Überall auf der Welt arbeiten Forscher unter Hochdruck daran, quasi täglich Erkenntnisse über das neuartige Coronavirus zu Tage zu fördern. Auf Mallorca ist das nicht anders. Hier zeichnet sich vor allem die Balearen-Universität UIB mit zahlreichen Initiativen aus. Insgesamt hat die UIB bisher laut einem Sprecher 15 Forschungsprojekte rund um das Coronavirus angestoßen. Die MZ hat sich mit zwei Forschern unterhalten, die an unterschiedlichen Fronten mitmischen.

Corona und Ernährung

Der Biochemiker Andreu Palou, europaweit anerkannter Ernährungswissenschaftler, erforscht mit einem 25-köpfigen Team aus Biochemikern und Ernährungswissenschaftlern, wie die Ernährungsgewohnheiten in verschiedenen Ländern den Verlauf einer Covid-19-­Erkrankung beeinflussen könnten. Palou war zwölf Jahre lang in der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zunächst in Brüssel und später in Parma beschäftigt. „Wir haben während der ersten Corona-Welle den ­Zusammenhang zwischen dem Ernährungszustand der Bevölkerung in zehn Ländern der EU mit der Covid-Inzidenz und der Mortalität analysiert", erklärt Palou der MZ.

Dafür wählte das Team, das Teil des Forschungs­zentrums Ciberobn ist, zehn Nährstoffe aus, die erwiesenermaßen die Abwehrkräfte stärken. In diesem Fall waren das die ­Vitamine A, C, D, B6, B9 und B12 sowie Zink, ­Eisen, Kupfer und Selen. „Wir haben fest­gestellt, dass vor allem die Vitamine C, D, B12 sowie Zink und Eisen sehr direkten Einfluss darauf haben, wie häufig und wie schwer Covid-19 in der Bevölkerung auftaucht." Palou und sein Team nahmen die Datensätze zur Nährstoff- und Vitaminversorgung von zehn europäischen Ländern mit unterschiedlicher ­Covid-19-Inzidenz („Die vorhandenen Daten in Europa sind da zum Glück sehr detailliert") und stellten fest, dass generell in den Ländern, in denen die Menschen die fünf angesprochenen Nährstoffe häufiger aufnahmen, deutlich geringere Inzidenzen und Todesraten verzeichnet wurden.

Laut Palou trifft das unter anderem auf Deutschland, Finnland oder auch Portugal zu. Schlecht abgeschnitten haben in dieser Analyse vor allem die Länder, in denen die erste Welle voll zuschlug, also Spanien, wo etwa ein eklatanter Mangel an Zink sowie an zahlreichen Vitaminen herrscht, Italien, Groß­britannien oder auch Belgien. Im Umkehrschluss könne also jeder Einzelne etwas für sein Immunsystem tun, um das Risiko einer schweren Erkrankung zu reduzieren, sagt ­Palou. „Vor allem Vitamin D hat einen sehr ­direkten Einfluss auf die Abwehrkräfte." Vitamin D erzeugt der Körper vor allem, wenn er direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist. In Lebensmitteln kommt es seltener vor, beispielsweise in fetten Fischen, wie Lachs oder Thunfisch. Inzwischen gebe es bereits zahlreiche Studien, die die Aufnahme der einschlägigen Vitamine empfehlen.

Neue Schnelltests

Ein anderes Projekt, an dem Palou ebenfalls beteiligt ist, forscht derzeit an einem neuen Testverfahren, das ähnlich schnelle Ergebnisse auf eine Covid-19-Infektion wie die neuen Antigentests bringen soll. Die sogenannte SHERLOCK-Methode benötige keine besondere Ausrüstung zur Auswertung der Proben, erklärt Palou. Lediglich zwei Wasserbäder, eines mit 37 Grad Celsius und eines mit 42 Grad Celsius seien vonnöten. Für eine zuverlässige Bestimmung müsse nur eine Speichelprobe mit einem Wattestäbchen vorgenommen werden. Innerhalb von 20 Minuten verfüge man über das Ergebnis, das auf Basis einer molekulären Untersuchung der Proben erfolgt. „Die Schnelltests werden den Verlauf der ­Pandemie im kommenden Jahr hoffentlich entscheidend verändern und die Einschränkungen im öffentlichen Leben deutlich reduzieren können", sagt Palou.

In einem anderen Projekt wird derzeit ebenfalls an der UIB an einem Testverfahren geforscht, das bereits frühzeitig erkennen lässt, ob es zu einem schweren Krankheits­verlauf kommen kann. Der Koordinator des Forschungsprojekts, Roberto de la Rica, hat mit seinem Team eine Möglichkeit ent­wickelt, das Protein IL-6 im Blut der Infi­zierten festzustellen. Je stärker das Protein vertreten ist, desto mehr entzündet sich die Lunge des Patienten und desto schwerer wird der Verlauf der Krankheit.

Berater der Politik

Auf einem gänzlich anderen Gebiet ist José ­Javier Ramasco unterwegs. Der Physiker berät die spanische Regierung zur Pandemie. ­Ramasco, der als Forscher am Institut für interdisziplinäre Physik und komplexe Systeme, kurz IFISC, auf dem Gelände der UIB arbeitet, wurde im Frühjahr, unmittelbar nach Beginn der Pandemie, in ein 17-köpfiges Beratergremium berufen, das seitdem das Wissenschaftsministerium und das Ministerium für die Energiewende in Madrid mit Informationen versorgt. „Am Anfang war unsere Aufgabe vor allem, Aufträge der Zentralregierung entgegenzunehmen und Gutachten zu erarbeiten. Inzwischen schlagen wir eigene Forschungsthemen vor", erklärt Ramasco der MZ.

Eine der ersten Aufgaben war beispielsweise zu prüfen, ob die Empfehlungen der deutschen Leopoldina-Stiftung von April auch hierzulande umgesetzt werden können. Unter anderem ging es da um den Appell, ständig zu analysieren, inwieweit die Einschränkungen ­eines Lockdowns verhältnismäßig sind oder auch die Aufforderung Schulen und Bildungseinrichtungen möglichst bald wieder zu ­öffnen. Das letzte abgeschlossene Gutachten war eine Studie über die derzeit weltweit ­diskutierten Impfungen, vor allem die verschiedenen Typen. „Man bat uns darum, hier etwas Ordnung hineinzubringen. Es gibt da sehr viel Information momentan, und auch sehr viel zweifelhafte", sagt Ramasco.

Daneben beschäftigte sich der Kantabrier aber vor allem mit der Mobilität der Menschen auf Mallorca während und nach dem Alarmzustand. Mithilfe von Smartphone-Daten ­stellte Ramasco mit seinem Team fest, dass unmittelbar nach der Ausrufung des Alarmzustandes die Mobilität zwischen ausgewählten Orten und Palma um 60 bis 70 Prozent abnahm. „Erstaunlich fanden wir dann aber, dass bereits in Phase 2 der Lockdown-Lockerungen die frühere Mobilität beinahe komplett wiederhergestellt war", sagt Ramasco.

Die Forscher stellten auch fest, dass während des Lockdowns Jugendliche weniger Kontakte hatten als ältere Menschen. „Das kehrte sich allerdings direkt mit dem Verlassen des Lockdowns spektakulär um", sagt Ramasco. Im Zuge der Untersuchungen veröffentlichte das Team von Ramasco auch einen Aufsatz, der den Zusammenhang zwischen der Mobilität und der Mortalität durch das Virus herstellte. „Wir haben festgestellt, dass die Mobilität der Menschen ein entscheidender Faktor dafür ist, wie viele Tote das Virus fordert."

Inwieweit die Erkenntnisse der Studien des Beratergremiums Eingang in konkrete Beschlüsse finden, vermag Ramasco nicht einzuschätzen. „Aber wir merken anhand von Rückfragen der Ministerien sehr wohl, dass man sich mit den Studien beschäftigt und sie liest."