Die wichtigsten Restriktionen, die zur Zeit auf Mallorca gelten, um die Inzidenzwerte in Schach zu halten, können ohne den voraussichtlich am 9. Mai auslaufenden spanienweiten Alarmzustand nicht beibehalten werden. Das ist die einhellige Meinung mehrerer von der MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca" befragten Juristen. Die nächtliche Ausgangssperre, die Sperrung von Ortsteilen und die Beschränkung privater Treffen haben ohne die von der spanischen Regierung verhängten Verordnung keine rechtliche Basis, so die Juristen. Die Zentralregierung in Madrid sieht das anders und führt die Option gemeinsam koordinierter Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz ins Feld.

Die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol hatte in den vergangenen Tagen mehrfach gesagt, dass ihre Regierung alles tun werden, um die Restriktionen auch ohne Alarmzustand aufrechtzuerhalten. Vor allem die Ausgangssperre sei ein "grundlegendes Instrument" in der Bekämpfung der Pandemie.

Alejandro González, Richter in Palma und Vorsitzender der Balearischen Richtervereinigung, lässt keinen Zweifel: "Die Mobilität der Bürger zwischen den Regionen, das Recht auch abends auf die Straße zu gehen oder sich mit mehreren Leuten zu treffen, all das ist ausschließlich durch die nationale Verordnung eingeschränkt", sagt er. Ohne den Alarmzustand sei man rechtlich automatisch wieder in der Situation vom Sommer 2020, als der erste Alarmzustand aufgehoben und der zweite noch nicht wieder verhängt worden war.

Diese Ansicht teilt Sebastià Rubí, Professor für Verfassungsrecht an der Balearen-Universität UIB: "Es kann keine nächtliche Ausgangssperre geben, weil es keine rechtliche Grundlage gäbe, die die Beschneidung dieser Rechte rechtfertigen würde", sagt er. Die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol wolle die Ausgangssperre zwar verlängern. Diese Entscheidung liege aber nicht in ihrer Zuständigkeit.

Die spanischen Regionen haben zur Beschränkung dieser Grundrechte keine Handhabe, meint auch Jaime Tártalo, Sprecher des Juristenverbands Francisco de Vitoria auf den Balearen. Wenn alle Ministerpräsidenten im Sommer gemeinsam den zweiten Alarmzustand gefordert hätten, läge das eben daran, dass sie ohne die spanische Regierung keine Befugnis dazu haben, so Tártalo.

Sollte die Balearen-Regierung ihre Kompetenzen überschreiten und dennoch eine Augangssperre verhängen, würde das wahrscheinlich zu einer großen Klagewelle führen, sagt Catalina Martorell, regionale Sprecherin des linksliberalen Juristenverbands Richter und Richterinnen für die Demokratie.

Mit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hatte die spanische Regierung einen ersten Alarmzustand verhängt. Es folgte eine mehrwöchige fast absolute Ausgangssperre, die zu den strengsten innerhalb Europas gehörte. Kinder durften wochenlang das Haus nicht verlassen. Auch Sport oder Spazieren im Freien waren verboten. Der Alarmzustand wurde zunächst alle zwei Wochen lang durch ein Votum im spanischen Kongress überprüft und verlängert, bis er mit Überwindung der ersten Corona-Welle im Sommer auslief. Zum Winter verhängte die spanische Regierung einen zweiten Ausnahmezustand, der ein halbes Jahr bis zum 9. Mai gelten soll. Der Kongress gab die nötige Mehrheit, rechtlich blieb der Schritt aber umstritten, insbesondere bei der konservativen Opposition.

Der spanische Premier Pedro Sánchez hatte in den vergangenen Tagen mehrfach erklärt, er wolle den Alarmzustand mit dem 9. Mai auslaufen lassen. Mehrere spanische Regionen, darunter die Balearen, fordern nun eine rechtliche Grundlage, um bestimmte Corona-Restriktionen wie die nächtliche Ausgangssperre fortführen zu können.

Die stellvertretende spanische Regierungschefin Carmen Calvo erklärte am Donnerstag (15.4.), dass zwischen Zentral- und Regionalregierungen gemeinsam getroffene Beschlüsse eine Alternative zum Alarmzustand bieten könnten. So waren die verschärften Reise- und Kontaktbeschränkungen zu Ostern von der spanischen Gesundheitsministerkonferenz entschieden worden, an der sowohl die spanische Gesundheitsministerin Carolina Darias als auch ihre regionalen Amtskollegen teilnehmen. Gerichte hätten die Gültigkeit dieser Maßnahmen bestätigt. /tg

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