Sie hoffen auf ein besseres Leben in Europa, nun stehen sie erst einmal auf den Balkonen ihrer Zimmer im Hotel Blue Sea Tower im zu Llucmajor gehörigen Teil von Arenal und schauen in die Ferne oder auf die Displays ­ihrer Smartphones: junge Männer, die auf den kleinen Booten, im Spanischen pateras genannt, über das Mittelmeer zumeist vom algerischen Dellys aus nach Mallorca übersetzten. Weil sie entweder selbst positiv auf Covid-19 getestet wurden oder zu einem positiv getesteten Mitreisenden Kontakt hatten, sind sie nun in einem Hotelzimmer untergebracht, wo sie eine mindestens zehntägige Quarantäne verbringen müssen.

„Wenn sie nach dem Ablauf der Quarantäne erneut positiv getestet werden, verlängert sich die Isolation um mindestens weitere zehn Tage", erklärt ein Sprecher der Vertretung der ­Zentralregierung auf den Inseln der MZ. Die Verpflegung kommt von der balearischen Sozial­behörde IMAS. An der Tür des Hotels stehen rund um die Uhr zwei Beamte der Guardia ­Civil, um darauf zu achten, dass niemand seine Quarantäne bricht und das Hotel verlässt.

Das Drei-Sterne-Haus in Arenal ist nicht das einzige Hotel auf Mallorca, das Migranten aufnimmt, die keine andere Möglichkeit haben, ihre Quarantäne einzuhalten. Auch das Vier-Sterne-Hotel Meliá Palma Bay am Kongresszentrum in Palma bietet diese Form der Unterbringung. Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnete die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol Anfang Juli mit den Hotelbetreibern. Und auch Obdachlose kommen hier unter sowie Insel­bewohner, die in Quarantäne müssen, diese aber aufgrund beengter Verhältnisse nicht zu Hause absolvieren können, wie eine Sprecherin der Gesundheitsbehörde IB-Salut erklärt.

Insgesamt sind auf Mallorca seit Beginn der Pandemie 815 Personen in den beiden ­erwähnten Hotels sowie dem inzwischen geschlossenen Morlans Suites in Peguera untergebracht worden. Am Freitag (20.11.) waren im Hotel Meliá Palma Bay 28 Menschen in Quarantäne, im Blue Sea Tower in Arenal 47 Personen, sagt die Sprecherin von IB-Salut. Wie viele davon Migranten aus Nordafrika sind, sei der Statistik nicht zu entnehmen.

Das passiert bei der Ankunft

Bei ihrer Ankunft auf Mallorca werden alle Migranten - mehrheitlich sind es Männer - von der Corona-Einheit UVAC per PCR-Test auf eine Infektion hin untersucht, erklärt ein Sprecher des Roten Kreuzes. Ist der Test positiv und zeigt der Infizierte Symptome, wird er ins Krankenhaus gebracht. Asymptomatische Infizierte und Kontaktpersonen werden auf die beiden Hotels aufgeteilt. Das Rote Kreuz versorgt die Migranten mit Kleidung und Decken und besucht sie, wenn sie Hilfe benötigen, etwa bei Übersetzungen. Nach der Quarantäne geht es für die Migranten aufs Festland, wo nicht wenige von ihnen ­allerdings aufgrund der chronischen Überfüllung der Auffanglager freigelassen werden müssen. Darauf spekulieren inzwischen immer mehr Nordafrikaner, weshalb zurzeit wöchentlich Boote auf den ­Balearen ankommen.

Während ihrer Quarantänezeit haben die Bewohner der Hotels lediglich Kontakt zu Mitarbeitern der Gesundheitsbehörde, die die Menschen regelmäßig untersuchen, um festzustellen, ob sie Symptome zeigen. Im Meliá-Hotel stehen dafür ständig ein Arzt und zwei Krankenschwestern zur Verfügung, im Blue Sea Tower kümmert sich das Gesundheitszentrum vor Ort darum. Sobald ein positiv Getesteter Symptome aufweist, wird er ins Krankenhaus eingewiesen. Hundertprozentig sicher ist die Quarantäne indes nicht, denn die Bewohner des Hotels treffen sich auf den Balkonen und sollen auch bereits dabei erwischt worden sein, wie sie sich gegenseitig trotz des Verbots in ­ihren Zimmern besucht haben.

Vier-Sterne-Haus

Ist das Hotel in Arenal eher einfach gehalten, dürften sich diejenigen, die im Meliá Palma Bay unterkommen, zumindest ein bisschen wie im Wohlstand angekommen fühlen. Das Kongresshotel, das im April 2017 eröffnet wurde, hat minimalistisch anmutende moderne Zimmer mit viel Holz, Flachbildfernsehern ­sowie zum Teil einen Panorama-Blick über ­Palma und die Bucht. Dass so manche im ­Meliá-Konzern sich Sorgen um die edle Einrichtung machen und über die Zustände vor Ort gelinde gesagt nicht erfreut sind, ist bekannt, soll aber nicht in der Presse breitgetreten werden. Der Leiter des Palma Bay, Ramón Vidal, will der MZ zu diesem Thema nichts sagen.

Auch der Direktor des Hotels in Arenal will nicht mit der Presse reden. Beim Ortsbesuch der MZ kommt er zwar kurz an die Eingangstür, sagt aber nur, dass er leider keine Zeit habe, man ihn aber gern anrufen könne. Zahlreiche Anrufe dort laufen ins Leere. Umso ­lauter haben sich dafür die Anwohner und der Elternbeirat der Schule Vicenç de Paül zu Wort gemeldet. Die Eltern schickten zuletzt Anfang November einen Protestbrief an den Inselrat, in dem sie die Politik dazu auffordern, die von der Quarantäne Betroffenen in einem anderen Hotel unterzubringen. In dem Schreiben, das auch von der Leitung der Schule und mehreren Nachbarschaftsverbänden unterzeichnet ist, heißt es, dass das Hotel „weniger als zehn Meter" von der Schule entfernt liege. Der direkt gegenüber dem Blue Sea Tower gelegene Spielplatz solle eigentlich als Pausenhof für Schüler der Mittelstufe dienen. Das sei nun „aufgrund der Unsicherheit bei Müttern und Vätern der Schüler" nicht mehr möglich.

Ein weiteres Problem aus Sicht der Eltern: Die Fenster der Hotelzimmer lassen sich komplett öffnen und ermöglichen den Betroffenen, zumindest auf den Balkon zu gehen. Das sei ein „gesundheitliches Risiko", heißt es in dem Brief. Die Schulleiterin lehnt gegenüber der MZ eine weitere Stellungnahme ab.

Angeheizt wird die Stimmung durch reale oder auch vermeintliche Zwischenfälle im Blue Sea Tower. Die Guardia Civil hätte in dem Hotel bei einer Durchsuchung in drei der Zimmer Messer sichergestellt, heißt es, sowie auch, dass die Reinigungskräfte von den Männern belästigt worden seien. Der Hoteldirektor hat gegenüber dem „Diario de Mallorca" beides bestritten. Gesichert ist, dass die National­polizei einen der in Quarantäne befindlichen Männer festgenommen hat und ihn beschuldigt, die Überfahrt mitorganisiert zu haben. Der Mann soll auch einen der anderen Bewohner verprügelt und eingeschüchtert haben, weil er mit der Polizei zusammenarbeitete.

Anwohner beschweren sich darüber, dass die Männer laut Musik hören, Zigarettenstummel vom Balkon werfen und hinunterspucken. Die Kellnerin in der Bar an der Ecke schüttelt den Kopf, als wir sie darauf ansprechen: „Davon habe ich nichts mitbekommen. Ich sage dazu nur, dass wir in den vergangenen Jahren deutsche Urlauber hatten, die vom Balkon gepinkelt haben. Dagegen geht es nun wirklich gesittet zu."