", sagt Stefan Thiel. Und auf den Balearen natürlich ebenso. Auch hier wolle man nun verstärkt die Fühler ausstrecken. „Plastik ist überall ein Problem. Wir machen es zur Lösung", sagt Thiel.