Im besten Fall durchwachsen. So lässt sich die Bilanz zusammenfassen, zehn Jahre nach der Ausrufung der Serra de Tramuntana zum UNESCO-Welterbe. Nicht einmal dem zuständigen Inselrat scheint wirklich zum Feiern zumute. Das Jubiläumsprogramm ist zwar umfangreich, kommt aber ohne große Namen oder spektakuläre Veranstaltungen aus.

Was hat der Titel dem Gebirge gebracht? Das können am besten diejenigen beurteilen, die täglich in der Serra de Tramuntana unterwegs sind, so wie Tolo Deyà oder Joan Juan. Ersterer ist Fincabesitzer sowie Olivenölproduzent in der Nähe von Sóller und außerdem Vizepräsident der Tourismusabteilung von Icomos, der internationalen Nichtregierungsorganisation, die den Schutz der Welterbestätten überwacht. Joan Juan ist Fincamanager und arbeitet für die Initiative Tramuntana XXI, die das Gebirge wieder zu einem rentablen Wirtschaftsraum machen will - was es ja bis in die 50er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein war. Zunächst müsse mal ein ganz generelles Missverständnis aus dem Weg geräumt werden, finden beide. Die UNESCO habe nicht das Gebirge an sich mit der Auszeichnung versehen, sondern das, was die Menschen in jahrhundertelanger Arbeit daraus gemacht haben.

Die Landwirtschaft

Es gehe nicht darum, aus der Tramuntana ein Museum zu machen, wie Tolo Deyà sagt: „Es ist kein Verdienst, die Serra nur zu bewahren. Wir müssen verloren gegangene landwirtschaftliche Praktiken wieder einführen." Seit 50 Jahren werde das Gebirge nun von den Bauern verlassen. Das habe Folgen, wie auch Joan Juan beklagt. Viele Terrassen, Berghütten, Bauwerke für die Wasserversorgung, Trockensteinmauern lägen in Ruinen oder seien zumindest schwer beschädigt. Hier müsse angesetzt werden. Und genau da sei noch viel zu wenig passiert in all den Jahren. „Es hapert leider wie so oft am Geld", bedauert Joan Juan. Ohne echte Subventionen lohnen sich die in der Serra häufig sehr aufwendigen Anbaumethoden und kleinen Mengen nicht. Beim Preis können Oliven aus der Serra nicht mit denen aus Andalusien konkurrieren. „Da müsste die Regierung hergehen und jeden Liter Olivenöl, der in der Serra hergestellt ist, mit zwei oder drei Euro subventionieren", fordert Joan Juan.

Eine große Hilfe wäre es für die Bauern, wenn endlich die geplante Marke Tramuntana in Gang käme. Daran arbeitet derzeit das Konsortium des Inselrats, das für die Koordination der Maßnahmen in der Serra zuständig ist. Mit einer Marke könnten die Produkte aus dem Gebirge ganz anders beworben werden, und man könnte sich mit einem Qualitätssiegel von der Konkurrenz absetzen, so die Hoffnung. Doch bisher ist nichts davon zu sehen.

Die Instandhaltung

Hinzu kommen andere Probleme: Dadurch, dass die Serra de Tramuntana inzwischen unter strengem Schutz steht, sind Renovierungsarbeiten an der traditionellen Infrastruktur der Landwirte in vielen Fällen nicht möglich. „Ist bei einer Hütte das Dach eingestürzt, darf man sie nicht mehr herrichten. Dann wird gewartet, dass das Gebäude langsam verfällt", sagt Joan Juan. Zu viel Bürokratie machten die Bewirtschaftung der Tramuntana unattraktiv. Der Biologe Joan Mayol bringt es auf den Punkt: „Was die Serra schützt, ist nicht ein Papier der UNESCO, sondern das sind unsere Interventionen."

Hier könnte die Arbeit von Tramuntana XXI eine entscheidende Rolle spielen. Joan Juan berät Fincabesitzer, darunter viele Ausländer, wie sie ihre Landgüter pflegen müssen und etwa mit geführten Touren oder dem Verkauf lokaler Produkte ein Einkommen erwirtschaften können. Zudem hilft Juan den Eigentümern dabei, die traditionelle Wasserversorgung wieder auf Vordermann zu bringen oder Wege instand zu halten.

Dieses Ziel verfolgt auch ein Gesetzentwurf, an dem der Inselrat momentan arbeitet. Mithilfe des Gesetzes soll vor allem das kulturelle Erbe vor dem Niedergang bewahrt werden. Eines der Anliegen ist, die Subventionen, die es ja durchaus gibt, agiler und zielgenauer zu verteilen.

Die Nachhaltigkeit

Zumindest ein anderes Thema scheint beigelegt. Das Gebirge lief 2018 Gefahr, seinen Titel zu verspielen. Icomos hatte einen blauen Brief an Ministerpräsidentin Francina Armengol geschickt, in dem die Organisation warnte, dass die Tramuntana auf die Rote Liste des gefährdeten Welterbes gesetzt werden könnte, eben weil so wenig an konkreten Maßnahmen umgesetzt worden war. Außerdem quollen zeitweise aufgrund eines Kompetenzgerangels zwischen der Gemeinde Escorca und der Balearen-Regierung die Zugänge zum Torrent de Pareis über vor Müll. Doch Icomos zeigte bei einem Besuch auf Mallorca Verständnis dafür, dass es nicht so einfach ist, ein fast 90 Kilometer langes und knapp 20 Kilometer breites Gebirge mit 20.000 Einwohnern, das 22 Prozent Mallorcas ausmacht, zu managen.

Weiterhin aktuell, auch wegen der Pandemie, ist das Problem der Massifizierung. Die Tramuntana wird speziell in den Herbst- und Wintermonaten von Urlaubern, aber auch Einheimischen geradezu überrannt. Toni Muñoz von der Umweltschutzorganisation GOB sieht das mit Sorge. „Die Massifizierung in der Tramuntana hat wie im Rest Mallorcas zugenommen, vielleicht sogar hier noch stärker."

Die Identität

Und damit meint Muñoz nicht nur die Wochenendausflügler. Auch die Nachfrage nach Immobilien, vor allem im Fall von Ferienhäusern durch gut situierte Ausländer, habe enorm zugelegt. Diese Entwicklung vertreibe infolge steigender Preise viele Mallorquiner aus ihrer angestammten Umgebung. Damit gehe ein Teil der Identität der Serra verloren, wie auch Miquela Forteza findet. Sie ist Professorin am Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Balearen-Universität und forscht seit Jahren zur Serra de Tramuntana. „Die Zugezogenen interessieren sich nicht immer für die Identität und die Kultur der Mallorquiner", so Forteza. Was die Bewahrung der Traditionen in der Serra schwieriger mache.

Dennoch: Es sei nicht alles schlecht, wie Miquela Forteza sagt. Vor allem mit den Statuten des Konsortiums von 2019 verbindet sie große Hoffnungen. Darin geht es um die Förderung von Initiativen und Projekten, die den Schutz und die Verbesserung der Kulturlandschaft zum Ziel haben. Auch Forschungsprojekte und Innovationen, die den UNESCO-Titel stärken, sollen gefördert werden. Wenn das gelinge, sei ein großer Schritt in die richtige Richtung gemacht, so Forteza.

Was noch etwas schwammig klingt, wird an mancher Stelle schon konkreter. So bewertet Forteza den Plan, das Besucherzentrum des Landguts Raixa zu modernisieren, als wichtigen Schritt, um die Tramuntana den Besuchern näherzubringen. Auch der Start von Kulturrouten (Rutas Culturales por la Serra de Tramuntana) ist in den Augen von Forteza ein Mosaikstein, um verantwortungsbewussten Tourismus zu fördern. Für jede Gemeinde gibt es inzwischen Infomaterial mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Es sieht so aus, als komme langsam etwas in Bewegung.