Eigentlich wollten Emil Hädler und seine Frau nach mehreren Wochen auf Mallorca am 31. Oktober wieder nach Deutschland reisen. Jetzt aber läuft es auf eine „Spontan-Überwinterung" auf Mallorca hinaus. „Wir haben uns wegen des sprunghaften Anstiegs der Infektionen in Deutschland entschieden, hierzubleiben", sagt Hädler. Die Fähre ist auf April umgebucht. Die beiden leben sonst in Mainz in einem eng bebauten Altstadtquartier. „Dort ist die Inzidenz mittlerweile wesentlich höher als auf der Insel, und man kann sich nicht aus dem Weg gehen", so der 68-jährige pensionierte Hochschullehrer, der mit den Skizzen und dem Tagebuch seiner Autoreise nach Mallorca kürzlich bereits eine MZ-Titelgeschichte bestritt. Die Wintermonate verbringt Hädler nun mit seiner Frau in einem Apartment in einer Wohnanlage in Peguera

Die beiden sind nicht die einzigen Insel­liebhaber, die sich wegen der Pandemie bewusst für Mallorca entscheiden. Es gibt gute Gründe dafür: Da wäre die Corona-Statistik - die Schweiz etwa hob die Quarantäne-Auflagen für Mallorca angesichts der hohen Zahlen im eigenen Land inzwischen auf. Da wären die mittlerweile zum Teil sogar strengeren Auflagen in der Heimat. Da wären die Homeoffice-Möglichkeiten. Und da wäre natürlich das umso vieles mildere und sonnigere Klima auf Mallorca, dank dem sich viel Zeit draußen verbringen lässt, wo sich Corona-Aerosole nicht in der Luft konzentrieren können.

„Für uns ist es deutlich entspannter und motivierender, von der Insel aus bei Sonnenschein und gutem Wetter zu arbeiten, als im kalten, verregneten Deutschland im Lockdown zu sitzen", erzählt René Schroff, der mit seiner Freundin Alicia Jones wegen der zweiten Welle früher als geplant nach Mallorca ausgewandert ist. „Der Lockdown im Frühjahr in Deutschland hat mir bewiesen, dass mein Job total unabhängig von der wirtschaftlichen, aber auch örtlichen Lage ist", so Schroff, der für einen US-Konzern im deutschsprachigen Raum online Sport- und Gesundheitsprodukte vertreibt. Er sei sogar weniger abgelenkt. „Der Tag hier hat gefühlt mehr Stunden, die gängige Routine, etwa Oma und Eltern ­zu besuchen, gibt es nicht. Du hast hier wirklich 24 Stunden Zeit für dich und dein Geschäft." Auch seine Freundin, die in Würzburg Wirtschaftswissenschaften studiert, hat mittlerweile nur noch Online-Veranstaltungen

Auch wenn sich die Auflagen ständig ändern und niemand eine Ausweitung des Lockdowns ausschließen kann, geht es zumindest derzeit auf Mallorca in vielen Bereichen weniger streng als in Deutschland zu. Mussten dort Restaurants, Hotels, Sportstudios sowie Kinos und Theater vor Kurzem ganz schließen, läuft der Betrieb auf Mallorca - wenn auch unter Auflagen - weiter. „Auf der Insel kann man wenigstens noch draußen sitzen, etwa in einem Café", so Pensionär Hädler.

„Corona in der Sonne auf Mallorca zu meistern ist angenehmer als mit Regen im kalten Deutschland", meint auch Bernd Linnarz aus Bonn. Der Journalist ist so oft es geht zusammen mit seiner Frau Heike auf der Insel. Seit seiner Pensionierung im vergangenen Jahr pendeln die beiden sogar noch häufiger auf die Insel. Diesmal bleiben sie vier Wochen am Stück in ihrem Haus in Cala Pi. „Ob wir uns nun in Bonn an die Abstandsregeln halten oder es in Cala Pi tun, ist doch eigentlich egal. Wobei: Hier auf Mallorca fühlen wir uns sogar sicherer - Bonn ist wesentlich voller." In der Stadt sei es schwieriger, Menschenansammlungen auszuweichen. Deshalb meidet ­Linnarz es momentan weitestgehend, nach Palma zu fahren. „Wir genießen die Zeit in unserem Haus, können sogar noch den Pool nutzen und machen viele Wanderungen."

War Mallorca bei vielen zuletzt für Kurztrips beliebt, sind es nun die längeren Inselaufenthalte, die an Attraktivität gewinnen. ­Dafür nimmt man auch PCR- und Quarantäne-Auflagen auf sich. Kein Wunder, dass auch die gebeutelten Hoteliers auf Mallorca auf diese Zielgruppe schielen - gerade auf diejenigen, die nicht nur entspannen wollen. „Wir haben Anfragen für Aufenthalte über mehrere Wochen oder Monate", bestätigt eine Sprecherin bei der Hotelgruppe Riu. Die Internet-Nutzung sei in allen Häusern kostenfrei. In Madrid stattet Riu bereits erste Hotels mit neuen Office-Bereichen aus. Auf Mallorca ist das vorerst nicht geplant, aber auch Iberostar und Meliá prüfen, verstärkt sogenannte Workation-Angebote zu schaffen, für Gäste, die den Aufenthalt im Hotel mit Telearbeit verbinden wollen.

Die Stimmung auf der Insel sei entspannter, findet Alicia Jones. „Obwohl hier jeder eine Maske trägt, kommt bei den Menschen sofort eine viel positivere Ausstrahlung herüber als in Deutschland. Dort merkt man die Negati­vität deutlich, alle haben Panik und sind schlecht drauf." Weihnachten wollen sie und ihr Freund aber dann doch mit ihren Familien in der Heimat verbringen. Genauso wie voraussichtlich Journalist Linnarz und seine Frau. „Aber mal sehen, wie sich die Lage weiter entwickelt", sagt Bernd Linnarz. „Vielleicht sind wir Anfang des Jahres wieder da."

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